Einheitsschule - das Allheilmittel?

  • Zitat

    Original von Helen
    Letzteres wäre für alle gut, auch für die Schwachen. Diesen kann nur durch viele Leistungsstarke geholfen werden, da jene die Mittel erwirtschaften, die notwendig sind, um Hilfe zu gewähren. Jedem Schwachen steht der Weg zur Leistungsstärke offen - Wer will das leugnen?


    Dass das falsch ist, kann ich sogar der Tagespresse entnehmen. Dazu brauche ich nicht Arbeiten der Bildungsforschung heranziehen. Die Leistungsstarken verabschieden sich zusehends aus der Gemeinschaft und verwechseln Solidarität mit Ausbeutung. Sie sind der Meinung alles, was sie erarbeiten auf ihre individuelle Leistung zurückführen zu können und vergessen dabei, dass es ein öffentlich finanziertes Schul- und Universitätswesen war, welches sie soweit gebracht hat. Ich empfehle die Durchsicht folgender Seiten: http://www.nachdenkseiten.de


    Dass den Schwachen die Wege zur Leistungsstärke offen stehen ist nur formal so. Faktisch hat Deutschland ein hoch selektives System, welches im Endeffekt nicht nach Leistung selektiert, sondern nach sozialem Ursprung. Das haben PISA und andere Studien gezeigt. Und genau das hat schon Klafki kritisiert.


    Die Sicht, dass bis 1960 das dreigliedrige Schulsystem hocheffektiv war scheint deinen Zitaten zufolge aber auch nur von Leuten vertreten zu werden, die darin groß geworden sind. Da bin ich mir manchmal nicht sicher, inwieweit die in der Lage sind, die eigenen Geschichte kritisch zu hinterfragen und auf die aktuellen Bedingungen zu übertragen.


    Auch dein häufiges Wiederholen von der leistungsfeindlichen Klafki-Pädagogik halte ich für falsch. Nur mal ein Zitat aus dem von dir zitierten Aufsatz, der aussagt, dass sich sehr wohl mit Klafki Leistung legitiemieren lässt, nur eben eine andere: "Es bedarf der Entwicklung von Leistungskriterien, die sich auf geistige Prozesse beziehen, z.B. den Vollzug von Kommunikation im Unterricht, die Entwicklung einer Kritik (...), den Vorgang einer mathematischen oder naturwissenschaftlichen Problemlösung usf."


    Und weiter: " Es wird sich hier sicherlich die Frage auftun, ob im Zuge der Revision des Verständnisses der Schulleistung und der Leistungsbeurteilung jeder Leistungsvergleich zwischen den Schülern und jede Leistungsbewertung des einzelnen angesichts genereller Normen ausgeschaltet werden sollte. Ich meine, dass das in keiner der gegenwärtigen Gesellschaftsformen auf ihrenm derzeitigen und, soweit hier Prognosen mögliche sind, auf absehbare Zeit auch auf ihrem zukünftig erreichbaren Entwicklungsstand möglich sein wird. [...] Aber die einseitige Dominaz dieses auf den Leistungsvergleich bezogenen Aspekts in unserem Schulwesen ist nicht gerechtfertigt und zeitigt weithin die oben beschriebenen negativen Folgen."


    Gruß

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von CKR
    Dass den Schwachen die Wege zur Leistungsstärke offen stehen ist nur formal so. Faktisch hat Deutschland ein hoch selektives System, welches im Endeffekt nicht nach Leistung selektiert, sondern nach sozialem Ursprung. Das haben PISA und andere Studien gezeigt. Und genau das hat schon Klafki kritisiert.


    Ketzerisch gesprochen könnte man aber auch behaupten, dass in jedem Schulsystem, wo Lehrer und Eltern nicht zusammenarbeiten, oder wo die Unterstützung aus dem Elternhaus - hier vor allem auf Werte und Normen wie Eigeninitiative, Durchhaltewillen und Eigenverantwortung bezogen - die echte Chancengleichheit bzw. der Schulerfolg ausbleiben.
    Schule kann nicht reparieren bzw. kompensieren, was in der Zeit VOR dem Schulbesuch schief gelaufen ist.
    Der soziale Ursprung ist immer mit ein entscheidender Faktor beim Schulerfolg - ganz gleich in welchem System.
    Es stellt sich damit die Frage, ob die Kritik an der Relevanz der sozialen Herkunft für schulischen Erfolg hier im Falle des dreigliedrigen Systems greift.


