Deutschaufsatz Inhalt hui Sprache pfui

  • Hallo,
    mir fällt bei Kollegen immer wieder auf, dass ein Deutschaufsatz, der sprachlich SEHR schwach ist, oft mit der Note 5 bewertet wird, unabhängig vom Inhalt.


    Jetzt hatte ich dieses Jahr einen Schüler, der erst drei Jahre in Deutschland wohnt und daher große sprachliche Defizite im Schreiben aufweist. Im Verstehen ist er der Klasse voraus.


    Inhaltlich hat er jeden Text mit großem Abstand am besten erschlossen.


    Daher grundsätzlich die Frage, was ihr in so einem Fall macht.
    1 bis zwei Noten Abzug für Sprache ergibt Note zwei oder drei.
    Der Aufsatz ist aber von oben bis unten rot. Also 4 oder 5, obwohl es immer inhaltlich am besten war?


    Solch einen extremen Fall hatte ich noch nie, aber ich kenne wirklich Deutschlehrer, bei denen sprachlich schwache Schüler inhaltlich schreiben können, was sie wollen, sie kommen auf keinen grünen Zweig. Das kann doch auch nicht sein. Diese lästern aber dann über meine zwei oder drei. Also, was meint ihr?


    Es geht um die 10. Klasse.

    • Offizieller Beitrag

    das verstehe ich nicht so ganz. Inhalt und Sprache gehen doch miteinander einher; will sagen, gute Gedanken werden erst durch adäquate Ausdrucksweise formuliert ?
    Oder umgekehrt, wenn ich gute Gedanken aufgrund schwacher sprachlicher Mittel erst raten muss, bleibt dan das Rateergebnis nicht mir überlassen?
    Ich kann das nicht ganz trennen... X(


    Das ist natürlich auch vom Alter der Schüler abhängig

    • Offizieller Beitrag

    Ich gebe Friesin recht: Wenn ich erst erraten muss, was der Schüler eigentlich meint, dann geht das natürlich zu Lasten des Inhalts. Und ich finde, da kommt es sehr darauf, was der Schüler für Fehler macht.
    Sind es hauptsächlich Ausdrucks-und Rechtschreibfehler, wäre ich wohl eher großzügig und würde wohl eine drei minus geben.
    Kann ich aber vor lauter Satzbaufehlern kaum mehr einen Sinn erkennen, dann ist das eine mangelhafte Leistung.
    Das scheint aber bei dir wohl nicht der Fall zu sein, sonst würdest du ja nicht schreiben, dass der Schüler den Text am besten erschlossen hat.
    Wie hast du denn davor benotet, hat der Schüler im Vergleich zu seinen bisherigen Leistungen einen Fortschritt erzielt?
    Es ist schwer, so aus der Ferne einen Ratschlag zu geben ohne die genauen Umstände zu kennen, aber ich würde wahrscheinlich zu einer guten vier, also eine ausreichende (!) Leistung, tendieren.
    Liebe Grüße
    Hermine

  • Hallo!
    Gibt es denn bei euch keine verbindlichen Regelungen? Unsere Fachkonferenz hat vorgegeben, dass Aufsätze folgendermaßen benotet werden:
    Inhalt 50 %
    Sprache und Ausdruck 25 %
    Rechtschreibung (berechnet nach einem Fehlerquotienten) 25 %


    Gibt es das bei euch nicht? Da könnte man dann ja ganz willkürlich benoten.
    Gruß, Yula

  • Hallo,


    Ganz einfach: Glasklare Kriterien aufstellen und diese absolut transparent machen!


    Vielleicht wären Schritte der Textrevision eine Möglichkeit. D.h. der Schüler stellt seine Texte vor und bekommt vom Mistchülern Rückmeldung und Tips. Dann überarbeitet er den Text.

