Verbeamtete Lehrerin: Kündigen und freie Wirtschaft?

  • Hallo,
    meine Frau hat die Nase voll: Sie ist seit Jahren hochmotivierte und verbeamtete Lehrerin und brennt langsam aus. Mitte 40 und eine Stundenbelastung, vor der jeder "deutsche Manager" erblassen würde. Freie Wochenenden, ja auch nur mal ein freier Sonntag können wir im Kalender rot anstreichen. Der Spruch mit dem 13 Wochen "Ferien" im Jahr zieht auch nicht, stellt man dem 52 freie Wochenenden eines normalen Angestellten gegenüber. Soweit zum Frust ablassen. Nun die Frage:


    Meine Frau ist seit langem Jahren verbeamtet und möchte mit 48 Jahren aufhören. Sie will als einfache Sachbearbeiterin einen nine-to-five-Job annehmen und ihre Freizeit geniessen. Wie läuft das formal? Was passiert mit ihren bis dahin angehäuften Pensionsansprüchen? Gibt es sowas wie Beurlaubung bis zur Pension? Fragen über Fragen.


    Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum kann auch bedeuten, dass man sich vom an sich geliebten Lehrerberuf verabschiedet, weil es einfach zuviel ist. Zuviel für einen selbst, den Partner, die eigenen Kinder. Diskussionen wie 38 oder 40 Wochenstunden kann ein Lehrer ja nur belächeln.


    Über konstruktive Antworten freut sich


    Der Lehrer-Ehepartner, der sich schon auf die Zeit "danach" freut

  • Also, ich antworte vielleicht nicht auf deine Frage, aber ich will meine Gedanken hier mitteilen. Hatte auch schon mal einen ähnlichen thread eröffnet:


    Mega-Problem mit Planung und Durchführung von Unterricht - Perfektionismus, Nervosität, Belastung


    Ich habe zwei Hauptfächer und unterrichte ausschließlich in der Oberstufe, dazu eine Klassenleitung und fachspezifische Projekte 6x im Jahr (statt normalem Unterricht dann jeden Tag 6 Stunden in einer Klasse). Das bedeutet, dass ich in den Oster-, Herbst- und Winterferien nie frei habe (175-225 Klausuren im Quartal, im Winter noch Prüfungsvorschläge) und quasi durcharbeite, mein Jahresurlaub sind die Sommerferien. Da brauch ich immer erst mal 2-3 Wochen um nicht mehr von Schule zu träumen. Letztes Jahr ist mir das erst nach 4 Wochen gelungen.
    Den Rest des Jahres muss ich durchhalten. Sonntage sind auch für mich nicht frei, weil ich Freitags 6 Stunden und eine Kotz-Klasse 5./6. Stunde habe - da werf ich, wenn ich zuhause bin, alles, was mit Schule zu tun hat, in eine Ecke. Vorbereitung für Montag oder sogar noch mehr Tage würde nicht gehen:-)


    Ich bin seit 3 Jahren aus dem Ref und fühle mich in meiner Schule ein "verbraten". Burnout-Symptome sind mir - vor allem in der Zeit zwischen dem Frühjahr und dem Sommer absolut nicht fremd.
    Ich stelle auch große Erwartungen an mich und merke zwar, dass mein guter Unterricht mich schafft, aber auch befriedigt. Nur geht das aber so nicht weiter. Im ersten Jahr konnte ich durchaus von einer 60-Stunden-Woche sprechen, meine Zeit, in der ich mir befohlen habe, schlafen zu gehen, war immer 23.30 Uhr. Das zweite Jahr war etwas besser, da waren es 50 Stunden. Mittlerlerweile bin ich auf 40 Stunden pro Woche, in den 2-wöchigen Ferien auch mal nur 35 oder sogar 30. Mit ein paar neuen Plänen und Details, die mir im Alltag helfen, habe ich es geschafft, nicht mehr über alle Maßen zu ackern.


