Hallo,
ich sitze gerade an meiner Masterarbeit zumThema "Belastung und Beanspruchung von Lehrkräften" . Meine dazu durchgeführte Befragung unter Lehrern hat ergeben, dass Belastung durch organisatorische und formale Arbeiten einen ganz erheblich Belastungsfaktor für Lehrkräfte darstellen. Schwer erklärlich für mich ist aber, dass sich jüngere Lehrer (weniger als 10 Berufsjahre) sehr stark und ältere Lehrer ( 10 Jahre und länger im Beruf) kaum durch derartige Arbeiten belastet fühlen. Es kann nicht daran liegen, dass man erst nach 10 Jahren begriffen hat, wie es geht und sich deshalb mit diesen Arbeiten leichter tut...Hat vielleicht jemand aus der Praxis einen Erklärungsansatz?? Vielen Dank schon vorab und noch einen schönen, sonnigen Sonntag!
wünscht Tabula rasa
Lehrerbelastung
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Hallo Tabula rasa,
meine Erklärung dafür ist folgende:
Zum einen haben erfahrene Lehrkräfte in der Tat mehr Erfahrung und Routine in der Erledigung des organisatorischen und formalen "Krams", so dass sie weniger Zeit dafür benötigen.
Zum anderen scheint es zumindest einen Teil der erfahreneren Kollegen zu geben, die sich nicht mehr viel um Formalia oder Organisatorisches kümmern, ja, es stellenweise sogar bewusst ignorieren. Das wird dann entsprechend auch nicht mehr als Belastung empfunden.
Junglehrer sind oftmals hoch motiviert, wollen alles richtig machen und keine Fehler machen. Rückschläge bei formalen und organisatorischen Dingen passieren natürlich, doch das führt dazu, dass sie es beim nächsten Mal richtig machen wollen, zugleich steigt dann aber die durch solche Dinge subjektiv empfundene Belastung.
Ein weiterer Faktor, der zweifelsfrei für die erfahreneren Kollegen spricht, ist, dass sie sich viele Dinge nicht mehr so zu Herzen nehmen, sich nicht mehr über Erlasse des Ministeriums aufregen, sprich: Sie legen ein Höchstmaß an Gelassenheit (Zyniker nennen das blinden Gehorsam) an den Tag.
So viel zu meinen Thesen zu dieser Frage.
Gruß
Bolzbold -
Außerdem: in den ersten 10 Jahren neigen viele Lehrer zu Perfektionismus, dazu, sich selbst die Latte immer höher zu hängen. Da werden diese organisartorischen und administrativen Aufgaben mit einem Ernst und einer Genauigkeit erledigt, die stresst, weil es oft ausufert. Ältere Lehrer empfuinden die Fülle organistaorischer Aufgaben durchaus auch als Stress, aber es gibt Dinge die sie mit abnehmend guter körperlicher Konstitution und abnehmend gutem Nervenkostüm tausendmal mehr nerven: Lautstärke, Gewusel, ruppiger Ton etc - so dass der Organisationskram eben im Vergleich besser wegkommt, i.e. als weniger belastend.
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Zitat
Original von Bolzbold.
Zum anderen scheint es zumindest einen Teil der erfahreneren Kollegen zu geben, die sich nicht mehr viel um Formalia oder Organisatorisches kümmern, ja, es stellenweise sogar bewusst ignorieren. Das wird dann entsprechend auch nicht mehr als Belastung empfunden.
Ignorieren, bzw. aussitzen... Denn mit genug Erfahrung gelingt die Unterscheidung zwischen sinnvollen und unsinnigen (belastenden) Formalia sehr schnell. Der Bürokratismus in den Schulen nimmt immer mehr zu, dagegen kann man oft nur mit etwas "Ungehorsam" etwas tun. Und den trauen sich ältere Lehrer/innen sicher mehr. L.G. Pia
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DA würde ich zustimmen. Hier in Hessen wurden sich vor nicht allzulanger Zeit mal zwei, drei sehr arbeitsintensive Formalia aus dem Bereich Dokumentation erdacht - die heute kein Schwein mehr interessieren und an die sich bei Nachfrage im Kultusministerium auch kein solches mehr erinnern konnte, respektive man konnte nicht sagen, wozu die schlussendlich dienen und werddie dereinst mal braucht. Pech für die Kollegen, die fleißig gesammelt und gelistet und beschrieben haben...
