Auswendiglernen von Lektürehilfen

    • Offizieller Beitrag

    Weil es gerade in einer Newsgroup auftauchte, wollte ich das mal hier zur Diskussion stellen:


    Was macht Ihr in Deutsch oder den Fremdsprachen, wenn Schüler in einer Analyseaufgabe oder in einer Interpretation eine wortgetreue Reproduktion einer Lektürehilfe schreiben?


    Wertet Ihr das normal?


    Wertet Ihr das als Täuschungsversuch (Plagiat inklusive)?


    Wie würdet Ihr damit umgehen, falls Ihr selbst einmal einen solchen Fall hättet?



    Bei mir im Geschichts-LK hat das eine Schülerin mal gemacht, wobei sie aus einem "Abiwissen"-Buch ganze Passagen (angeblich) auswendig gelernt hatte.
    Problem war: Sie schrieb ansonsten keinen Satz geradeaus, die Zeichensetzung war quasi nicht vorhanden, die Groß- und Kleinschreibung ebenfalls problematisch.
    Somit fiel also der auswendig gelernte Teil noch deutlicher auf, denn der war sprachlich natürlich nicht zu beanstanden.
    Ich habe diesen Teil nicht gewertet und nur das gewertet, was eindeutig von der Schülerin selbst stammte.


    Gruß
    Bolzbold

  • Wir werten das Auswendiggelernte nicht und haben unseren Schülern das auch gesagt, da es ja keine eigenständige Leistung ist.


    Da manche Schüler aber das Auswendiglernen brauchen, habe ich meinen in Englisch beigebracht, die Lektürehilfen und Abiwissenbücher (in Englisch) in eigenen Worten zusammenzufassen. Das können sie dann nach Herzenslust und gefahrlos auswendiglernen.


    Beim Auswendiglernen sind es ja meist nur Phrasen oder kurze Textabschnitte, die 1:1 stimmen, die werden eingeklammert und nicht gewertet.
    Taucht seitenweise fremdes Gedankengut auf, liegt der Verdacht nahe, dass ein Spickzettel im Spiel war. Das wird dann als Täuschungsversuch gewertet, im Wiederholungsfall geht das ganze auch in die Schülerakte.


    Ist ein leidiges Kapitel, das uns regelmäßig in den Fachkonferenzen beschäftigt...


    Grüße
    Lolle

  • Ich handhabe es da wie Jochen in der newsgroup! Wenn ich den Schülern quasi einen Elfmeter vorgebe anhand der von mir gestellten Klausuraufgaben, dann muss ich auch damit rechnen, dass sie den verwandeln.
    Die Schülern lernen ja schließlich auch das im Unterricht besprochenene mal mehr mal weniger auswendig und reproduzieren das in der Klausur.
    Wenn sich der Schüler mit einer Lektürehilfe eben eigenständig vorbereitet, und dass noch passt, more power to him/her!
    Alles andere, was die in der Klausur produzieren ist ja auch eine "eigenständige Denkleistung". Solange du nicht den Täuschungsversuch während der Klausur nachweisen kannst, hast du da m.E. recht schlecht Handhabe!


    In Englisch sage ich den Schülern regelmäßig die ein oder andere gute Formulierung im Unterricht (neben den Übungen zur language awareness, Leserleitung etc). Wenn sie diese Ausdrücke benutzen, schreibe ich nicht an den Rand "SCHLECHT - AUSWENDIG GELERNT!" Sondern, "GUTE ANWENDUNG - WEITER SO!" o.ä.
    Der Eifer der Schüler (auch wenn es zunächst mal um auswendig Gelerntes geht) sollte belohnt werden.


    *shrug*


    Tina

    • Offizieller Beitrag

    Es geht mir weder um Kleinkrämerei beim Auswendiglernen (hier eben Ausdrücke oder Inhaltsanteile, die der Lehrer selbst vorschlägt bzw. vorgibt) noch um blöd gestellte Klausuren, bei denen dieses Auswendiglernen auch noch erfolgreich ist.
    Ich dachte eigentlich, dass das klar wäre. Im Gegenzug zur Newsgroup beziehe ich mich eben nicht auf solche nun wirklich alltäglichen und unverzichtbaren Dinge. (Wenn ich eine Mindmap mit Begriffen an die Tafel schreibe, dann wohl damit die Schüler eben diese Begriffe irgendwann auch verwenden. Wenn ich eine Analysestruktur vorgebe, dann wohl damit die Schüler selbige auch im Unterricht anwenden).


    Ich beziehe mich da eigentlich auf die Ansicht, dass die Wiedergabe von bereits existierendem Sprachmaterial (hier eine Lektürehilfe) aus meiner Sicht keine eigenständige sprachliche oder gedankliche Leistung ist sondern ein Plagiat.


    Ferner zeigt der Schüler ja auch nicht die von ihm erwarteten Kompetenzen (hier die eigenständige Analyse eines Textes) sondern allenfalls ein intensives Auswendiglernen mit nachfolgender wortgetreuer Reproduktion.