    Vielleicht sind die folgenden Tipps etwas für deine Frau, mir haben sie zu einer etwas entspannteren Berufszeit verholfen und tun es noch:


    - ich mache schöne Stunden als Highlight. Nicht so schöne Stunden zu machen, ist zwar nicht befriedigend und anstregned, aber wenigstens hat man den Tag davor nicht stundelang am PC gesessen, wenn andere längst ihr Feierabendbierchen intus hatten.
    Nach und nach kann ja auch unvorbereiteter oder nicht gut vorbereiteter Unterricht Früchte abwerfen ...
    - ich korrigiere wesentlich oberflächlicher. Wenn ein Sport- und Musiklehrer für den Staat die gleiche Arbeitsbelastung hat wie ein Deutsch- und Englischlehrer - bitte schön. Dann muss er aber auch hinnehmen, dass Korrekturen anders verlaufen als gedacht. Ich schreibe wenig Inhaltliches an den Rand, dafür gibt es eine Musterlösung, am Rand steht dann ab und zu f s. Musterlösung. Spart auch teuer Rotstifte:-)
    - wenn ich mich nicht gut fühle, bin ich krank. Ich bin nicht selten krank. Dann rufe ich morgens in der Schule an, damit auch niemand gegen seinen Willen am Abend vorher angerufen wird und meine Stunden aufs Auge gedrückt bekommt. Ach ja, und wenn abends der Vertretungsplan-Lehrer anruft, geh ich nicht dran. AB wird auch nicht abgehört.
    - guter Literaturtipp: Rohnstock: Zeit- und Selbstmanagement für Lehrende
    - ich nehme Vieles nicht merh ersnt. Auch im Zentralabitur wird nur mit Wasser gekocht
    - Mut zum Abschalten haben. Sagen "Ich bin über 40, ich habe geackert, jetzt sind mal andere dran, die und die Aufgabe übernehme ich nicht!"
    Ich habe 3 Jahre geackert und dafür nur ein "bewährt" bekommen. Da war der Frust riesig. Seitdem ich aber auf Lebenszeit verbeamtet bin, sehe ich vieles lockerer. Wenn ich nicht gerade Schüler verprügele, werd ich nicht gekündigt. Meine Harmoniesucht werf ich langsam über den Haufen, es gibt mittlerweile tatsächlich Schüler, die mich nicht mögen! Und ich bin stolz drauf!
    Mut zum Wegwerfen haben - Papierzeug kommt weg! Wenn ich es nicht auf dem PC habe, wird es vor dem Wegwerfen eingescannt. Und ich lege alles in Mappen ab, die wie ein Buch sind (also ein Buch, bestehend aus 40 Klarsichthüllen - so gibt es keine fliegenden Blätter)


    Ich werde nicht mein ganzes Leben lang volle Stelle arbeiten, das steht fest. Alleine schon, weil wir Kinder planen und auch schon "üben":-)


    Vielleicht wäre das etwas für deine Frau - 2 Tage frei, drei Tage Unterricht. wenn man wenige Stunden hat, schafft einen das trotzdem, also lieber nen Tag oder zwei frei. Verdienst ist ja ok.
    Denn ganz im Ernst - eigentlich lieben wir unseren Beruf doch alle, oder? Auch, wenn wir manchmal die Wände hochlaufen und uns einfach nur leer fühlen.

    4 Mal editiert, zuletzt von Micky ()

  • Hallo Micky,
    danke für die ausführliche Antwort. Ich selber bin in der IT tätig. Da kenne ich das Gefühl, niemals fertig zu werden. Nur schaffe ich es, meinen Beruf im Büro zu lassen, von wenigen Remote-Wartungen und ganz wenigen Wochenend-Einsätzen mal abgesehen. Aus meiner Zeit als freier Programmierer mit Home-Office weiss ich, dass zuhause arbeiten schlimm sein kann, weil man keine Trennung von Job und Privatleben hinkriegt.


    Das Buch werden wir mal kaufen, danke für den Tipp. Aber deinem Beitrag und vielen anderen hier entnehme ich als Tenor: Wir wissen alle, dass das geforderte Pensum nicht in einer akzeptablen Zeit zu schaffen ist. Allenfalls über bewusst hingenommene Qualitätsreduktion kann man sich den Minimal-Freiraum schaffen, den andere Arbeitnehmer auch haben. Wenn man hohe Ansprüche an sich selber hat, ist das schwierig. Und wenn man dann noch sieht, dass mit mehr Aufwand die Kinder weiter gebracht werden könnten, wird's noch schwieriger.


    Eine Stundenreduktion ist natürlich ein denkbares Mittel, aber im schlimmsten Falle wird es darauf hinauslaufen, dass einem die Nebenfächer gestrichen werden, man die Klassenführung behält und trotzdem noch zu allen Konferenzen erscheinen muss. Die "freien Tage" gibt's dann nicht am Stück oder ungünstig gelegen, nicht Wochenend-verlängernd.


    Wir werden uns schlau machen, was eine Kündigung des Beamtenstands bedeuten mag. Sicher wird hier einiges an Pension den Bach runtergehen, klar. Aber vielleicht ist der Lebenswert dann höher?