  • nur kurz meinen senf:
    in diesem fall würde ich wahrscheinlich auch zur 4 tendieren, aber in die bemerkung sehr genau reinschreiben, wie toll er den inhalt erfasst hat.
    bei mir ist es tatsächlich auch so, dass, wenn die sprache wirklich schwach ist, der aufsatz nicht besser als 4 sein kann. wir haben keine fachschaftskriterien, aber ich sage meinen schülern immer, dass ich 50:50 werte, dass aber, wenn der inhalt sehr mies oder die sprache sehr mies ist, ein aufsatz nicht besser als 4 sein kann.
    inhalt und sprache geht (zumal im gymnasium) bei mir sehr stark miteinander einher. und auch stil kann man - im gegensatz dazu, was manche schüler und eltern behaupten - durchaus üben.

  • Hallo German,


    natürlich sind Sprache und Inhalt verknüpft. Wenn aber mit ein bisschen gutem Willen des Lehrers deutlich wird, wie gut der Schüler die Inhalte verarbeitet, kann man ihn nicht mit einer schlechten Note abstrafen. Würde der inhaltlich besten Arbeit nie eine vier oder gar schlechtere Note geben.


    Das ist hier ja ganz klar ein Sonderfall: der Junge ist auf das Gymnasium gekommen, OBWOHL er erst seit drei Jahren deutsch spricht. Und versteht die Sprache offensichtlich schon so gut, dass er seiner Klasse im Verständnis sogar voraus ist. So klar herausragende Leistungen muss die Schule, auch in Noten, honorieren. Die Situation und die Leistung dieses Schülers und seiner "roten" Arbeiten ist eben nicht vergleichbar mit denen von Muttersprachlern.


    Was ist denn der Auftrag von Schule und Lehrern? Wir haben einen Bildungsauftrag und wollen interessieren und motivieren, Leistung fördern, fordern und bewerten. Inhalt vor Form, auch im Bildungsauftrag. Weiß auch, dass da sicher einige anders denken.


    Andere Schüler machen sich nicht gleich selbst bewusst, das Gerechtigkeit nicht immer völlige Gleichbehandlung meinen muss. Denke aber, dass man das Mitschülern erklären kann.


    Halte es für unumgänglich, mit der Fachschaft, dem Klassenlehrer und dem Direktor grundsätzlich zu klären, wie man bei diesem Schüler mit dieser Differenz von Inhalt und Sprache umgeht. Das Problem kommt doch immer wieder und zwar in allen Fächern, wenn auch in Deutsch am heftigsten.


    Grüße
    Adda

  • Ich habe ganz schnell angefangen, bei Klassenarbeiten (an einer Gesamtschule) die Grammatik und Rechtschreibung mit maximal 10% in die Gesamtnote einzubeziehen, denn die meisten meiner SuS bekommen auch in der Mittelstufe kaum einen grammatikalisch richtigen Satz hin und machen so viele Rechtschreibfehler, dass ich schon gar nicht mehr nachzähle. Das ist für mich teilweise wirklich frustrierend aber ansonsten hätte ich höchstens ein Zehntel der Arbeiten über "ausreichend". Manchmal habe ich das Gefühl, das ist ein Fass ohne Boden und ich weiß gerade in den Klassenstufen ab 7 aufwärts kam noch, wo ich ansetzen soll.

  • Zitat

    Original von annamirl
    nur kurz meinen senf:
    in diesem fall würde ich wahrscheinlich auch zur 4 tendieren, aber in die bemerkung sehr genau reinschreiben, wie toll er den inhalt erfasst hat.
    bei mir ist es tatsächlich auch so, dass, wenn die sprache wirklich schwach ist, der aufsatz nicht besser als 4 sein kann. wir haben keine fachschaftskriterien, aber ich sage meinen schülern immer, dass ich 50:50 werte, dass aber, wenn der inhalt sehr mies oder die sprache sehr mies ist, ein aufsatz nicht besser als 4 sein kann.