    Ich weiß nicht, ob man das dann auch noch positiv sanktionieren muss.


    Gruß
    Bolzbold

  • Da an unserer Schule genau dieses Thema im letzten Schuljahr gehäuft auftrat, wird ab jetzt gnadenlos durchgegriffen.


    Der Studienleiter (Oberstufenleiter) hat eine Information an alle Oberstufenschüler herausgegeben, die besagt, dass Plagiate (sofern diese nachgewiesen werden können) in Leistungsnachweisen von nun an als Täuschungsversuch gewertet werden, d.h. die gesamte Klausur, der gesamte Essay, etc. wird mit 00 Punkten bewertet.


    Wir weisen unsere Oberstufenschüler immer wieder darauf hin, dass es natürlich legitim ist, sich mit Lektürehilfen oder sonstiger Sekundärliteratur fortzubilden und dass wir das sogar wünschen. Es geht allerdings nicht, dass man diese Quellen 1:1 übernimmt und als seine eigene Leistung ausgibt. Ich will in einer Klausur nicht den Stil und die Sprachrichtigkeit von Mr. X, sondern diese vom Schüler bewerten. Das kann ich nicht, wenn die Hälfte des Textes aus Auswendiggelerntem besteht.
    Zudem fällt es den Schülern schwer, das Auswendiggelernte gut in den Text zu integrieren. Den wenigsten gelingt das, so dass sowieso ein schlechtes Textmosaik entsteht.


    Nach wie vor haben wir natürlich das Problem, dass das Plagiat nachgewiesen werden muss. In den Fällen, die ich vor mir hatte, konnte ich das eindeutig mittels Internet tun. Ich hatte auch schon einen Fall, wo mich der Klausurtext stark an eine Lektürehilfe erinnerte, die ich auch zu Hause hatte --- Volltreffer.


    Lektürehilfen sollen von den Schülern benutzt werden, aber unsere Aufgabe ist es, ihnen beizubringen, wie sie damit umgehen können.

  • Zitat

    Original von Paulchen


    Nach wie vor haben wir natürlich das Problem, dass das Plagiat nachgewiesen werden muss. In den Fällen, die ich vor mir hatte, konnte ich das eindeutig mittels Internet tun.


    Wie weist Ihr denn dem Schüler nach, dass er in der Klausur ein Plagiat abgeliefert hat? Das Internet kann er ja während der Klausur nicht benutzen und Wort für Wort werden Wikipedia & Co wohl kaum von Schülern "zitiert", oder?


    LG, das_kaddl.

    • Offizieller Beitrag

    kaddl


    Der Nachweis, dass das so wortwörtlich schon woanders von einem Dritten verfasst wurde, reicht.
    Wer also Lektürehilfen auswendig lernt und sie in der Klausur als eigenständige Analyse bzw. als eigenes geistiges Gut verkaufen will, erstellt ein Plagiat. Es reicht also, wenn man nach der Klausur die Originalquelle findet. Dann ist es irrelevant, ob während der Klausur abgeschrieben wurde.


    Gruß
    Bolzbold

  • Zitat

    Wort für Wort werden Wikipedia & Co wohl kaum von Schülern "zitiert", oder?


    Doch, werden sie: Wort für Wort. Ich hatte das schon zweimal und ich unterrichte noch nicht lang.


    Beide Schüler hatten lange Passagen auswendig gelernt und so ungelenk in den Text eingebaut, dass ich es sofort bemerkt habe.


    In beiden Fällen handelte es sich um schwache Schüler, die verzweifelt versucht haben, ihre Note aufzubessern und sich nicht besser zu helfen wussten.


    Dudel

  • Ich hatte erst gerade eben so einen Fall.
    Von drei Klausurfragen waren zwei komplett und lückenlos mit Sätzen aus Texten von sparknotes.com beantwortet. Ich habe diese Seiten ausgedruckt und den Schüler damit konfrontiert, woraufhin er zugab, entsprechende Ausdrucke unter sein Konzeptpapier gemogelt und abgeschrieben zu haben.


    Der Rest an inhaltlicher und sprachlicher Eigenleistung, den ich dann noch werten konnte, den konnte ich natürlich in allen sprachlichen Kategorien nur anteilig werten, nicht mehr mit den vollen Punktzahlen. Es reichte dann nicht mehr für "Mangelhaft".
    Habe mich vor Rückgabe der Klausur auch mit der Schulleitung bezüglich der Rechtmäßigkeit meines Vorgehens abgesichert.


