"Die Grundschule hat ihre Hausaufgaben gemacht."

    • Offizieller Beitrag

    So heißt es im Fazit der neuen Iglu-Studie u.a., bei der die deutschen Grundschulen gut abgeschnitten haben.


    Guckt man sich an, wie schlecht die Pisa-Studie bei den 15jährigen Jugendlichen ausgefallen ist, muss man sich doch fragen, wo in der schulischen Laufbahn etwas nicht optimal läuft.


    Horst Barnitzky, Vorsitzender des Grundschulverbandes, ist der Auffassung, dass u.a. das Schulsystem ab der 5. Klasse dafür verantwortlich zu machen ist. Der Unterricht sei hier z.B. weitgehend fachunterricht mit vielen Lehrerwechseln, während in der Grundschule das Klassenlehrerprinzip herrscht.
    M.E. müsste die Grundschulzeit sowieso auf 6 Jahre ausgedehnt werden.


    Ich finde diese Iglu-Ergebnisse interessant und auch erfreulich. Häufig sieht man nur Pisa und nicht unser doch recht gutes Abschneiden im Grundschulbereich.


    Und wenn ich an manche Diskussionen mit Gymnasiallehrern denke, die Verantwortung für schlechte Schülerleistungen gerne bei den Grundschullehrern suchen, finde ich es auch schön, hiermit mal wieder das Gegenteil belegen zu könne.
    An den Grundschulen wird überwiegend gut gearbeitet. Im Grundschulebreich bemüht man sich häufig auch mal um neue Wege - die meisten Reformen geschahen in den letzten Jahren in der Grundschule oder gingen von ihr aus.


    Traurig ist natürlich, dass, laut Iglu, Kinder aus sozial schwachen Familien schlechte Chancen haben. Das ist ein Bereich, in dem sich noch einiges bewegen muss!


    http://www.sueddeutsche.de/,tt…riere/artikel/693/145361/


    Gruß,
    Melo

    • Offizieller Beitrag

    Ohne das erfreuliche Ergebnis in irgendeiner Art mindern zu wollen:
    Bei Pisa wird doch "querbeet" (also Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien) getestet?
    M.E. sind viele Hauptschüler allein schon durch die Tatsache frustriert, auf der Hauptschule zu sein und deshalb demotiviert.
    Das ist doch eher ein Gesellschafts- denn ein Kompetenzproblem.
    Eine längere Orientierungszeit fände ich auch gut, vor Jahren wurde dazu auch mal ein Schulversuch gemacht, allerdings hat der sich leider, leider nicht durchgesetzt.
    Allerdings kann ich mit dem Gedanken an ein eingliedriges Schulsystem überhaupt nicht anfreunden, dazu habe ich damit zu schlechte Erfahrungen in Frankreich gebracht, wo die Schüler bis zur 9. Klasse ins Collège gehen. Da haben eher die schlechten Schüler die guten runtergezogen denn umgekehrt.
    Liebe Grüße
    Hermine
    Edit: Meine kleinen Fünftklässler haben bisher in den Tests auch traumhafte Durchschnitte gehabt- es muss also später oder nicht im Gymnasium passieren ;) :tongue:

  • Zitat

    Original von Melosine
    Guckt man sich an, wie schlecht die Pisa-Studie bei den 15jährigen Jugendlichen ausgefallen ist, muss man sich doch fragen, wo in der schulischen Laufbahn etwas nicht optimal läuft.


    Horst Barnitzky, Vorsitzender des Grundschulverbandes, ist der Auffassung, dass u.a. das Schulsystem ab der 5. Klasse dafür verantwortlich zu machen ist. Der Unterricht sei hier z.B. weitgehend fachunterricht mit vielen Lehrerwechseln, während in der Grundschule das Klassenlehrerprinzip herrscht.
    M.E. müsste die Grundschulzeit sowieso auf 6 Jahre ausgedehnt werden.


    [Blockierte Grafik: http://www.tagesschau.de/multimedia/bilder/bild67716_v-gross4x3.jpg]


    Berlin hat 6 Jahre gemeinsame Schulzeit und steht bei PISA nicht gerade toll da. Es ist wieder einmal symptomatisch, dass pars pro toto genommen wird. Das billige Nachäffen und patchworkmäßige Zusammenkleistern von vermeintlichen Erfolgsfaktoren ist keine Lösung, das deutsche Bildungssystem nach vorne zu bringen.
    Genauso ist der zweite Vorschlag zu sehen, dass es am Fachunterricht liege. Die Hauptschulen haben wenig Fachlehrer und sind klassenlehrerorientiert. Nun sind sich aber seltsamerweise fast alle einig, dass ein großes Problem in unserer Bildungslandschaft an der derzeitigen Form der Hauptschulen liegt!