    Fragen wir uns ferner einmal, wie denn die Einheitsschule funktionieren soll. Im Extremfall hätten wir sehr starke Schüler (oberes Gymnasialniveau) mit extrem schwachen Schülern (Hauptschulniveau) zusammen in einer Klasse.
    Die lapidare Forderung nach Differenzierung im Unterricht trägt dieser Problematik nicht hinreichend Rechnung.


    Innerhalb der Einheitsschule müsste dann auch in jedem Fach in wenigstens drei Stufen (nach Leistung und Anspruch) differenziert werden, damit man wirklich jedem Schüler auch entsprechend gerecht werden kann. Das entspräche dann einem System, wie es die viel gescholtene amerikanische High-School praktiziert. Ansonsten würde man sich nämlich in der Tat an den Schwächsten orientieren.


    Was darüber hinaus gerne übersehen wird bei der Frage nach Chancengleichheit, ist, dass die Chancengleichheit nicht nur auf dem Papier besteht - doch bezieht sie sich nur auf den Zugang zur Bildung, d.h. die Möglichkeit, unabhängig von der sozialen Herkunft Bildungschancen wahrzunehmen.
    Wenn diese aber aufgrund der sozialen Herkunft nicht genutzt werden wollen oder können, weil die entsprechenden Familien vielleicht gar kein Interesse daran haben oder die Notwendigkeit nicht sehen oder die Unterstützung schlichtweg aufgrund der fehlenden entsprechenden Werte ausbleibt, dann kann man die "Schuld" dafür nicht dem Schulsystem zuschieben - nur lässt sich das politisch nicht so verkaufen - man will ja keinen Wähler vergrätzen.
    Solange es Erwachsene bzw. Eltern gibt, die keinen Eigenantrieb besitzen, die die Verantwortung für ihr Lebensschicksal anderen, Dritten zuschieben und entweder nicht fähig oder nicht willens sind, sich zumindest ein Stück weit selbst aus dem Sumpf zu ziehen, ist DAS meines Erachtens das viel entscheidendere Problem, das weitgehend VOR Eintritt in das Schulsystem greift, weil das den Kindern vorgelebt wird.


    Ich kenne in meinem Umfeld mehrere Menschen, deren Eltern einen teilweise deutlich niedrigeren Bildungsabschluss haben. Dennoch sind die Kinder dieser Eltern aufs Gymnasium gegangen, haben Abitur gemacht und hinterher erfolgreich studiert. Die soziale Herkunft war hier weniger entscheidend als vielmehr die Werte, die seitens der Eltern vorgelebt wurden.


    Gruß
    Bolzbold

  • Klingt plausibel. Wahrscheinlich wird das auch genau der Punkt sein. Es ist letzlich nicht das Schulsystem an sich, sondern der Umgang der Gesellschaft mit den sozial Schachen. Aber ein von dir beschriebenes Schulsystem mit einer Dreigliederung INNERHALB der Schule würde sicherlich die Durchlässigkeit erhöhen. Ein Hauptschüler ist ein Hauptschüler und bleibt einer. Ein Schulformwechsel ist nicht ohne weiteres möglich. Ein Schüler im 'HauptschulZWEIG' innerhalb EINER Schule lässt sich sicherlich schneller und unproblematischer in den 'Realschulzweig' versetzen.
    Ich habe dieses Schuljahr mit zwei Schulformen verbracht. Eine mit Eingangsqualifikation Hauptschulabschluss und eine mit Eingangsqualifikation Realschulabschluss. In der Tat ist das Niveau in der Realschule INSGESAMT höher. DAs sagt aber nichts über EINZELNE Schüler aus. So gibt es Schüler aus der Hauptschulklasse, die auch in die Realschulklasse passen würden und umgekehrt. Dieser Weg ist aber formal verschlossen und nicht gangbar. Ein flexibleres System wäre da vielleicht hilfreicher.