    Aber das ganze lückenlose Nachweisen von jedem Satz hat mich beim Korrigieren viel Zeit gekostet. Dafür macht dieser Schüler sowas aber garantiert nicht noch mal.
    Gruß,
    putzi

    "I think it would be a great idea." (Mohandas Karamchand Gandhi when asked what he thought of western civilization)

  • Das Problem löst sich meist von selbst, wenn Aufgaben so formuliert werden, dass Schüler sich nicht in der Lage sehen, größere Passagen aus irgendwelchen Interpretationen oder Lektürehilfen abzuschreiben. Wenn sie es dann doch tun, kann man gewöhnlich schnell nachweisen, dass sie sich nicht an die Aufgabenstellung gehalten und sich damit ins Knie geschossen haben!

  • Das Thema scheint ja doch häufiger vorzukommen, als ich dachte. Mit meiner Frage meinte ich übrigens wirklich, ob das Wort-für-Wort-Auswendiglernen (ohne "Spickzettel") üblich ist. Mir wäre das als Schülerin viel zu aufwändig gewesen, aber gut, jeder hat seine eigenen Lernstrategien ;) .


    Wenn die Thematik so brennend ist: nutzt Ihr Euren Unterricht, um zu üben, wie man eigene Arbeiten (z.B. Klausuren) schreibt, dabei Meinungen / Veröffentlichungen Anderer einbezieht und dennoch "Eigenleistung" erbringt?


    LG, das_kaddl.

  • Ich habe den Schülern gesagt, dass sie sich Inspiration und Hilfe in Lektürehilfen suchen können und sollen, dass es aber wichtig ist, dass sie es selber verstehen, was da steht. Dann seien sie in der Lage, das auch in eigenen Worten wiederzugeben.
    In der letzten Klausur haben einige sich die Einleitung mit Versatzstücken aus wikipedia schreiben lassen, der Rest der Klausur war dann aber auch nicht so richtig überzeugend, sodass ihnen das auch nicht so viel gebracht hat. Die Starken haben dennoch ihr eigenes Ding geschrieben.
    Ich habe bis jetzt in meinem kurzen Lehrerleben auch versucht, Aufgaben so zu stellen, dass sich nicht weite Passagen aus Hilfen übernehmen lassen. Dafür sondiere ich auch immer ein bisschen den Online- und Schülerhilfenmarkt, um nicht gerade etwas zu wählen, was schon ausführlich geschrieben wurde.

  • Ich denke ohnehin (s.o.), dass es meistens schwache Schüler sind, die sich den Stress antun, so viel auswendig zu lernen, weil sie daran zweifeln, ob ihre eigene Denkleistung ausreicht.


    Natürlich wäre es sinnvoll, mit den Schülern zu üben, wie man Sekundärliteratur in Texte einbaut. In Zeiten von Wikipedia und Co. gibt es aber zu allem Sekundärtexte und manchmal rechnet man einfach nicht damit, dass die sich irgendwelchen Krams aus dem Netz reinpfeifen und dann in der Klausur abspulen. So ging's mir jedenfalls.


    Obwohl ich solche auswendig gelernten Passagen nicht werte, wenn ich sie entdecke, zeugen sie doch davon, dass jemand sich gründlich vorbereiten wollte - wenn auch falsch. Problematisch finde ich es, dass man nie genau wissen wird, ob nicht vielleicht doch eine Vorlage ins Konzeptpapier gerutscht ist.


    Dudel

  • Da das Auswendiggelernte ja in der Regel nur phasenweise eingesetzt wird, wirkt der Aufsatz (zumindest für das Fach Deutsch kann ich das sagen) wie Patchwork oder ein Flickenteppich, also wird dadurch automatisch die Bewertung gedrückt, da ich ja kein flüssiges, homogenes Gesamtwerk vor mir habe. So habe ich das auch meinen Schüler/innen erläutert und der Unsinn hörte auf.


    LG Lieselümpchen

    Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich! (Afrikanisches Sprichwort)
    :)

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe auch gerade einen Fall.


    Klasse 10 Realschule, Charakterisierung einer Person aus einem Drama.
    Da das Drama nicht so viele wichtige Personen hat, wurde ich vorab gefragt, was mit Notizen in dem Drama (im Büchlein) ist.
    Ich habe daraufhin betont, dass ich nichts dagegen tun werde, wenn sich jemand der Notizen aus dem Unterricht ODER selbstangelegter Notizen (da ich es eh nicht kontrollieren kann) bedient.
    ich werde es aber , so habe ich angekündigt, nicht werten, wenn der Text einfach nur aus dem Internet ausgedruckt oder so und wprtwörtlich verwendet wird.


    Nun habe ich hier 2 Schüler, die im Mündlichen im 5er bis 6er- -Bereich stehen. Sie haben einen Text aus dem Internet laut Auskunft eines der Schülers auswendig gelernt.
    Wobei: wie die Schüler es geschafft haben, den Text wortwörtlich wiederzugeben, ist mir ehrlich gesagt egal. Fakt ist: er ist wortwörtlich wiedergegeben.


    Und ich habe nicht vor, für den Teil Punkte zu vergeben.


    Wie seht ihr das?


    kl. gr. Frosch

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