    Übrigens ist die Iglustudie keineswegs ein Freibrief für die Grundschulen, bei allem Lob, das sie mit Recht verdient haben. Es heißt nur, dass zum Zeitpunkt t bei den gemessenen Variablen nach den Kriterien der Evaluierenden gute Ergebnisse vorlagen. D.h. aber weder, dass damit der Erfolg garantiert ist, wenn die weiterführenden Schulen ordentlich arbeiten, noch dass die richtigen Kriterien herangezogen wurden.
    Um es bildlich zu sagen: Ich kann in Runde 10 bei einem Formel-1-Boliden optimale Ergebnisse messen. D.h. aber zum einen nicht, dass es versteckte Fehler gibt, die später zum Rennabruch führen können, noch dass vielleicht statt der Rundenzeit lieber der Öldruck hätte gemessen werden sollen!


    Aber trotz aller Bedenken: Glückwunsch an die Kollegen. Wir werden eh zu selten gelobt!

    Und der Mann spürte das Wissen bis an die Haarspitzen, als ihm das Konversationslexikon auf den Kopf fiel. (Uli Keuler)

    Einmal editiert, zuletzt von Nicht_wissen_macht_auch_nic ()

  • Zitat


    Laut PISA deutsche Schüler in Naturwissenschaft vorn
    Berlin (dpa) - Die Schüler in Deutschland liegen bei der neuen weltweiten PISA-Studie beim Umweltwissen und in Naturwissenschaft vorn. Nach einem Bericht der spanischen Lehrerzeitung Magisnet vom Mittwoch landen die 15-jährigen Deutschen auf Rang 13 - von 57 Staaten. Bei der PISA-Studie 2003 lag Deutschland auf Platz 18 von 40 Teilnehmerländern. Laut OECD-Bericht sind beide Tests wegen einer geänderten Aufgabenstruktur aber nicht vergleichbar.


    Quelle: http://www.focus.de/politik/sc…n?day=20071128&did=588162


    Wie jetzt? Nicht vergleichbar? Warum machen wir die Tests dann?


    Und wenn nicht einmal die PISA-Professoren in ihren vollklimatisierten Büros mit ihren Mitarbeiterstäben "vergleichbare Aufgabenstrukturen" hinkriegen, was wird dann nur aus unseren Bildungsstandards und Zentralabituraufgaben? Oder sollten die auch "nicht vergleichbar" sein?


    Aber was mach ich mir Gedanken, dafür haben wir ja unsere Kultusministerien...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Ich finde es ja gut, wenn in den Medien endlich endlich einmal Niederschlag findet, dass wir in den Schulen tatsächlich Reform- und Innovationsarbeit leisten und es ist auch in Ordnung, wenn einmal klar gesagt wird, dass die Grundschulen die Innovationsmotoren in unserem Land sind.


    Darüber hinaus - I wouldn't like to rain on anybody's parade, aber wirklich; diese Statistiken muss man cum grano salis nehmen. Dann sieht das nicht so dramatisch aus, wie man bei den dickgedruckten Schlagzeilen vermuten können.


    Ich arbeite mal mit den Zahlen zur Lesekompetenz, weil ich die zufällig gerade vor mir auf dem Tisch liegen habe.


    Den Zahlen aus der "Zeit" nach zu schließen, hat sich die Lesekompetenz von 539 auf 548 Zähler erhöht. Mal vorausgesetzt, die Verfahren zur Werteermittlung sind die gleichen, ist das ein Wachstum von 1,69%, was über die fünf Jahre zwischen 2001 und 2006 gemittelt ein jährliches Leistungswachstum von 0,33% bedeutet.


    Nicht wirklich beeindruckend.


    Der Abstand zwischen Platz eins und Platz 10 beträgt 18 Zähler, d.h. der Abstand beträgt 3,19% des Maximalwertes. Der durchschnittliche Unterschied zwischen den "Top Ten" beträgt genau 2 Zähler, das sind 0,35% des Maximalwertes.


