individuelle Vereinbarung für ausländischen Jungen

  • Hallo,
    in meiner Klasse (7.) ist nun ein Junge, der seit ca. 11 Monaten in Deutschland lebt und in dieser Seite unheimlich viel gelernt hat. Er war zunächst auf der Hauptschule, ist jetzt bei uns, nachdem er zunächst auf Probe auf dem Gymnasium aufgenommen wurde. Da wir ja bereits in der 6 mit der 2. Fremdsprache anfangen, hat er hier noch eine große Lücke.
    Der Plan der Schulleitung ist, dass er in den Lateinunterricht(er will wohl Latein und nicht Frz. machen) der Klasse 6 geht und auch noch im 7er-Unterricht mitmacht, in der Hoffnung, dass er vielleicht Ende des Jahres in den normalen Unterricht einsteigen kann. Leider verpasst er durch den fremden Unterricht auch vier Stunden Unterricht in der Klasse, davon eine Stunde Deutsch und eine Stunde Mathematik, und müsste sich den Stoff nacherarbeiten.
    Nun bekam er gestern Angst, glaubte, das nicht zu schaffen. Ich halte ihn für ziemlich fleißig und klug und gut entwickelt, sodass ich ihm das schon zutraue, aber es ist leider mit viel Arbeit verbunden.
    Er wird bei einer Kollegin mit 3 anderen Schülern an einer Förderstunde teilnehmen, aber das reicht ja nicht.


    Ich habe nun zwei 'Probleme' bzw. Fragen:
    1. Als Deutschlehrerin: Natürlich kann der Junge nicht das leisten, was die anderen leisten müssen. Er beteiligt sich sehr fleißig, es fehlt aber trotzdem auch noch einfach an Sprachwissen. Wie macht ihr das bei solchen Schülern (auf der weiterführenden Schule)? Vereinbart ihr individuelle Lernziele, bewertet ihr die Klassenarbeiten anders?


    2. Als Klassenlehrerin: Inwieweit muss ich mich da jetzt hinterklemmen und mit den Kollegen für Latein und Mathe etwas vereinbaren und sie zu weiteren Hilfemaßnahmen drängen?

  • Die Leistungen des Jungen sind auf der einen Seite sehr bewundenswert und sicher eine Ausnahmeerscheinung - auf der anderen Seite werden in diesem Fall die Grenzen in unserem Schulsystem schnell deutlich. Ich denke, dass du bei der Bewertung der schriftlichen Arbeiten aus Gründen der Gleichbehandlung gegenüber den Mitschülern, die auch einen Migrationshintergrund haben, keine anderen Bewertungsmaßstäbe anlegen kannst; die sprachliche Richtigkeit kannst du bestenfalls im Bereich der sonstigen Mitarbeit ein wenig lockerer sehen. Ansonsten (und hier spreche ich nicht nur aus Lehrersicht) zeigt sich leider immer wieder, dass sich das Fördern in der Schule vorrangig auf das Fördern der Lernschwächeren bezieht. Die leistungsstarken Schüler -zumal wenn es nur einzelne sind, die nicht in Kleingruppen über längere Zeit separat unterrichtet werden - müssen oft einsehen, dass ihnen im Grunde lediglich die Lernbedingungen erschwert werden, denn sie müssen eigenständig den fehlenden Stoff aufarbeiten (s. Fremdsprache, Naturwissenschaften ...). Das ist in meinen Augen eine immense Mehrarbeit und es bleibt die Frage, ob sensible Kinder, die ja dann meist auch gewisse Ansprüche an sich stellen, mit dieser Herausforderung klarkommen. Ich würde auf jeden Fall als Klassenlehrerin auch Gespräche mit den Eltern suchen, um die Belastbarkeit und den Einsatzwillen des Kindes sowie die Unterstützung, die durch das Elternhaus überhaupt möglich ist, abzuchecken.

    Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand. (A.Schopenhauer)

  • An der Schule gibt es nur ganz wenig Migrantenkinder, sodass hier auch kaum Strukturen da sind.
    Ich habe mir überlegt, dass ich ihn auf jeden Fall motivieren möchte, viel zu lesen und Hörbücher zu hören. In Sachen Latein will ich mit dem Kollegen für das 2. Lernjahr sprechen und plane eigentlich, in einer dieser Stunden, in der ich auch eine Freistunde habe, mit dem Jungen ein bisschen zu arbeiten.
    Ich denke, dass man ihn jetzt v.a. auch ermuntern muss und nicht demotivieren darf, dass ihm alles wie ein riesiger Berg aussieht.
    Aber es ist schon blöd.


