Lesen lernen - wie kann ich vorgehen?

  • Ihr Lieben, ich benötige mal wieder Hilfe! 8o


    Es ist so: vor vier Wochen bin ich zum ersten Mal Erste-Klasse-Lehrerin geworden und eigentlich klappt alles auch gut. Die Anlauttabelle, die ersten drei Buchstaben und vier Ziffern sind eingeführt und auch sonst bin ich zufrieden.


    Aber: so langsam müssten wir auch mal mit dem Lesen anfangen! Das haben wir bislang (fast) gar nicht gemacht und ich weiß auch nicht, wie ich es anfangen soll. Wie erklärt man denn kleinen Kindern, wie Lesen funktioniert? Und wie fängt man an? Nimmt man einfach ein kurzes Wort mit den bisher eingeführen Buchstaben (bei uns: E, L, A), reiht die Buchstaben (langgezogen) aneinander und bittet die Kinder, das langgezogene Wort mal schneller auszusprechen, um zu hören, welches Wort es ist? Oder wie kann man da rangehen? ?(


    Dazu muss ich sagen, dass an meiner Schule traditionell ohne Fibel gearbeitet wird und ich mich demzufolge an keinem Lehrerhandbuch orientieren kann.


    Vielleicht könnt ihr mir ja helfen?! :danke:

  • Lerne mit den Kindern auf jeden Fall von Beginn an das Lesen in Silben. Ich hab zu jedem Buchstaben erst mal einfache Silben gelesen (sa-se-si-so-su) und dann immer mehr Wörter gelesen und in Silben zerlegt.

  • Wie schon erwähnt Silbenlesen, lustbetontes Lesen von kurzen Wörtern an der Tafel (Wer kann denn schon...?)..Auf- und abbauübungen, Gegenstände in der Klasse beschriften (Tür, Uhr, Sessel,..), Leseanreize bieten, vorlesen,so viele Wörter wie möglich an der Tafel zu sammeln, als Leseblätter zu haben, Namensschildchen auf den Heften und Tischen usw...


    Schwierig das zu erklären..aber nicht böse sein, eine allgemeine Frage hätte ich...lernt ihr das in der Ausbildung eigentlich nicht? Das ist keineswegs zynisch gemeint, sondern verwundert mich immer wieder, weil wir das in der Ausbildung Didaktik endlos durchgekaut haben, auch wenn das schon ewig her ist.


    Ansonsten kann ich dir nur raten, einfach Geduld zu haben, mit ein paar Buchstaben mehr klappen auch die ersten Leseversuche und das Zusammenlauten bei den Kleinen ist völlig normal und zieht sich bei vielen noch lange hin.

  • Nee, sowas kam bei mir in der Ausbildung nicht vor! Ich glaube, in Pädagogik hatten wir mal ein Seminar (= drei Stunden) zum Thema Anfangsunterricht. Da ging es um alles mögliche, Einschulung, Schreiben, Lesen, Rechnen, Bewegungsübungen, Musik, Regeln, Rituale, ... Für einen speziellen Bereich blieb da keine Zeit. Und da ich auch während der Ausbildung in der Schule nicht in der ersten Klasse eingesetzt wurde, weiß ich entsprechend wenig. X(


    Danke aber schon mal für Eure Antworten. Das mit dem Aufschreiben von Wörtern machen wir schon die ganze Zeit, aber das ist ja auch das Prinzip "Lesen durch Schreiben": die Kinder schreiben erstmal viel, aber lesen können sie es dann nicht. Deshalb brauchte ich jetzt auch Tipps von Euch hier im Forum.


    Wie kann ich denn konkret am Montag mal das mit dem Lesen üben? Wie gesagt, ich kann die Buchstaben E, L und A verwenden (oder kann ich auch alle anderen schon nehmen, weil die Kids ja die Anlauttabelle kennen?). Dann schreibe ich zum Beispiel L an die Tafel und die Kinder lesen es mir vor. Dann hänge ich ein E dran, sodass da LE steht. Die Kinder lesen es vor (wenn sie denn verstehen, was ich mit "lesen" meine) und dann hänge ich auch noch das A dran. Kann ich das so machen???????

