Stationenlernen - völliges Chaos

  • Hallo zusammen,


    ich habe diese Woche mit einer fünften Klasse (in der ich nur eine Stunde die Woche Unterricht habe) ein Stationenlernen angefangen. Eigentlich ist diese Klasse toll - die Kinder arbeiten gut mit und das Arbeitsklima ist locker und entspannt. Beim Stationenlernen ist dann aber völliges Chaos ausgebrochen es war super laut, die SuS hatten "keinen Bock" u.s.w. Dabei waren von den insgesamt neun Stationen sechs spielerische.
    Ich habe keinen blassen Schimmer, warum das so in die Hose gegangen ist. Ich glaube, sie kennen diese Arbeitsform (zumindest aus ihrem ersten Jahr bei uns in der Schule) nicht aber ich habe alles ausführlich erklärt und auch geholfen, wenn etwas nicht richtig verstanden wurde.


    Zuerst war ich ziemlich sauer, da ich das komplette letzte Wochenende stundenlang mit der Vorbereitung verbracht und mir super viel Mühe gegeben habe. Im Nachhinein muss ich aber feststellen, dass eine "normale Stunde" wohl entspannter gewesen wäre und die Kinder besser gearbeitet hätten.
    Das finde ist sehr schade. Muss man die SuS längerfristig auf solche offenen Arbeitsformen vorbereiten? Ich weiß nicht, woran es gelegen hat und frage mich, ob ich das Stationenlernen für die nächsten beiden Wochen weitermachen sollte oder nicht.
    Wie läuft so etwas bei euch? Wäre für Tipps und Erfahrungsberichte dankbar!

  • Hallo,


    ich kann es dir total nachempfinden. Mein 3. Schuljahr (erst am 1.2.08 übernommen) ist auch nicht in der Lage auch nur annähernd frei zu arbeiten. Sie kennen nur den "Tagesplan": an der Tafel stehen die Aufgaben, die bearbeitet werden müssen. Und natürlich jeder für sich. Sobald ich dann versuche, mal etwas freier zu arbeiten oder gar Gruppenarbeit zu machen bricht das blanke Chaos aus.


    Ich versuche es aber immer wieder. Es ist zwar nervenaufreibend, aber es klappt immer besser. Lass dich nicht entmutigen, fang klein an (z.B. 3 Stationen) und steigere dich langsam. Mit der Zeit gewöhnen sie sich daran und das Chaos wird weniger. Ich habe in den letzten Wochen fast ausschließlich Werkstattarbeit und Wochenplanarbeit gemacht, um die Kinder an diese Arbeitsformen zu gewöhnen.


    lg
    flecki

  • Hallo!


    Das wird mit der Zeit schon. Neun Stationen finde ich auch für den Anfang viel zu viel! Das hält sich ja auch allein was die Vorbereitung angeht in keinem realistischen Rahmen... Außerdem verlieren die Schüler den Überblick und du wahrscheinlich auch. 3-4 sind sinnvoller. Hast du die Stationen festen Tischen zugeordnet oder als Lerntheke? (Falls ersteres bei neun Stationen überhaupt möglich ist). Generell brauch offener Unterricht trotzdem wahnsinnig viel Strukturierung - das schließt sich nicht aus! Biete Laufkarten o.ä. an, auch damit du später siehst wer was gemacht hat. Kann auch eine Tabelle an der Wand sein, in denen die Schüler markieren, was sie getan haben. Stelle klare Regeln auf: Max. xy Schüler an Station (so dass es in etwa ausgeglichen verteilt ist), ggf ein Signal, falls es zu laut ist,...


    Viel Erfolg beim nächstem Mal

  • Ich schließe mich Andis Post vollinhaltlich an.


    Außerdem würde ich genau diese Stunde als Anlass nehmen, um beim nächsten Mal mit den Schülern gemeinsam zu reflektieren:
    Was lief gut? Was nicht? Warum nicht?
    Wie könnte man da etwas verbessern?
    Warum war es schwierig sich zum motivieren? Was könnte man diesbezüglich verbessern?
    Wie viele Stationen wären angemessen? Wie frei soll es für den Anfang sein?
    ...


    Freies Lernen funktioniert nicht einfach so. Auch da müssen viele Kleinigkeiten / Regeln im Vorfeld abgeklärt sein: Wer geht wann wohin? Wie lange soll eine Station höchstens besetzt sein? Gibt es ein Zeichen, an dem man erkennt, dass es z.B. zu laut geworden ist, oder dass die Stationen gewechselt werden sollen? ...


    Sich die Struktur schaffen kostet schon seine Zeit - die ist aber gut investiert, weil du die Kompetenzen dann auch auf andere Felder ausdehnen und abernten kannst.


    UND: erwarte nicht zu viel für den Anfang - das muss auch erst wachsen und sich entwickeln - also Geduld und weiterhin guten Mut!


    Vielleicht kannst du sogar die gleichen Stationen nochmal einsetzen? (dürften eh zu viele gewesen sein?) - dann hättest du nicht wieder so einen großen Aufwand.