  • Was mir auf die Schnelle einfällt, ist , dass du nachversichert wirst . Als Beamte hast du ja ein niedrigeres Brutto-Einkommen, dafür aber mehr Netto. Nachversichert wirst du für das Brutto.... Du musst dich natürlich gesetzlich krankenversichern...


    Für mich hätte die Kündigung etwas Endgültiges. Was ist, wenn ich zurück möchte. Leider ist unser Job eben nicht so flexibel. Ich würde eine Auszeit nehmen. Mich erkundigen , ob ich in dieser Zeit arbeiten darf, in welchem Rahmen u.s. w. . Vielleicht in Richtung Sabbatjahr..., vielleicht finden sich ja Alternativen, wie Abordnung an eine Uni, Personalrat, es gibt noch andere Abordnungen...


    Ich nehme den Hut ab vor allen, die sagen, ich mag/kann nicht mehr und die sich nach Alternativen umsuchen.


    flip

  • Zitat

    Original von elefantenflip
    Was mir auf die Schnelle einfällt, ist , dass du nachversichert wirst . Als Beamte hast du ja ein niedrigeres Brutto-Einkommen, dafür aber mehr Netto. Nachversichert wirst du für das Brutto.... Du musst dich natürlich gesetzlich krankenversichern...


    Ist es nicht so, dass das Land nur die ArbeitGEBERbeiträge nachbezahlt und der (Ex-)Beamte die ArbeitNEHMERbeiträge selbst tragen muss? Könnte ganz schön teuer werden...


    Zitat


    vielleicht finden sich ja Alternativen, wie Abordnung an eine Uni, Personalrat, es gibt noch andere Abordnungen...


    Vielleicht in die Schulbehörde? Von das aus kann man dann den Zurückgebliebenen vorschreiben, wie sie ihre Arbeit richtig zu tun haben, und dass sie nicht soviel jammern sollen (ok, war Ironie...)


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zitat


    Ist es nicht so, dass das Land nur die ArbeitGEBERbeiträge nachbezahlt und der (Ex-)Beamte die ArbeitNEHMERbeiträge selbst tragen muss? Könnte ganz schön teuer werden...


    Hallo nochmal,
    hier sind wir genau an dem Punkt angelangt: Was passiert, wenn wir das durchziehen wollen? Ja hat denn das noch niemand gemacht?


    Beim entsprechenden Schulamt nachfragen ist schwierig, weil dann - Datenschutz hin oder her - ganz schnell alles über den Buschfunk laufen und bekannt werden wird. Dieses Spiessrutenlaufen wollen wir uns zumindest solange ersparen, bis wir sicher sind.

  • Zitat

    Original von elefantenflip


    Für mich hätte die Kündigung etwas Endgültiges. Was ist, wenn ich zurück möchte. Leider ist unser Job eben nicht so flexibel. Ich würde eine Auszeit nehmen. Mich erkundigen , ob ich in dieser Zeit arbeiten darf, in welchem Rahmen u.s. w. . Vielleicht in Richtung Sabbatjahr..., vielleicht finden sich ja Alternativen, wie Abordnung an eine Uni, Personalrat, es gibt noch andere Abordnungen...


    Naja, ich finde unseren Job schon ziemlich flexibel. Man hat nämlich die Möglichkeit, über ein Sabbatjahr hinaus sich bis zu 12 Jahren beurlauben zu lassen (ohne Bezüge natürlich, wohl auch ohne Beihilfeanspruch). In der Zeit kann man soweit ich weiß machen, was man will, also auch anderweitig arbeiten - das Beamtenverhältnis ruht, wenn man möchte, kann man nach diesen 12 Jahren (ggf. plus Sabbatjahr 13 Jahre) wieder einsteigen. Ich kenne jemanden, der das jetzt macht und eben noch nicht genau weiß, wie es danach weitergehen wird.


    Viele Grüße
    Britta

  • Zitat

    Original von Lehrer-Ehepartner


    Hallo nochmal,
    hier sind wir genau an dem Punkt angelangt: Was passiert, wenn wir das durchziehen wollen? Ja hat denn das noch niemand gemacht?


    Beim entsprechenden Schulamt nachfragen ist schwierig, weil dann - Datenschutz hin oder her - ganz schnell alles über den Buschfunk laufen und bekannt werden wird. Dieses Spiessrutenlaufen wollen wir uns zumindest solange ersparen, bis wir sicher sind.


    Die "Deutsche Rentenversicherung" müsste das doch genau wissen.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

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