Im Prinzip ist es dasselbe mit den schwachsinnigen Credit-points, die wir für Fortbildungen etc sammeln müssen. Es hat in den Jahren, seit die eingeführt worden sind, noch NIE irgendeiner danach gefragt, wie viele man denn nun wirklich hat. Nicht bei Beförderungen, nicht bei Versetzungen, nicht bei sonstwas. Aber wir sammeln brav fleißig weiter und die fortbildenden Institutionen müssen sich mit einem RIESENbürokratieaufwand akkreditieren lassen, damit sie Punkte verteilen können und dann müssen sie für jede Verantsaltung eine gewissen Anzahl an Punkten wieder akkreditieren lassen und ... HACH! Ich sach euch, wir ham Spaß in Hessen!
Wenn man seine Punkte wenigstens mal gegen eine neue Waschmaschine eintauschen könnte ...
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Zitat
Original von Meike.
Wenn man seine Punkte wenigstens mal gegen eine neue Waschmaschine eintauschen könnte ...
Das wär doch mal was... -
Hallo Leute,
erstmal vielen Dank zwischendurch für support und gute Tipps. Ich kann die Antworten gut einbauen und weiß nun, dass ich nicht unbedingt nach Hessen muss
Grüße aus dem sonnigen Niedersachsen
sendet
Tabula rasa -
Zitat
Original von Meike.
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Wenn man seine Punkte wenigstens mal gegen eine neue Waschmaschine eintauschen könnte ...Weshalb zeigst du am Ende der Fortbildung nicht deine Payback-Karte und lässt dir die Punkte gutschreiben?
Hassu selbst vermasselt.... Wenn du dich ab sofort ranhältst und fleißig Punkte sammelst, kommt der -
Die wichtigsten Sachen sind m.E. schon genannt; man lernt in der Tat im Lauf der Jahre mit mehr Routine zu unterscheiden, was wirklich wichtig ist und was nicht (Anforderungen "von oben" sind es in aller Regel eher nicht :D) - und man erkennt, dass mindestens 50% eines funktionierenden Unterrichts aus der richtigen Organisation des Ablaufs besteht (das hat man vielleicht auch vorher schon mal gehört, aber es in der Praxis zu sehen, dass es wirklich vieles erleichtert, ist doch etwas anderes).
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Back on topic:
Sogenannte "Alte Hasen" sind aus mehreren Gründen mit formalen Dingen nicht mehr so sehr belastet:
1.) Mit der Zeit schafft man sich einen Fundus an Elternbriefen, Formularen, Berechnungstabellen, Stoffplänen ... die nur noch angepasst werden müssen. Das entlastet sehr. Die Organisation von Klassenfesten, Ausflügen, Klassenfahrten ist - auch wenn die Ziele und Themen anders sind - in der Kernstruktur ähnlich.
2.) Viele Formalia, die von der Schulleitung oder vom Schulamt gefordert werden, sehen zwar immer wieder anders aus - die Erfahrung lehrt jedoch, dass es im Kern meist um bereits Bekanntes geht...
3.) Mit den Jahren sieht man Vieles lockerer - die Erfahrung lehrt, dass der Kopf sich immer noch zwischen den Schultern befindet - auch wenn eine Organisation nicht bis in die letzte, unplanbare Unwägbarkeit vorausgedacht war.... Man lernt zu improvisieren.
4.) Mit den Jahren lernt man eine Quintessenz jeder organisatorischen Planung kennen und zu akzeptieren: "Je genauer du planst, desto wirkungsvoller trifft dich der Zufall." Daher werden die Planungen mit der Zeit "ergebnisoffener" - und somit weniger belastend.
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