    Das ist ein echter Jammer, dass man mit einer derartigen Einstellung auf die Schüler losgelassen wird. Wie kann man einen Schüler, der die deutsche Sprache aufgrund äußerer Umstände (noch) unzureichend beherrscht, so billig abstrafen, zumal er den Mitschülern im Verstehen sogar noch voraus ist? Wenn man nicht mal einen Kriterienkatalog übergeprügelt bekommt, nach dem man sich zu richten hat, dann sollte man das zugunsten des Schülers nutzen, ihn und seine Motivation fördern und dem Inhalt eindeutig die höchste Priorität zugestehen. Das wirklich Schlimme ist, dass die Schüler v.a. im Fach Deutsch derart von den "Meinungen/Einstellungen" ihrer jeweiligen Lehrer abhängig sind.


    Überhaupt bin ich der Ansicht, dass Schüler in erster Linie an den Maßstäben gemessen werden sollten, die sie selbst vorgeben. Bsp.: Ein Schüler erhält die Note 6, weil er in einem Diktat 43 Fehler machte. In einem vergleichbaren Folgediktat, auf das sich der Schüler intensiv vorbereitet hat, unterlaufen ihm "nur" noch 18 Fehler. Abermals wird - ungeachtet der Fortschritte, die dieses Kind machte - die Note 6 erteilt. Welche Konsequenzen wird ein Schüler daraus ziehen? Ob ich mich bemühe oder nicht, es ist eh für die Katz, also wofür sollte ich überhaupt noch üben?


    Ich erinnere mich noch an meine eigene Schulzeit. Im Sportunterricht erhielt meine kleine, dicke Freundin immer schlechte Noten, weil sie u.a. nicht die Kletterstange hinaufkam. Wie denn auch? Ihr Körper gab das schlicht und ergreifend nicht her! Mit ihren zierlichen Ärmchen konnte sie den restlichen Körper nicht "tragen". Sollte man Schüler nicht eher nach der Leistung bemessen, die sie überhaupt zu erbringen imstande sind? Wenn das Mädchen durch Übungen wenigstens die halbe Strecke schaffen würde, sollte man das honorieren und nicht erneut mit der Note 6 abstrafen, weil sie es nicht ganz bis nach oben schaffte, denn diese Schülerin hat letztlich mehr geleistet als jene, die aufgrund der körperlichen Konstitution den Anforderungen ohne Mühe gerecht werden konnten.


    Es ist einfach so, dass dem einen Schüler eher Mathe, dem anderen eher Deutsch o.a. Fächer liegen. Statt zu demotivieren, sollten Lehrer fördern!

  • In gewisser Weise muss ich abertausendweit Recht geben. Leider ist unser Schulsystem so ausgelegt, dass wir gezwungen ind, unsere Maßstäbe transparent und für alle Schüler gleich anzulegen.


    Dadurch fallen individuelle Leistungsfortschritte notenmäßig unter den Tisch. Erfolge eines Scghülers lassen sich jedoch auch durch verbale Bemerkungen unter der Arbeit würdigen - diese zählen für einen Schüler oft noch mehr als eine abstrakte Note.


    Bei der Benotung von Aufsätzen darf die Rechtschreibung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das Beste ist, wenn ein klarer Kriterienkatalog zu Grunde gelegt wird.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Zitat

    Original von alias
    In gewisser Weise muss ich abertausendweit Recht geben. Leider ist unser Schulsystem so ausgelegt, dass wir gezwungen ind, unsere Maßstäbe transparent und für alle Schüler gleich anzulegen.


    Warum schreibst du "leider", wenn es um die Transparenz der zugrundeliegenden Maßstäbe für die Notengebung geht? Ich halte das für enorm wichtig - und zwar in erster Linie für die Schüler. Sie müssen wissen, woran sie sind, was von ihnen erwartet wird.


    Man sollte neben Aufbau, Sprache, Inhalt, Stil etc. (je nach Art des Aufsatzes), auch eine Note einfließen lassen, die sich auf den Leistungsfortschritt des Schülers bezieht. Eine auf die Leistungssteigerung bezogene positive Randnotiz (neben einer 5) mag evtl. noch einen Grundschüler anspornen, auch wenn ich diese Zusätze nicht für unwichtig halte. Die Schüler höherer Klassen lassen sich damit nicht mehr "trösten", sie wissen um die Relevanz der Noten und dass eben nur die zählen, wenn sie sich irgendwo bewerben.