    Gruß

  • Erstmal ein paar Klarstellungen:


    Die durchschnittliche Klassenstärke der in PISA befragten finnischen Schulklassen betrug 19,5 Schüler (nicht etwa 15). In keiner befragten Klasse wurden 2 Lehrer eingesetzt (diese verhältnismäßig selten genutzte *Möglichkeit* an finnischen Schulen, scheint in Deutschland als Normalsituation aufgefasst zu werden).


    Ich hätte ein paar andere Vermutungen, warum das finnische Einheitsschulsystem besser zu funktionieren scheint als ähnliche Experimente in anderen Ländern (zB Frankreich (allerdings kenne ich mich da nicht aus)). In NRW (wo die Gesamtschule sehr weit verbreitet ist) ist es zB so, dass die Leistung an Gesamtschulen zwischen Haupt- und Realschulen anzusiedeln ist. Das Ziel die Gesamtschule als Aufstiegsmöglichkeit für den mittleren Bildungssektor zu etablieren ist meiner Meinung nach gescheitert.


    Meine Top-Five Gründe für den finnischen Erfolg im Bildungssystem.


    1.) Extreme Selektion der BewerberInnen für ein Lehramtsstudium (Ablehnungsquote in Helsinki (an anderen Unis niedriger): 90%). Ihr könnt euch ja mal überlegen, wer von euch zu den TOP 10% BewerberInnen gehört hätte (Abinote + Auswahlverfahren der Universitäten).


    2.) Hochangesehener Lehrerberuf innerhalb der Gesellschaft. Da meine Mutter Finnin ist und ihre Schwester dort als Lehrerin tätig ist, kann ich da auch aus Erfahrung sprechen: Bei Festivitäten darf der Pastor zuerst ans Buffet, dann der Lehrer, erst danach der Bürgermeister. Zugegeben in einem relativ kleinen Ort ("Hamina" heißt er, wen es interessiert).


    3.) Für Finnen ist Bildung zentrales Lebensziel in vielen Lebensplanungen: Meine Mutter kam zB nach Deutschland, weil sie Deutschland für das gelobte Bildungsland hielt. Zwei meiner Cousinen haben extra in Deutschland (Lehramt) studiert (allerdings im "falschen" Deutschland, nämlich der DDR, das war für Finnen aber nie ein besonders großer Unterschied), weil sie hier glaubten die beste Ausbildung erhalten zu können.


    4.) Finnland ist ein klassisches Ganztagsschulland ohne die halbherzigen Umsetzungen, wie sie in Deutschland noch üblich sind: Jedes Kind bekommt in der Schule eine ordentliche warme Mittagsmahlzeit und eine pädagogisch sinnvolle Ganztagsbetreuung. Ich vermute, dass dabei die unteren sozialen Schichten besonders profitieren.


    5.) In Finnland gibt es keine "Dreigliedrigkeit im Kopf". Obwohl die sozialen Unterschiede in Finnland größer sind als in Deutschland, ist der "soziale Gradient" (PISA-Wort-Ungetüm) wesentlich flacher als in Deutschland: d.h. soziale Unterschiede wirken sich wesentlich weniger stark auf Bildungschancen und Schulleistungen aus als in, ich glaube fast, ALLEN anderen Ländern. Warum Finnland trotzdem im Mittel noch eine wesentlich höhere Leistung erreicht, bleibt eins der noch zu lösenden Rätsel, die uns die PISA-Ergebnisse gestellt haben.


    Edit: die Frage, ob eine hohe Schulleistung in leistungsheterogenen Klassen erreicht werden kann, wird vom finnischen Schulsystem schlagend beantwortet: bis zur 9. Klasse werden alle SchülerInnen gemeinsam unterrichtet, Sitzenbleiben gibt es nicht (mehr). Erst ab der 7. Klasse müssen Noten gegeben werden. Eine Differenzierung in Leistungstracks findet nicht statt. Ergebnis: geringste Analphabetenrate (<1%), höchste Schulleistungen. Mit anderen Worten: Leistung ist nicht von der Homogenität der Lerngruppe abhängig. Allerdings weiß ich auch nicht, *wie* die Finnen es schaffen (und das nicht nur an einzelnen Schulen, sondern im großen und ganzen an *jeder* einzelnen Schule) Leistungsheterogenität in Leistungsperformanz umzuwandeln. Noch so ein Rätsel, über das wir nachdenken und forschen und nicht politisieren sollten.