    Der Unterschied zwischen dem EU-Durchschnitt und dem Spitzenwert beträgt 31 Zähler, das sind 5,4%. Von den 27 Teilnehmerstaaten haben überhaupt nur sieben Staaten ein Ergebnis, dass das Maximalergebnis um mehr als 10% unterschreitet.


    Was ich mit all dem sagen will, ist, dass diese Ergebnisse sich statisch gesehen in extrem engen Raum bewegen. Die Differenzierungen sind sehr viel feingliedriger, als es letztlich aus dem grobschlächtigen Ranking ("Deutschland vor! Deutschland vor!!" ) den Anschein hat. Da es überhaupt nur zwei dieser Studien gegeben hat, läßt sich nicht die geringste Aussage über die Standardnormalabweichung machen, geschweige denn ein Trend ablesen - was aber genau gemacht wird. ("Die Reformen in Deutschland zeigen Wirkung." )


    Eine Abweichung von 1,7% bei einem hochgradig komplexen Erhebungsverfahren, auf das auch noch subjektive Parameter Einfluss haben, kann durchaus eine Zufallsabweichung sein.


    Ein Grund, sich jetzt kräftig auf die Schultern zu klopfen, ist das alles jedenfalls nicht.


    Nele

    4 Mal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Zitat

    Original von Mikael
    ...
    Wie jetzt? Nicht vergleichbar? Warum machen wir die Tests dann?


    Und wenn nicht einmal die PISA-Professoren in ihren vollklimatisierten Büros mit ihren Mitarbeiterstäben "vergleichbare Aufgabenstrukturen" hinkriegen...



    Die Tests sind deshalb nicht ohne Weiteres vergleichbar, weil PISA 2003 u.a. andere Schwerpunkte hatte, daher der Aufgabenumfang im Bereich Naturwissenschaften nicht dem der "neuen" Pisa-Studie entsprach und auch andere Aufgabenformate mit unterschiedlichen Handlungs- und Teilhandlungsaspekten als 2003 eingesetzt wurden.


    Von "klimatisierten Büros mit Mitarbeiterstäben" träumen diejenigen, die an Schulleistungsstudien, Bildungsstandards & Co. mitarbeiten, übrigens (wenn man dazu Zeit hat); real ist es so, dass man in ganz normalen mehrfachbelegten Büros verstreut über Universitäten und Forschungseinrichtungen (Pisa 2009 wird in Deutschland vom Dipf aus koordiniert) sitzt.


    Möchte mal wissen, woher Du dieses Klima-Mitarbeiterstabs-Klischee hast? ?(

    • Offizieller Beitrag

    Es ging ja überhaupt nicht darum, "sich kräftig auf die Schulter zu klopfen" noch "Deutschland vor!" zu rufen.
    War schon klar, dass solche (abwertenden) Aussagen nicht auf sich warten lassen würden.


    Ich empfinde es oft so, dass auf den Leistungen und der Vorarbeit der Grundschullehrer herumgehackt wird. Hier hat man zumindest einen Beleg dafür, dass die Arbeit an den Grundschulen insgesamt nicht so schlecht sein kann. Da nützt es auch nichts, dass gesamte Ergbnis schlecht zu reden.


    Ja, bei Pisa haben auch Hauptschulen teilgenommen - in den Grundschulklasen sitzen aber auch Kinder vom Hauptschul - bis zum Gymnasialniveau.

  • Zitat

    Original von Melosine
    Es ging ja überhaupt nicht darum, "sich kräftig auf die Schulter zu klopfen" noch "Deutschland vor!" zu rufen.
    War schon klar, dass solche (abwertenden) Aussagen nicht auf sich warten lassen würden.


    Ich meine damit nicht die Arbeit der Grundschulen, sondern das bildungspolitische Getöse, mit dem man sich in Schlagzeilen und auf Sonntagsreden auf die Schultern klopft. Was ich beobachte ist, dass durch die Fixierung auf öffentlichkeitswirksame Pisa-, Iglu- und sonstige Ergebnisse und die damit verbundene Testeritis sehr viel Arbeitszeit verbraten wird, die man sehr viel besser für tatsächliche Innovationen investiert hätte. Und ich befürchte, dass "bessere Zahlen" nur zu einem führen - man wird die Ausgaben in den Bildungsetats weiter zurück fahren, denn "es geht doch."