  • Zitat

    Die Schüler höherer Klassen lassen sich damit nicht mehr "trösten", sie wissen um die Relevanz der Noten und dass eben nur die zählen, wenn sie sich irgendwo bewerben.


    und hier liegt ja eben das problem - die noten haben eine relevanz. wenn ich mit 18 fehlern eine pädagogische 4 (oder noch besser) erhalte, geben die abschlussnoten keine übersicht mehr über den lesitungsstand der kinder. ein ausbildungsbetrieb will aber sehr wohl wissen, ob da jemand wirklich schreiben kann oder "nur" sehr viel bemühen gezeigt hat.


    deshalb hat alias recht, wenn er schreibt, dass in diesem schulsystem keine pädagogische bewertung mit noten möglich ist. allerdings heißt das nicht, dass ich deine ideen und vorstellungen nicht teile. mitnichten! ich erlebe sehr wohl die vorzüge der 1. und 2.klasse ohne noten und dem wechsel zum notensystem: die guten werden mehr und mehr motiviert, die schwachen mehr und mehr demotiviert. es müsste also bis weit in den sekundarbereich ein anderes bewertungssystem geben - also die arbeit an den eigenen individuellen lernzielen. erst im abschlussjahr und -zeugnis erscheinen dann erstmals vergleichbare bewertungen (allerdings plus kommentare) ... dies erfordert natürlich ein enormes umdenken, was das system schule und unterrichtsgestaltung betrifft und bleibt deshalb vorerst utopie ;)


    @anfangsposter: ich weiß ja nicht, ob das möglich ist, aber kann man nicht mit dem schüler/der fachleitung eine vereinbarung treffen. die jetzige arbeit wird gut bewertet, die teilzensur sprache wird zwar notiert, aber zunächst ausgeklammert. dem schüler wird das problem aufgezeigt und deutlich gemacht, dass der bereich sprache im laufe des schuljahres fortan immer stärker einfließen wird - bis am ende das reguläre klassenniveau zu erfüllen ist. so hat der schüler ersteinmal eine positive rückmeldung und auch zensur (!), weiß aber, dass er im laufe des jahres an seiner sprache arbeiten muss ...?! ich fände das einen fairen kompromiss.

  • Zitat

    Original von abertausendweit


    Warum schreibst du "leider", wenn es um die Transparenz der zugrundeliegenden Maßstäbe für die Notengebung geht? Ich halte das für enorm wichtig - und zwar in erster Linie für die Schüler. Sie müssen wissen, woran sie sind, was von ihnen erwartet wird.


    .


    Meine Formulierung ist in dre Kombination etwas unglücklich geraten. Selbstverständlich muss die Notengebung transparent sein. Leider müssen wir jedoch - nicht zuletzt wegen dieser Transparenz und Vergleichbarkeit - alle Schüler (notenmäßig) über einen Kamm scheren.
    [Blockierte Grafik: http://bidok.uibk.ac.at/library/schueler-kommentare00.png]

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Vielen Dank für die Rückmeldungen.


    Die Idee von Schlauby gefällt mir gut. Der Schüler kommt nächstes Jahr in die 11. Klasse und paukt in den Ferien Deutsch. Bei seiner Grundbegabung müssten die Lernfortschritte sichtbar sein.


    Eine Vereinbarung mit der Fachleitung ist nicht notwendig, weil ich das bin :)


    zu Yula: Es gibt bei uns keine verbindliche Regelung innerhalb der Fachschaft, gab es auch an meinen drei vorherigen Schulen nicht. Ich würde mir diese Einmischung in meine pädagogische Freiheit auch verbitten X(


    In BaWü DARF meines Wissens für Rechtschreibung und Grammatik (und darunter fällt ja auch Satzbau) höchstens eine Note abgezogen werden, insofern kommt der sprachlich schwache Schüler - und auch der mit Lese-Rechtschreibschwäche - vielleicht besser weg als in anderen Bundesländern.
    Aber es halten sich wie oben geschrieben meiner Beobachtung nach nicht alle Kollegen daran.

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