  • toll, wieder was vergessen:


    - Finnische Lehrkräfte sind keine Beamte. Entlassungen aus dem Schuldienst sind (auch zB wegen "Ungeeignetheit") möglich, zwar selten, kommen aber vor.


    - Finnische LehrerInnen verdienen etwa zwischen 2/3 und 3/4 dessen, was einer deutschen Lehrkraft zur Verfügung steht. (Dafür arbeiten an finnischen Schulen *mehr* Menschen, zB auch Sozialarbeiter und Psychologen).


    Wieviel würdet ihr für eine Entlastung durch pädagogisches Personal bereit sein abzugeben? Finden sich drei LehrerInnen aus dem Forum die jeweils auf 1/3 ihres Gehalts verzichteten, um einen Psychologen einzustellen?


    eine schöne Quelle für (einen Teil) meiner Behauptungen:
    http://www.km.bayern.de/km/leh…en/2004/01219/index.shtml

  • Zitat

    Original von Bolzbold


    Sag mal zitierst Du das alles aus einem Buch? Es würde mich wundern, wenn Du derartige Beiträge vorher intensiv recherchieren würdest.


    Meine Beiträge sind keine Zitate, letztere kennzeichne ich immer.


    Helen

  • Zitat

    Original von CKR
    Ich empfehle die Durchsicht folgender Seiten: http://www.nachdenkseiten.de


    Ich möchte mich eines Kommentars zu den NachDenkSeiten enthalten. Nur soviel: Sie wird von zwei ehemaligen, offensichtlich enttäuschten SPD-Spitzenfunktionären der Ära Brandt - Albrecht Müller, Wolfgang Lieb - als Werbeplattform für ihre Publikationen betrieben. Und dies, obwohl sie in der Selbstdarstellung „Wer steckt dahinter“ beteuern, dass die Website keinen kommerziellen Hintergrund habe. Eine - wie auch immer zu wertende - Einschätzung findet sich unter http://de.wikipedia.org/wiki/Albrecht_M%C3%Bcller.


    Helen

  • @ ambrador


    Der 1:1-Vergleich von Bildungssystemen ist beliebig schwierig, da die Zahl der Variablen derart groß ist, dass man letztlich doch zu keinem Ergebnis kommt. Daher ist der diachrone/synchrone Vergleich der Bildungssysteme in Deutschland, welche sich auf eine gemeinsame kulturelle Basis beziehen, m. E. am sinnvollsten. Wichtig ist allerdings der internationale Vergleich hinsichtlich der Leistungsfähigkeit (Output), z. B. gemessen an der Leistungsfähigkeit der Schüler. Insofern zeigt Finnland, was man erreichen kann. Wie Finnland es erreicht, kann nicht Maßstab für Deutschland sein.


    Allerdings ist in diesem Kontext auf eine Einflussgröße hinzuweisen, welche im politischen System der Finnen begründet ist (national policy style): Die bildungspolitische Umorientierung erfolgte unter dem konservativen Harri Holkeri (1987-1991) in einem parteiübergreifenden Konsens. Letzterer hält bis heute. [1] Hinzu kommt die Homogenität der Gesellschaft in Bildungsfragen. Beide Faktoren bilden sich dann ab in einer wissens- und leistungsorientierten Pädagogik. Der Konsens setzt sich in der Schule/Klasse fort.


    In Deutschland wurde der Bildungskonsens spätestens 1970 aufgegeben. Die Durchsetzung der Gesamtschulen führte 1973 zu Minderheitsvoten der B-Länder im Bildungsgesamtplan. Die Klafki-Pädagogik, als integraler Bestandteil des Gesamtschulkonzeptes, sieht sich als politische Pädagogik, welche die Schule als Ort der permanenten Systemveränderung apostrophiert. Diese (gewollte) Dissenslage wurde vergrößert (stabilisiert) durch das überbordende Mitbestimmungsrecht von Schülern und Eltern. Beide Gruppe wurden als Hilfstruppen zur Destabilisierung bestehender gegliederter Bildungsstrukturen missbraucht.