    Pisa et al. werden leider Gottes nun einmal in erster populistisch ausgeschlachtet.


    Zitat

    Ich empfinde es oft so, dass auf den Leistungen und der Vorarbeit der Grundschullehrer herumgehackt wird.


    Ich kann mich nicht erinnern, jemals auf den Leistungen und der Vorarbeit der Grundschullehrer herumgehackt zu haben, denn es ist schlicht und ergreifend nicht meine Meinung, dass die Grundschulen schlechte Arbeit leisten...


    Zitat

    Hier hat man zumindest einen Beleg dafür, dass die Arbeit an den Grundschulen insgesamt nicht so schlecht sein kann. Da nützt es auch nichts, dass gesamte Ergbnis schlecht zu reden.


    Ja, bei Pisa haben auch Hauptschulen teilgenommen - in den Grundschulklasen sitzen aber auch Kinder vom Hauptschul - bis zum Gymnasialniveau.


    Es ist einfach so, dass ich diese Zahlen aus den genannten Gründen (und es gibt noch sehr viele andere!) für wenig signifikant halte - die Leistungen von unterschiedlichsten Schulsystemen mit unterschiedlichsten Lehrphilosophien in unterschiedlichsten Gesellschaften lassen m.E. nun nicht so vermeintlich einfach messen. Da ändert sich doch nichts dran, weil jetzt mal ein Ergebnis auf dem Papier steht, das den Grundschulen gut tut!


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    Ich war auch entsetzt, dass um die paar Punkte so ein Wirbel gemacht wird. Und sicherlich wird das auch wieder zu politischen Zwecken missbraucht. ("Man muss gar nicht so viel Geld in die Schulen stecken, es geht auch so." - "Die Oberschulen müssen sich einfach nur mehr anstrengen." - "Die Gemeinschaftsschule ist richtig, denn Grundschulen sind ja auch sowas wie Gemeinschaftsschulen und da können die Kinder gut lesen.")
    Das sehe ich ähnlich Nele.


    Was ich momentan in meinem Bundesland sehe, ist Folgendes:
    1. Jüngere Kinder wurden zwangsweise (ohne Rückstellungsmöglichkeit) eingeschult. (Die ersten sind in Kl. 3 angekommen.)
    2. Jahrgangsgemischte Klassen ab diesem Jahr. Es war mal von 2 Lehrern pro Klasse und maximal 22 Kindern die Rede. Nun haben wir bis zu 28 Kinder und wenn es hoch kommt, 10 Teilungsstunden (davon 5 bis 10 von Erziehern geleistet, von denen sich manche überfordert fühlen) und 3 Sonderpädagogenstunden zur Einzelförderung. Den Rest der Zeit wird also von uns und den Kindern verlangt, dass da 5 bis 8-jährige selbstständig, leise, freiwillig, ausdauernd, motiviert und individuell arbeiten. Dass einige der Kinder gar nicht in der Lage sind, selbstständig zu arbeiten, das interessiert keinen. Dass das Lehrer-Klonen verboten ist und wir deshalb niemals allen gerecht werden können, immerzu unzufrieden, überarbeitet, gestresst sind und das sicherlich auch die Kinder spüren... Egal. Dass wir krank werden bzw. nur noch für die Arbeit leben, weil wir nicht nur einmal Unterricht planen, sondern für 2 Jahrgangsstufen + verschiedenste Differenzierungen + Materialien und Inhalte für Teilungsstunden + Alternativen, wenn Teilungsstunden nicht statt finden - egal, solange wir noch funktionieren, kein Problem.
    3. Förderbedarf für Lernen und Verhalten wurde für die ersten 2 Klassenstufen abgeschafft. Das heißt, diese Kinder sitzen in den Grundschulklassen mit drin. Und zwar nicht nur 2, sondern 3 Jahre, denn ihnen soll im 3. Jahr nochmal "eine Chance" gegeben werden. So kommt es, dass Kinder schon nach einem Jahr null Bock mehr auf Schule haben, weil sie merken, dass die neuen Erstklässler in ihrer jahrgangsgemischten Klasse mehr können als sie selber im 2. Schulbesuchsjahr.
    4. Eine "Teilung" im Sinne: "Die Kinder der 1. Klasse arbeiten leise hinten, während vorne im Klassenraum die Kinder der 2. Klasse mit mir frontal etwas erarbeiten." funktioniert nicht. Dazu haben die Lütten zu viele Fragen, egal wie genau man vorher erklärt. Umgekehrt funktioniert es erst recht nicht.


