Hallo zusammen,
ich fand es immer schrecklich, dass man bis zum Refrandariat nicht wirklich viel vom echten Schulleben mitbekommt. Ich wollte aber nicht erst dann merken, ob Lehramt wirklich das Richtige für mich ist, daher habe ich mich entschieden, vor Beginn meines Studiums im Rahmen eines Austauschprogrammes nach China zu gehen und dort Englisch zu unterrichten. Es nennt sich "Teach & Travel China" und wird in GER durch die Organisation STEP IN vermarktet.
Nach vier Wochen Training in Peking mit 83 Teilnehmern aus aller Welt unterrichte ich seither im Nordosten Chinas. Meine Schule liegt in Shenyang und heißt Northeast Yucai School (könnt ihr mal googeln, ist gewaltig der Campus). Ich unterrichte Oral English, soll also die Schüler vorallem zum Sprechen animieren und zu bestimmten Themen ihren Wortschatz erfahren. Außerdem sollen sie sich an den natürlichen Akzent eines flüssig sprechenden Menschen gewöhnen und etwas über unsere Kultur erfahren. Am Ende gibt es dann das TEFL-Zertifikat.
Bisher fällt mein Fazit mehr als positiv aus! Das Training war zwar sehr intensiv, da wir keine freien Tage hatten außer zwei über chin. Neujahr. Vieles davon aber kann man jetzt wirklich gut gebrauchen. Wir hatten auch eine sog. "teaching practise", wo wir von unseren Anleitern observiert worden sind - das hat wirklich geholfen! Man bekommt doch eine ganz andere Einstellung zu der Leistung, die Lehrer tagtäglich und jahrelang erbringen, wenn man mal selber über eine logische Unterrichtsreihe nachdenken muss und sich Gedanken zum Studenaufbau etc. macht.
Bisher haben mich meine Erfahrungen doch sehr bestärkt, das Lehramt anzustreben. Zwar ist es sicherlich kein Karierrejob, aber es ist einer, bei dem man jungen Menschen unglaublich viel weitergeben kann und sie für ihre Zukunft rüsten kann. Ich bin ein ziemlich analytischer und wissbegieriger Mensch, aber ich erfahre hier, dass das Unterrichten an sich und der Kontakt zu den Kindern wirklich eine besondere Bindung entstehen lässt und es macht mir Freude.
So wie es aussieht, werde ich daher das Lehramtsstudium zum WS beginnen - Fächer Englisch und Geschichte/Politik (da ist ein kleines Dilemma - ich bevorzuge interessensmäßig ein bisschen Geschichte und hatte es auch sehr gut im Abi, dagegen bietet Politik/Sowi bessere Chancen und ich hatte es nie schriftlich, war aber immer gut, naja...)!
Schule in China ist jedenfalls sehr krass anders im Vergleich zu Deutschland, sie hat 10.000 Schüler und 7 Campi, meiner ist der Bilinguale Zweig. Die Klassen sind riesengroß, so ca. 45 Schüler in einer. Man wird zu Beginn der Stunde mit Klatschen begrüßt, viele Schüler stehen auf, wenn man sie dran nimmt. Es herrscht eine gewisse "Angst" vor Lehrern vor, da hier teilweise noch Methoden verwendet werden, die bei uns lange abgeschafft sind (Schüler ohrfeigen, in die Ecke stellen, Strafarbeiten erledigen...). Dennoch sind sie relativ lernwillig und sehr interessiert an uns Ausländern. Manche denken zwar, da könne man dann ja gut schonmal Hausaufgaben in meinen Stunden machen, aber den Fehler begehen sie auch nur einmal... Man muss schon eine gewisse Strenge hier an den Tag legen, dennoch schaffe ich es glaube ich, einigermaßen humorvoll zu sein und ihnen nützliche Sachen mitzugeben. Es gibt noch andere "foregin teachers", sodass sich das Leben wirklich ganz gut hier gestaltet, außerdem hat mein Englisch sicherlich nochmal profitiert, da ich hier natürlich fast kein Deutsch mehr benutze (und Ausfallerscheinigungen schon beginnen^^).
Morgens müssen die Schüler hier zudem eine dieser verrückten Paraden machen ("Morgenappell"), es gibt wahnsinnig viele Hausaufgaben und natürlich brachial harte Prüfungen. Nur, wer in allen Fächern top ist, bekommt hier später Zugang zu guten Unis - Profilfächer oder LKs gibts hier nicht.
Chinesische Lehrer haben hier nur ein Fach, weniger Unterrichtsstunden, aber SEHR viel Korrekturaufwand, müssen nicht besonders gute Bücher durchpressen und unterrichten sehr viel frontal. Daher helfen den Schülern unsere Stunden natürlich sehr, wo sie einmal anders und praxisnäher ans Englisch herangeführt werden. Gruppenarbeit, Diskussionen, Abstimmungen, "warmer" als Einsteigsspiele - all dies lockert ihren Alltag auf. Dazu versuche ich dann mit unterschiedlichen Methoden an die einzelnen Themen ranzugehen und benutze Bilder, Sätze/Statements, reale Objekte ("realia"), Geschichten ("live listening") usw. Da ich jede Klasse nur ein Mal pro Woche habe, kann ich leider nicht sehr stark vertiefen und versuche daher, möglichst viel zu bieten, was die Schüler später verwerten können. Außerdem finden Sie es immer wieder interessant, etwas über Unterschiede zu unseren Breiten zu hören, von daher versuche ich das immer unterschwellig mit einzubauen. So hatten wir diese Woche "manners" und die fanden es doch sehr erstaunlich, dass man bei uns nach gutem Essen niemals rülpsen sollte... Hier wärs zumindest akzeptabel. So kann man auch ein Verständnis für Kulturunterschiede aufbauen (ist nur ein Beispiel).
Insgesamt gefällt es mir also gut. Natürlich vermisst man gewisse Sachen von zu Hause (Essen (!!), Freunde/Familie), aber die Zeit gibt einem viel mehr als man nimmt (internationale Freunde, Berufserfahrung, besondere Eigenschaften durch den Auslandsaufenthalt a la Selbstständigkeit, Unabhängigkeit...) und hat wirklich klar zur Berufsentscheidung beigetragen. Schlecht macht sich das später denke ich auch nicht im Lebenslauf, aber deshalb habe ich nicht an dem Programm teilgenommen...
Wenn ihr etwas mehr zum Schulleben in China wissen wollt, nur zu! Ich habe auch meinen ehemaligen Lehrern schon Mails geschickt und die fandens sehr interessant und gut, dass ich wirklich praktische Erfahrungen gemacht habe, um so sicher zu werden, dass es was für mich ist. Ich denke, solche Programme sind wirklich gut und mal etwas anderes als Work & Travel!
Könnt Ihr mir vielleicht etwas zu den Fächern Englisch, Geschichte und Politik als Unterrichtsfächer daheim sagen? Ich finde Erfahrungen aus erster Hand immer vieeel interessanter und besser. Solche Sachen wie Korrekturaufwand, "Spaß" am Fach auch nach einigen Jahren, Abwechslung, Einstellungschancen, allgemeines Ablaufen vom Unterrichten des Fachs und so etwas würde mich sehr interessieren. Ich habe mich schon ziemlich definitiv für Englisch entschieden, da es gegenüber Deutsch irgendwie mehr Abwechslung bietet und glaube ich auch bessere Chancen bietet später. Naja, ich hoffe, ich habe Euch jetzt nicht zu viel voll gekritzelt und würde mich echt über ein paar Antworten freuen.
Liebe Grüße aus Shenyang,
Sascha