    Die prinzipielle bildungspolitische Dissenslage hat sich in Deutschland seither nicht verändert.



    Helen


    [1] Overesch, A.: Wie die Schulpolitik ihre Probleme (nicht) löst - Deutschland und Finnland im Vergleich; Waxmann, 2007

  • Zitat

    Original von ambrador
    Wieviel würdet ihr für eine Entlastung durch pädagogisches Personal bereit sein abzugeben? Finden sich drei LehrerInnen aus dem Forum die jeweils auf 1/3 ihres Gehalts verzichteten, um einen Psychologen einzustellen?


    Ganz eindeutiges NEIN, und das mit einer kleinen Begründung:


    Es gibt in Deutschland ca. 600.000 Vollzeitlehrerstellen, selbst wenn wir die Kosten pro Vollzeitstelle mit 50.000 Euro pro Jahr veranschlagen (übertrieben) und von der Gesamtsumme ein Drittel nehmen, macht das 10 Milliarden Euro pro Jahr.


    Für dieses Land "Peanuts", insbesondere wenn man bedenkt, dass durch Fehlspekulationen unserer "Leistungselite" allein letztes Jahr bei den "öffentlichen" Banken mind. 20 Milliarden Euro an Verlusten durch direkte oder indirekte Staatshilfen "sozialisiert" worden sind: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,543831,00.html Vielleicht sollten wir den Damen und Herren in diesen Finanzinstituten erst einmal ihre Gehälter auf das Niveau der Bundesbesoldungsordnung A kürzen, bevor wir hier weiterreden?


    Und warum sollen gerade die Lehrer auf einen Teil ihres Gehaltes verzichten? Es heißt doch immer, Bildung und Erziehung seien eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zudem wäre das Verhältnis von Einkommen zu Qualifikation und Arbeitseinsatz dann noch abstruser als es jetzt schon ist. Ein Vergleich nur für den öffentlichen Dienst findet sich unter Tarifabschluss Bund+Kommunen (+8 %)


    Wer sich noch für Durchschnittsverdienste interessiert, kann auch den folgenden Link lesen: http://www.abendblatt.de/daten/2008/06/24/897911.html Dort finden sich auch unsere "Leistungsträger", die Banker (=Kredit und Versicherungsgewerbe), wieder. Die sind immerhin mit Durchschnitts(!)-gehälter von knapp 4000 Euro dabei, das ist wirklich spitze, fragt sich nur, was die dafür in den letzten Jahren "geleistet" haben...


    Kleine Ergänzung: Die 4000 Euro sind "ohne Sonderzahlungen". Von denen können die Beamten in den meisten Bundesländern mittlerweile ohnehin nur noch träumen. Mit Sonderzahlungen sind es bei unseren Bankern immerhin durchschnittlich über 56.000 Euro im Jahr: http://www.abendblatt.de/daten/2008/06/24/897821.html


    Vielleicht sollte man fragen: Finden sich vielleicht 3 Banker, die auf jeweils 1/3 ihres Gehaltes verzichten, um die Kosten der durch sie verursachten Fehlspekulationen zumindest teilweise zu tragen?


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    2 Mal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Zitat von Bolzbold:


    Zitat

    Schule kann nicht reparieren bzw. kompensieren, was in der Zeit VOR dem Schulbesuch schief gelaufen ist.
    Der soziale Ursprung ist immer mit ein entscheidender Faktor beim Schulerfolg - ganz gleich in welchem System.


    ibid:


    Zitat

    Wenn diese aber aufgrund der sozialen Herkunft nicht genutzt werden wollen oder können, weil die entsprechenden Familien vielleicht gar kein Interesse daran haben oder die Notwendigkeit nicht sehen oder die Unterstützung schlichtweg aufgrund der fehlenden entsprechenden Werte ausbleibt, dann kann man die "Schuld" dafür nicht dem Schulsystem zuschieben


    Danke!
    Endlich sagt es mal jemand.