    Konkret bedeutet das:
    Unsere jetzigen Zweitklässler haben einen deutlich niedrigeren Leistungsstand als die im letzten Jahr. (Diesjährige Spitze im Lesen entspricht etwa letztjährigem Mittelfeld. Diesjähriges "schwaches Feld" entspricht etwa dem Leistungsstand der langsameren Lerner meiner letzten Klasse am Ende des 1. Halbjahr 1. Klasse, in anderen Gebieten sieht es noch schlimmer aus.)
    Sie haben keine Ahnung von Wortarten, das Merkvermögen ist unterirdisch, sie haben mich vor einigen Tagen angeschaut, als ich von ihnen "Namenwörter" hören wollte, als würde ich sonst was von ihnen verlangen, dabei kauen wir das seit Anfang des Schuljahres ständig durch. Einzahl und Mehrzahl bilden? - Vor dem Kontrollieren Taschentücher und Schnaps bereitstellen, sonst besteht die Gefahr, die Tischkante zu zerbeißen.
    Selbstständig arbeiten? Keine Chance. Überhaupt arbeiten? Bei mehreren Kindern nur, wenn ich ständig daneben stehe.
    Sie auf den Stand bringen, der am Ende des 2. Schuljahres erreicht sein müsste? Das wird wohl nur ansatzweise funktionieren. Und auch die leistungsstarken leiden darunter, denn auch sie bräuchten für qualitativ hochwertige Zusatzaufgaben Hilfe und Anleitung, die ich alleine oder auch in Kooperation mit einer Erzieherin für einige Stunden pro Woche einfach nicht leisten kann, da es an allen Ecken und Enden "brennt". Die Kolleginnen, die nächstes Jahr dritte Klassen bekommen, werden sich umschauen. Die jetzigen betonen schon, wie schwach viele Schüler sind.
    Und die Kinder ein 3. Jahr "verbleiben" lassen, wie die Politiker das einfach so sagen? Ja klar, die haben nämlich keine Kinder mehr in dem Alter. Für die Kinder ist es jedenfalls ein Riesenschock, wenn sie da ein drittes Jahr hocken. Ich habe meinen Kindern das alles erklärt, ganz freundlich, ich habe ihnen gesagt, man kann 1 oder 2 oder 3 Jahre bleiben. Neulich sagte dann ein Zweitklässler: "Der P. ist schon 3 Jahre hier, der ist sitzen geblieben." Ich bin nur froh, dass P. in diesem neuen Jahrgang im oberen Mittelfeld ist, denn so bleibt ihm die Anerkennung der Leistungen, er hilft gern, er ist motiviert und wird sicher auch im nächsten Jahr mit relativ guten Noten in die 3. Klasse starten. Was aber bedeutet das für Kinder, die auch im 3. Jahr noch sehr große Probleme haben? Das ist Folter. Egal wie ich versuche auf die Klasse einzuwirken. Alles kann ich nicht ausbügeln.


    Die Erstklässler sind ein "guter Jahrgang", sicher wirken da auch die verbesserten Bildungspläne der Kitas, denn es berichten auch andere Schulen davon. Von meinen Erstklässlern arbeiten 2/3 selbstständig, ausdauernd, leise, konzentriert und effektiv im Wochenplan.
    Nachteil: Sie kneten, puzzlen, schreiben, malen die Buchstaben - aber dafür ist es ziemlich egal, wie die Buchstaben heißen. Für die Buchstaben-Hör-Karte muss man ja nur mal nachschaun, wie der Buchstabe heißt. Das bisherige tägliche Wiederholen der Buchstaben-Lautzurordnung würde auf Kosten der Zweitklässler gehen. Und somit haben die meisten Erstklässler Schwächen in der Laut-Buchstabenzuordnung.
    Im Gegenzug können manche Erstklässler nun schon sicher Beispiele für Nomen und Verben finden und sind damit den Zweitklässlern in diesem Bereich auch voraus. Hinzu kommt, dass die ersten Erstklässler bald mehr Sicherheit im Rechnen der Grundaufgaben haben werden als einige Zweitklässler. Der beste Leser der Klasse ist übrigens ein Erstklässler.
    Das alles bleibt nicht ohne Wirkungen auf die Zweitklässler, denn die haben sich ja sicher gefühlt in ihrer Rolle als Ältere, Bessere, Helfer. Und nun sind einige das nicht mehr. Da kann ich mit den Kindern sonstwas bereden über Differenzierung und lieb erklären und was weiß ich. Sie sehen es trotzdem jeden Tag.