  • wie bei den meisten dingen im leben gilt auch hier: übung macht den meister...


    und wenn die sus da wenig bis gar keine erfahrung haben, dann ist das ein ganz normaler lernprozess. wichtig ist auch, dass deine vorbereitungszeit effektiv und vor allem in relation angemessen bleibt. das ganze we daran zu arbeiten, dass neun stationen rauskommen, die in 45 minuten bearbeitet werden sollen, das finde ich schon heftig für alle beteiligten.


    lieber erstmal mit kleineren offenen phasen beginnen und nach und nach die wichtigsten regeln einüben und auch als sinnvoll erfahrbar machen. gleiches gilt für die aufgaben: wenn du viele spielerische aufgaben hast, ist das einerseits schön, wenn aber wenig zeit ist, dann kann man diese stationen ja nur bedingt genießen. wichtig wäre, dass die sus durch die stationen erkennen, warum diese arbeitsform für sie vorteile hat, also dass sie eine wahl treffen können, dass verschiedene lernformen und lernkanäle angesporchen werden, dass sie ihre arbeit organisieren und verantworten müssen usw


    es gibt auch schöne, fertig ausgearbeitete stationenarbeiten, da ist dann dein aufwand in der vorbereitung etwas weniger und du kannst dich auf die durchführung konzentrieren...


    gut sind auch "beobachter" bzw. "veratwortliche" (materialbeschaffer, zeitwächter, gruppenspreche u.ä, die in jeder gruppe durch die sus besetzt werden.


    aber wie gesagt, das fällt nicht vom himmel, sondern muss erlernt/ geübt werden.
    viel erfog und spaß dabei!


    schnuppe

  • Deinen Ärger kann ich gut verstehen. Da steckt man die ganze Arbeit rein und das ist dann der Dank... :explodier:
    Ich kenne solche Situationen zu genüge, habe aber auch genau so viele gute Erfahrungen mit offenen U-Formen in allen Klassenstufen gemacht.


    Sind auch andere Lehrer, die in der Klasse unterrichten (v.a. der Kl-Lehrer), den offenen U-Formen gegenüber aufgeschlossen? Vllt. wäre es möglich, mit anderen Fachlehrern zusammenzuarbeiten und Erfahrungen auszutauschen, um die Klasse gezielt auf "freiere Arbeitsformen" hin zu trainieren.


    Meine Erfahrung ist auch, dass Klassen, die v.a. Frontalunterricht gewöhnt sind, in Freiarbeitsphasen gerne mal ausrasten, um den ganzen Dampf, den sie aufgestaut haben, abzulassen.


    Ich lasse Stationen meistens in Gruppen abarbeiten und ernenne jeweils ein zuverlässiges (und durchsetzungsstarkes) Mitglied zum "Zeitwächter". Sie/Er muss darauf achten, dass die Aufgaben zur vereinbarten Zeit vorgezeigt werden können.

  • Danke für eure Antworten!


    Ich bin halt "nur" Referendarin und sehe die Klasse lediglich eine Stunde die Woche im Rechtschreibunterricht.


    Ich hatte die Stationen auf neun Tische verteilt und den Kindern Laufzettel gegeben.
    Die Arbeit war nicht ganz umsonst, denn ich kann die gebastelten Sachen ja irgendwann nochmal verwenden. Neun Stationen waren wahrscheinlich für den Anfang wirklich zu viel. Ich werde versuchen, erstmal auf vier Stationen zu reduzieren. Das ist dann vielleicht einfacher.


    Ja, ja - die leiben Kleinen. Ich war wirklich ziemlich sauer, mag die Klasse aber eigentlich sehr gerne und dachte, dass es für sie angenehmer sei, offener zu arbeiten. Ansatzweise habe ich das auch schon mit ihnen gemacht (in Form von Lerntheken, wo sich jedes Kind die Arbeit von einer zentralen Stelle im Klassenraum an seinen Platz geholt hat). Das hat auch ganz gut geklappt.


    Die Idee mit der Reflektion finde ich gut und genau das werde ich zu Beginn der nächsten Stunde erstmal machen. Bin mal gespannt, wie die SuS das Chaos wahrgenommen haben und was sie denken, woran es lag.

  • Ich kann verstehen, dass du sauer warst. Ist wirklich eine Heidenarbeit.


    Lass dich aber nicht entmutigen. Ich mache einen Lernzirkel auch manchmal als "Übezirkel" als konkrete Vorbereitung für eine ARbeit. Da koennen die SChüler dann konkret an den SChwächen arbeiten

  • Tja - 1. Mindestens 50% des Unterrichtens ist eine Frage der Organisation - und 2. Mit Freiheiten muss man umgehen lernen...

    Denken ist etwas, das auf Schwierigkeiten folgt und dem Handeln vorausgeht.
    B. Brecht, Me-Ti

  • Hallo Finchen,
    noch ein paar aufbauende Worte... Zieh dir den Schuh bloß nicht alleine an. Wo keine Vorerfahrungen sind, kann man keinen perfekten Stationsbetrieb erwarten. Selbstbestimmtes Lernen erfordert jede Menge Disziplin und die müssen die Kids erst erwerben und verinnerlichen. Und da du nur eine Stunde die Woche in der Klasse bist, kannst du diesbezüglich auch nur über lange Zeit etwas erreichen. In einer zusammen gewachsenen Klasse 4 klappt das sicher super, aber in der neu zusammengewürfelten Klasse an einer weiterführenden Schule? Manche Kinder mit, andere wieder ohne Vorerfahrungen... Das ist echt schwer! Wie andere vor mir schon geraten haben, fange ganz klein mit offenen Phasen mal hier und mal da an. Und das Wichtigste... verlier nicht den Mut. Es lag sicher nicht an dir und auch nicht an deiner Vorarbeit.
    Christellucy

    Eigentlich bin ich ganz anders - ich komme nur selten dazu.- (Ödön von Horváth)

    Einmal editiert, zuletzt von christellucy ()

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