    Grüße vom Bolzbold sehr zustimmenden
    Raket-o-Katz

  • Zitat

    Original von Bolzbold
    Schule kann nicht reparieren bzw. kompensieren, was in der Zeit VOR dem Schulbesuch schief gelaufen ist.
    Bolzbold


    Ich würde es noch schärfer formulieren:


    Schule kann nicht reparieren, was in der Gesellschaft ingesamt schief läuft.


    "Bildung" wird zunehmend zur Heilslehre erklärt (neben "Klima").


    Irgendwann heißt es dann:
    "Du kannst von deinem Beruf nicht leben? Macht nichts, dafür hast du Abitur."


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zitat

    Original von Helen



    Ich möchte mich eines Kommentars zu den NachDenkSeiten enthalten. Nur soviel: Sie wird von zwei ehemaligen, offensichtlich enttäuschten SPD-Spitzenfunktionären der Ära Brandt - Albrecht Müller, Wolfgang Lieb - als Werbeplattform für ihre Publikationen betrieben.


    Du meinst, wenn zwei ehemalige, „enttäuschte“ SPD-Spitzenfunktionäre etwas äußern, dann muss es sich zwangsläufig um Unsinn handeln?


    Und ich Dussel versuche ständig, meinen Schülern klarzumachen, dass die Wahrheit einer Aussage nicht von der Person abhängt, von der die Aussage stammt, sondern dass man sich kritisch mit dem Inhalt beschäftigen und sich selbst ein Urteil bilden muss.


    Genau an diesem Punkt beginnt für mich Bildung.


    Nachdenkseiten, igittigitt!


    Animagus

  • Animagus,


    Sie unterrichteten im Kontext Ihres Interpretationsversuches meines Beitrages das Forum wie folgt:



    Ich erlaube mir in diesem Zusammenhang den Rat, sich nochmals mit dem Begriff und der Technik der Hermeneutik (Interpretation von Texten) dezidiert zu beschäftigen. Die von Ihnen beschriebene Vorgehensweise ist spätetstens seit Schleiermacher überholt: Eine Aussage* ist ohne Wissen des textuellen Zusammenhanges sowie der individuellen, soziokulturellen und sozioökonomischen Kontextbedingungen zum Zeitpunkt ihres Enstehens nicht zuverlässig interpretierbar. Schauen Sie mal nach bei Dilthey, Heidegger, Gadamer etc..


    Anschließend haben Sie dann Gelegenheit, Ihren Beitrag zu korrigieren.


    Helen


    *Ausgenommen sind Aussagen im Kontext formaler Systeme (Logikkalküle). Aber die waren von Ihnen wohl auch nicht gemeint.


    Auf die vertiefende Diskussion des schillernden Begriffes "Wahrheit" möchte ich an dieser Stelle verzichten.

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Helen,


    Du magst ja belesen sein und entsprechendes Hintergrundwissen parat haben, aber es ist m.E. völlig unangebracht auf derart arrogante Art und Weise mit anderen Usern umzugehen.


    Mittlerweile frage ich mich auch, ob eine derartig hyper-wissenschaftliche Ausdrucksweise, die für Fachartikel etc. durchaus brauchbar ist, für die Diskussion, die ich an sich in Gang setzen wollte, hilfreich ist.


    Wir können hier Lerntheorien bis zum Erbrechen diskutieren, messen lassen müssen sie sich aber auch an ihrer Praxistauglichkeit.
    Ich weiß ferner nicht, ob es Sinn macht, sich über den "alten" Klafki auseinanderzusetzen, zumal er seit seinem bildungstheoretischen Ansatz durchaus wandlungsfähig war.


    Ich könnte mir jetzt meinen Peterßen aus dem Regal holen und das dezidiert zitieren, doch schenke ich mir das an dieser Stelle mangels Profilierungsdrang.


    Kommen wir doch zurück zum Problem Einheitsschule und dreigliedriges Schulsystem und versuchen wir das Ganze praxisnäher, sowie mit einem Blick auf die aktive und aktuelle Bildungspolitik zu betrachten.