    Politisch wunschgemäßer Vorschlag wäre demnach:
    In 2 Jahren eine neue Studie für Viertklässler durchführen, feststellen wie schlecht die sind. In 3 Jahren Studie wiederholen - und holla, die Mecker und Betrübnis hat gefruchtet, die Schüler sind schon viel besser geworden.
    Diese deutliche Verbesserung kann man dann in einem Lied auf - kostensparendes, da unter Wegfall bestimmter sonderpädagogischer Förderung statt findendes - jahrgangsübergreifendes Lernen lobpreisen und die Politiker können sich selber auf die Schulter klopfen.


    Conni


    PS: Auch an unserer Schule ist Leseleistung von sozialen Faktoren abhängig. Es gab da mal eine Studie vor einigen Jahren. Da wurde festgestellt: Basis für Lesekompetenz wird im Vorschulalter in der Familie gelegt. Lesende Eltern haben lesende Kinder. Die Schule kann weiteres Lesematerial anbieten, Lesemöglichkeiten bieten. Aber: Kinder lesender Eltern haben schon zu Schulbeginn mehr Ideen davon, was ein Buch ist und wozu man es braucht oder warum Lesen Spaß macht. Sie bekommen dann Weihnachten im 1. Schuljahr die ersten Bücher (oder schon vorher?) und dann lesen sie, allein, mit Hilfe etc. Je besser sie lesen, desto mehr und lieber lesen sie, das verstärkt sich bei vielen Kindern selber. Auch bei Kindern, die nicht gerne Belletristik mögen, wenn sie Zugang zu altersgemäßer Sachliteratur, Comics etc. bekommen.
    Kinder, deren Eltern nicht lesen, müssen erstmal an Bücher herangeführt werden in Kita und Schule. Ihnen muss vermittelt werden, dass Lesen Spaß macht. Sie haben die Zeit in der Schule zur Verfügung - und unter sehr günstigen Bedingungen übt vielleicht jemand zu Hause mit ihnen. Oder man kann die Eltern von einem Bibliotheksausweis oder einem Buch zu Weihnachten überzeugen. Die meisten Eltern werden aber auch nach Schuleintritt nicht zu einem lesenden Vorbild. Und Eltern haben auf die meisten Grundschulkinder die größte Vorbildwirkung.
    Wenn sie Pech haben, bekommen sie nie ein Buch, haben auch die Eltern nie ein Buch und wird der Bibliotheksausweis schnell abgeschafft, weil er "Geld kostet" - nämlich dann, wenn man Abgabetermine vergisst oder Bücher verschlampt.
    Und wenn sie noch größeres Pech haben, dann haben sie nicht mal ein Schulbrot, etwas zu trinken, ein warmes Mittagessen, passende Schuhe oder ein Elternteil, das sich ihrer annimmt. Und dann ist Lesen eins von den Dingen, die kaum noch eine Rolle im Leben dieser Kinder spielen.
    Und da immer mehr Bibliotheken schließen sollen, sehe ich da in Zukunft auch keine besseren Zeiten.
    Aber schön, wenn man der Schule sagen kann, dass sie bestimmte soziale Schichten benachteiligt.

    • Offizieller Beitrag

    @Melo: Keiner hat die Leistungen der Grundschule in irgendeiner Weise in Abrede gestellt. Wenn ich das jemals früher getan habe, war das in Bezug auf meine Fünftklässler, zu denen du ja im realen Leben nicht die geringste Beziehung hast. Außerdem habe ich meine Meinung dazu ja längst schon- auch in diesem Forum!- revidiert. Und es gibt eben auch schlechte Grundschullehrer, genauso wie es grottenschlechte Gymnasiallehrer gibt. Das ist einfach Fakt. Wenn du sowas nicht diskutiert und hinterfragt haben willst, dann wird das im Forum schwierig.
    Natürlich sitzen in der Grundschule Kinder aller Bildungsniveaus. Aber zu denen kommt kein Lehrer und sagt: "Ihr seid der Abschaum der Gesellschaft, deshalb seid ihr hier!" (Tatsächlich in einer HS in meiner Nähe passiert!) Bei so einer Einschätzung hätte ich spontan auch nicht sehr viel Lust zu zeigen, was in mir steckt, abgesehen davon, dass Hauptschullehrer zunehmend damit gefordert sind, ihre Schützlinge von der Straße fernzuhalten etc. Die werden im Unterricht bestimmt nicht den günstigsten Handy-Tarif als Lesekompetenz abfragen (so gefordert aber in einem von den Pisa-Tests!)
    Liebe Grüße
    Hermine