    Was die Eltern angeht: Die kenne ich noch nicht, ich weiß auch nicht, wie gut sie Deutsch sprechen. Da sie Inder sind und ich darauf hoffe, dass sie gut Englisch sprechen - ich aber leider nicht so - will ich ggf. meinen Englischkollegen, der ihn in Latein 1. Lernjahr und Englisch unterrichtet, dann dazunehmen.

  • Mein Tipp für das Fach Deutsch: Sieh zu, dass du einen DaFler befragst, der dir Literatur nennt, die für den Jungen geeignet ist, sodass er seine Deutschdefizite schnell aufarbeitet. Grammatik, Satzbau, auch komplexere Sätze, Wortschatz. Er muss viel deutsch sprechen und dann auch schreiben!
    Ich hatte letztes Jahr ein Mädchen in der 11, die grade zwei Jahre in Deutschland war, trotz Hilfe waren die Sprachkenntnisse (besonders im schriftlichen Bereich) nicht für die gym. Oberstufe ausreichend, die Klausuren waren fast unverständlich, also auch, wenn sie das richtige gemeint hätte, haben wir Lehrer es nicht verstanden, das hat ihr sämliche Noten versaut, sodass sie abgehen musste.


    Vielleicht kannst du als Klassenlehrerin ja auch unter den Schülern ein Hilfesystem einrichten, gemeinsames Anfertigen von Hausaufgaben, damit er jderzeit fragen kann und nebenbei ein paar Freunde findet?


    Ich lese grade deinen Beitrag noch einmal: Wäre es für den Jungen nicht viel entlastender, wenn er bei euch in der Klasse 6 starten würde?? Was macht schon dies eine Jahr und zumindest der "Lateinberg" wäre dann beseitigt, lernen muss das arme Kerlchen doch auch so schon jede Menge!

    There is a difference between knowing the path and walking the path. (Matrix)

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  • Das Zertifikat "Deutsch als Fremdsprache" habe ich auch gemacht :) Nutzen für MEIN Schulleben: Null
    Aber ich weiß immerhin, dass man in bestimmten Ländern seinen Teller nicht aufisst und in anderen seine Bürotür nicht schließen soll.


    Ja, ich muss mich nach geeigneter Literatur umschauen.
    Ich habe auch schon zwei Schüler gefunden, die dem Jungen die Hausaufgaben für die Stunden, die er versäumt genauer aufschreiben und erklären. Dass sich längerfristig ein Netz aufbaut, wage ich zu bezweifeln. Wäre wohl ein soziales Lernziel ;)


    Ich habe mich jetzt so mit dem Lateinkollegen abgesprochen, dass er in einer der Stunden, meiner Freistunde, mit mir arbeitet, dann muss er ja noch in den Förderkurs Deutsch, und in der Förderstunde Latein 7 bekommt er Aufgaben zum 6er-Stoff, die er dann auch während der Doppelstunde Latein 7 bearbeiten kann. Das Problem in Latein ist auch, dass er einfach durch seine höhere intellektuelle Reife schneller lernt. Die Vokabeln hat er wohl schon sehr flott gelernt.

  • Kann man ein DaF-Zertifikat machen? *g* Was es alles gibt... ;)

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    • Offizieller Beitrag

    Ak, es gibt irgendwo die Vorgabe, dass du Arbeiten von Nicht-Muttersprachlern, die noch nicht lange in Deutschland leben, anders bewerten kannst. Wir hatten den Fall so noch nie, da alle unsere Nicht-Muttersprachler schon sehr lange in D leben, aber ich bin mir sicher, dass es da eine andere Bewertungsweise gibt.

  • Vielleicht denkt Referendarin hieran:


    Im Kernlehrplan Deutsch / Realschule heißt es auf der letzten Seite:


    "Bei Schülerinnen und Schülern, die Deutsch als Zweitsprache lernen, sind für die Leistungsfeststellung im Bereich der sprachlichen Darstellungsleistung die Lernausgangslage sowie der individuelle Lernfortschritt ebenso bedeutsam wie der bereits erreichte Leistungsstand.
    In den Jahrgangsstufen 5 und 6 wird für diese Schülerinnen und Schüler die sprachliche Darstellungsleistung nur bezüglich der Sprachphänomene bewertet, die konkret im Unterricht erarbeitet worden sind bzw. vorausgesetzt werden können."

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