    Gruß
    Bolzbold

  • Also ich finde, Animagus hat auch recht. Es geht ja nicht allein um die Interpretation der Aussage (Wie ist das gemeint?), sondern auch um die Wahrheit der Aussage (Stimmt das?). Somit müssen beide Prüfungen stattfinden, um sich ein Urteil zu bilden. Zuerst sollte also gefragt werden, ob das eigentlich stimmt, was da gesagt wird. Und das sollte ohne Ansehen der Person möglich sein. Hier wäre also zu prüfen, welche auf den Nachdenkseiten befindlichen Aussagen sind am ehesten wahr und welche nachweislich nicht. Nun kann man z.B. bei Ulrich Beck nachlesen, dass die Wissenschaft die Wahrheit verloren hat, da es immer eine andere Theorie, These, etc. gibt, die dagegen gehalten werden kann. Deshalb ist jetzt zu prüfen, von wem die Aussage kommt, welche Interessenlagen damit verbunden sind und was vermittelt werden soll. Kann ich die Wahrheit nicht prüfen, muss ich also nun die Gültigkeit prüfen (vgl. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns): Hat die Aussage (normative) Gültigkeit für mich? Stimme ich ihr zu?


    Sie, Helen, scheinen in politischer Manier die Nachdenkseiten zuallerst als nicht Ihrer Meinung entsprechend anzusehen und den Aussagen die Gültigkeit zu entziehen, bevor Sie die (Möglichkeit der) Wahrheit geprüft haben. Es wird also einem Gegenüber (Albrecht Müller) ideologisches Verhalten vorgeworfen, ohne zu berücksichtigen, dass das eigene Aussagesystem ebenso ideologisch (weil interessengebunden) ist.


    In Erwartung einer theorietriefenden Antwort grüßend
    CKR

  • Zitat

    Original von Helen


    Auf die vertiefende Diskussion des schillernden Begriffes "Wahrheit" möchte ich an dieser Stelle verzichten.



    Das kann ich nachempfinden!


    Animagus

  • Ein Freund von mir war bis zur Wende (1989 16 Jahre alt) in der DDR in einem kleinen Thüringer Kaff in der Schule. Er hat dann schon nach neuem System ein 1,0-Abi gemacht und anschließend ein Jurastudium in Bayern mit absoluten Bestnoten absolviert. Er beteuert mir gegenüber immer, sich während seiner Schulzeit niemals gelanweilt zu haben, kann mir aber nur schlecht begründen, warum. Deswegen meine Frage an die im Forum, die sich noch erinnern: Wie war das mit der Langeweile/Unterforderung/Differenzierung in der DDR? Ich finde es interessanter, von eigenen Erfahrungen zu hören als sich in abgehobenen Theoriediskussionen zu verlieren :)

  • Zitat

    Original von Bolzbold
    Mittlerweile frage ich mich auch, ob eine derartig hyper-wissenschaftliche Ausdrucksweise, die für Fachartikel etc. durchaus brauchbar ist, für die Diskussion, die ich an sich in Gang setzen wollte, hilfreich ist.


    Ehrlich gesagt, für mich schon. Gerade unpopuläre Thesen brauchen Unterbau, und etwas Provokation macht wach. Zu scharf fand ich allenfalls Helens letzten Beitrag, aber der von Animagus davor war auch alles andere als konziliant.


    (Und statt lieblosem "Original von xxx" das Zitat so einzuleiten: "Sie unterrichteten im Kontext Ihres Interpretationsversuches meines Beitrages das Forum wie folgt:" - da musste ich schmunzeln. Danach aber bitte weiter duzen, Siezen ist hier nicht hilfreich.)

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Helen


    Warum sollten die kulturellen Binnendifferenzen innerhalb Deutschlands geringer sein als zwischen zB Schleswig-Holstein und Finnland? So dass zur Analyse von systemischen Rahmenbedingungen nur ein Vergleich innerhalb Deutschlands geeignet wäre?