  • Mich wunderts, dass wir besser abgeschnitten haben - ich finde nicht, dass sich bei mir etwas groß geändert hat, seit dem letzten Abschneiden. Die äußeren Bedingungen sind auch nicht besser geworden, eher .... Ich wurde aber auch nicht erfasst.....


    Was ich aber wahrnehme, ist, dass ich die Kinder auf solche Tests vorbereite. Z.B. im Lesen viel früher auf Testverfahren vorbereite. Aber sagt das mehr über die Lesekompetenz aus???? Was sich zeigt, ist, dass die unterrichtlichen Verfahren stärker auf die Testverfahren abgestellt werden.


    Ich bin überhaupt nicht beruhigt durch solche Berichte. Immer noch sind meine Kinder mit Migrationshintergrund viel stärker benachteiligt. Immer noch haben wir eine Mittelstandspädagogik, die stärker an Bedürfnissen von Mädchen ausgerichtet ist. Immer noch haben viele Kinder viel große Sorgen, die sich hemmen, sich ganz auf die schulischen Anforderungen einzustellen. Immer noch gibt es nicht genug Stellen, die Probleme wie Kiss, Sprachstörungen, Hörstörungen frühzeitig erkennen und Spätfolgen verhindern.
    Immer noch hängt die schulische Leistung sehr von dem Lehrer, seiner Einstellung zu schwachen Kindern, seinem eigenen Lernhintergrund ab, immer noch sind Grund- und weiterführende Schule nicht genug verzahnt.
    Demnächst kommen in NRW die Kinder mit 5 1/2 Jahren in die Schule. Immer noch macht sich kaum jemand Gedanken darüber, wie man mit diesen Kindern umgehen sollte, welche Rahmenbedingungen geändert werden müssen und können.


    Alles sehr subjektiv....
    flip

  • Zitat

    Original von elefantenflip
    Was ich aber wahrnehme, ist, dass ich die Kinder auf solche Tests vorbereite. Z.B. im Lesen viel früher auf Testverfahren vorbereite. Aber sagt das mehr über die Lesekompetenz aus???? Was sich zeigt, ist, dass die unterrichtlichen Verfahren stärker auf die Testverfahren abgestellt werden.


    Tja, und durch das teaching for the test können die 1,7% Leistungssteigerung schon erklärt werden.


    Übrigens sieht mein Beitrag oben ein wenig so aus, als würde ich den ganzen Test in die Tonne treten wollen. Das meine ich nun auch nicht - für die Frage "Verbesserung oder nicht" sind die Tests ungeeignet aber sie bieten sehr aufschlussreiche empirische Hinweise auf die tatsächlichen Probleme unseres Schulsystems und vor allem auf das Hauptskandalon, nämlich die soziale Selektion und die Verteilung von Lebenschancen durch Geburt.


    Nur können wir da leider in der Schule nichts machen (abgesehen vielleicht von den Einstufungsverfahren in die weiterführenden Schulen) - Elternwille der gesellschaftlichen Eliten wäre eine noch sehr viel brutalere Ausgrenzung anderer sozialer Schichten und die Bildungspolitik vollzieht selbstverständlich den politischen Willen der maßgeblichen Kreise unserer Gesellschaft.


    Nele

  • Zitat

    Original von elefantenflip
    Ich bin überhaupt nicht beruhigt durch solche Berichte. Immer noch sind meine Kinder mit Migrationshintergrund viel stärker benachteiligt. Immer noch haben wir eine Mittelstandspädagogik, die stärker an Bedürfnissen von Mädchen ausgerichtet ist. Immer noch haben viele Kinder viel große Sorgen, die sich hemmen, sich ganz auf die schulischen Anforderungen einzustellen. Immer noch gibt es nicht genug Stellen, die Probleme wie Kiss, Sprachstörungen, Hörstörungen frühzeitig erkennen und Spätfolgen verhindern.
    flip




    Das sehe ich zum großen Teil auch so. In meiner Klasse 6 sind 32 Schüler, davon etwa 20 Scheidungskinder. Davon etwa die Hälfte gestört, da die Eltern in einer Art Rosenkrieg um das Kind kämpfen und sich gegenseitig Vorwürfe machen, wie es dem Kind besser gehen würde u.s.w.
    Dann soll man noch guten Unterricht machen, wenn regelmäßig ein Kind ankommt, sich ausweint, dass alles doof ist....
    Hinzu kommen dann die Eltern, die der Meinung sind, das Kind soll Selbstständigkeit erlernen und daher kontrollieren sie auch nur so am Rande die Leistungen, die das Kind zu Hause zu erbringen hat.


    Schlechte Lehrer gibt es in meinen Augen nicht, in jedem Job gibt es Menschen, die ab einem gewissen Alter kurz vor dem Ruhestand ein Motivationsloch haben. Das ist normal.


    Ich sehe das Problem eher daran, dass man auf der Grundschule zum Teil halligalli Unterricht macht und auf der weiterführenden Schule dies nicht mehr möglich ist, da die Klassen viel zu gross sind. Das Leistungsniveau reicht dann so weit auseinander, dass es sehr schwer ist, dieses anzugleichen. Zum Teil ist das auch unmöglich.


    Was sagte mir neulich eine Schweizerin: In der Schweiz hat man bemerkt, dass die Klassen zu gross sind, daher möchte man von durchschnittlich 20 deutlich kleinere Klassen machen....


    Da bin ich froh, dass ich einen Kurs mit 13 Schülern habe! Da kann man sehr schülerorientiert arbeiten! Und dann lernen die SuS auch sehr viel. Vorausgesetzt, die Eltern kommen zusätzlich ihren Pflichten auch nach.




    Wenn es so weiter geht, wird Costa Rica demnächst die Nobelpreisträger stellen, nicht mehr Deutschland, dem ehemaligen Land der Denker und Dichter

  • Zitat


    Schmiergeld bei Pisa - Schüler bekamen 50 Dollar


    Finanzieller Anreiz fürs Mitmachen: In den USA haben Schüler nach Informationen des SPIEGEL bis zu 50 Dollar erhalten, damit sie am Pisa-Test teilnahmen. Auch in Europa floss Schmiergeld - Wissenschaftler sind entsetzt.


    Quelle:
    http://www.spiegel.de/schulspi…sen/0,1518,520806,00.html


    Also erst sind die Test nicht vergleichbar, jetzt kommt heraus, dass Geld floss,...


    Für mich wird PISA immer unglaubwürdiger.


    Aber irgendjemand hier im Forum wird das sicher wieder anders sehen.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    • Offizieller Beitrag

    Nee, ganz ehrlich: Pisa war für mich noch nie so richtig glaubwürdig.
    Ich habe eine Verwandte in Finnland, die sich jedes Mal wundert, warum dieses Land an erster Stelle steht- ihre Söhne gehen auf eine öffentliche finnische Schule und da sind die Noten und die Bedingungen auch nicht extrem viel besser als in Deutschland- bei den privaten Schulen hingegen schon... ratet mal, wer überwiegend bei Pisa teilgenommen hat?
    Ich fürchte aber, es gibt keinen Test, in dem Mauscheleien, Schmiergeld, Mogeleien etc. vollkommen ausgeschlossen sind.
    Liebe Grüße
    Hermine

    • Offizieller Beitrag

    Pisa fand ich schon fragwürdig nach der ersten Erfahrung mit dem Testverfahren. Wieviel Mühe die Schüler sich in Deutschland wohl gegeben haben, wenn sie den Test bekommen mit dem Kommentar: "Wer fertig ist kann nach Hause gehen."


    Habt Ihr mal die Aufgaben gesehen? Im Seminar haben wir mal welche bearbeitet. Egal, was abgefragt wurde, es ging immer um Lesekompetenz. Die Texte aren dafür größtenteils aber eher auf Gym-Niveau, so dass es eigentlich nicht verwundern kann, wenn da sehr durchmischte Ergebnisse raus kommen.

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