    Warum schafft es Finnland die kulturellen (und sozialen) Unterschiedlichkeiten zwischen Finnen, Karelen (ich meine damit, den russisch geprägten Teil der finnischen Bevölkerung im Südosten) und der schwedischen Minderheit als produktiven Quell zur nationalen Identitäts- und Konsensfindung zu nutzen, wohingegen in Deutschland vor "Skandinavisierung" gewarnt wird?


    Abgesehen davon: das finnische Schulsystem wurde in seiner letzten Reformstufe gerade so angepasst, dass es dem nach finnischer Ansicht damals weltweit bestem Schulsystem entsprechen sollte: dem deutschen (ok, abgeschaut wurde beim "anderen" Deutschland: der DDR). Insofern ist die Anfrage hier im Forum mehr als berechtigt, warum die Diskussion um die "Einheitsschule" nur im Hinweis auf das Scheitern der schulpädagogischen Diskussionen und Reformbemühungen der 1970er Jahre geschieht und nicht im Rückgriff auf 40-jährige Erfahrungen mit einem Einheitsschulsystem in der DDR.


    Gerade der Export des DDR Schulsystems nach Finnland, würde es nahelegen im Vergleich mit den dortigen Gegebenheiten und Möglichkeiten einen Reimport ins Auge zu fassen.


    ambrador

  • ambrador


    PISA hat in der Tat ergeben, dass die betrachteten Nationen Bildungssysteme betreiben, welche unterschiedliche Ergebnisse zeitigen. Das System der PISA-Sieger damit zum Standard für die PISA-Verlierer zu machen, ist nicht zielführend. Eine Begründung (Achtung: Fachaufsatz) liefert der Bildungsökonom Ludger Wößmann, welcher jetzt eine Professur an der LMU München innehat. Hier der Link zu „Die Bildungs-Debatte läuft schief : Nicht immer auf die anderen schauen.“
    http://www.die-tagespost.de/archiv/titel_anzeige.asp?ID=1289


    Ich möchte einen Gesichtspunkt hinzufügen: Das Kultursystem ist konstituierend für eine Gesellschaft. Das Bildungssystem ist (im Sinne Parsons’/Luhmanns) integraler Teil des Kultursystems einer Gesellschaft. Letzteres entwickelt sich (meist) evolutionär und mit ihm das Bildungssystem. Mithin kann m. E. das Bildungssystem keine aktive Rolle hin zur Destabilisierung einer Gesellschaft zum Zwecke ihrer Veränderung einnehmen. Im Gegenteil, das Bildungswesen konstituiert gemeinhin ein gesellschaftsstabilisierendes Subsystem. Letzteres offenbart sich z. B. in einem bildungspolitischen Konsens in der Bevölkerung - In dieser Hinsicht ist Finnland, wie viele andere Länder auch, Vorbild für Deutschland. Die Dissenslage und deren Gründe habe ich in meinem obigen Beitrag kurz skizziert.


    Der Konsens war für Deutschland bis 1960 gegeben. Bis dahin konzidierten auch ausgemachte Gesamtschulbefürworter wie z. B. H. Becker und L. von Friedeberg, dass das deutsche Bildungswesen Weltgeltung hätte. Für mich ergibt sich eingedenk des systemtheoretischen Zusammmenhangs zunächst die prinzipielle Notwendigkeit, das Bildungssystem von einem Punkt aus weiter zu entwickeln, an dem noch Konsens geherrscht hat. Um in der WINDOWS-Sprache zu sprechen: Das Düsseldorfer Abkommen von 1955 ist prinzipiell ein geeigneter „Wiederherstellungspunkt“, um den Reformdiskurs zu starten.


    Ich wage abschließend die Behauptung, dass ein optimal gestaltetes, gegliedertes Bildungssystem mit einer wissens- und leistungsorientierten Pädagogik, welche der Institution Schule und dem Lehrer die Autorität, bzw. den Respektsanspruch, gewährt, welcher für ein erfolgreiches Bildungs-und Erziehungshandeln im schulischen Kontext m. E. notwendig ist, "leistungsfähiger" ist als das finnische Modell!


    Nun ist der Beitrag doch wieder länger geraten, als vorgesehen. Ich bitte um Nachsicht.


    Helen

Werbung