  • Hallo, Patti,


    ich würde jetzt nicht ad hoc diesen und jenen Tipp umsetzen, sondern mich erst einmal umfassend in die Materie einarbeiten, notfalls bis zu den Herbstferien.


    Ich würde an deiner Stelle erst einmal mit Lesen durch Schreiben weitermachen und mir umgehend das Lehrerhandbuch zu einer Fibel besorgen, die nicht allzu offen vorgeht. Mir fallen dazu im Moment die "Leseschule" und vor allem die Materialien zur Tobi-Fibel ein. Die Tobi-Fibel hat nach meiner Erinnerung auch ziemlich zu anfang E L A sowie die Fibelfigur Ela, dann gibt es ihren Bruder Alo, den Raben Leo, den Hund Ole. Im Handbuch, im Arbeitsheft und auf der CD-ROM findest du Übungen. Das Prüfpaket ist sehr erschwinglich.


    Wusstest du in den Sommerferien noch gar nicht, was dich erwartet?


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

  • Hallo patti,


    ich würde Dir auch raten, Dir EIN Lehrerhandbuch anzuschaffen (schau mal bei Euch in der Schule, gibts da gar keine Lehrerhandbücher? die werden von den Verlagen manchmal ja auch kostenlos verschickt) und das mal durchzuackern. Tobi kann ich Dir auch nur empfehlen, oder auch so etwas Neues wie z.B. "Tinto". Ich glaube, davon gibts auch günstige Probeexemplare.


    LG!

  • @all: danke für die Antworten.


    Bablin: Doch, das wusste ich seit kurz vor den Ferien. Und ich habe auch ca. 4 Wochen der Sommerferien ausschließlich an den Vorbereitungen gesessen. Aber das war so viel und ich habe mich auch lange mit "Kleinigkeiten" beschäftigt (z.B. brauche ich ein Hausi-Heft, welche Freiarbeitsmaterialien benötige ich, Kaufen und Selbst-Herstellen von Material, Lesen von allgemeinen Büchern zur Klassenleitung, zu Elterngesprächen, zum Anfangsunterricht und zu den mir fachfremden Fächern wie Mathe und Sachunterricht), dass ich am Ende ganz schön knapp dran war und ich mich nicht mehr intensiv mit dem ja eigentlich Wichtigsten, den Lehrgängen im Lesen, beschäftigen konnte. Das Schreibenlernen hingegen funktioniert gut.


    Bis zu den Herbstferien (hier in NS noch drei Wochen) mag ich nicht warten. Meint ihr wirklich, dass ich mich erst gründlich einlesen muss, ehe ich anfangen kann? Gibt es nicht "Übungen" (z.B. wie weiter oben von mir beschrieben), die immer am Anfang gemacht werden (können)? Ich möchte natürlich auf keinen Fall etwas falsch machen, dann warte ich lieber und lese verschiedene Lehrerhandbücher (von denen ich einige hier habe, aber die sind alle nicht so wirklich offen (Fara und Fu z.B.).

  • Hallo Patti,


    also in deiner Haut will ich echt nicht stecken. Ich kann ja nur erahnen, wie man sich ohne Plan zum Lesen fühlen muss und ich finde es mutig, dass du lieber Hilfe suchst und dich outest anstatt dein Ding durchzuziehen. Da ich mich eh grade intensiv mit dem Thema beschäftige, würde ich dir mal (leider bisher nur theoretische) Tipps geben.


    Pauschal kann man garnicht sagen : "So lehrt man Lesen und Schreiben".
    Es gibt verschiedene Leselehrmethoden. Die analytisch-sythetische, die methodenintegrierte, die Lesen durch Schreiben oder die Wort-Welt-Wir-Methode. Einige Methoden vermischen sich auch bzw. werden vom Lehrer vermischt.Ihr scheint doch eher sehr frei zu arbeiten, was es für Dich ja noch schwerer macht und wir dir kaum konkrete Tipps geben können. Ich würde dir Grundsatzliteratur mit Praxistipps dringend empfehlen, damit du so schnell wie möglich loslegen kannst:


    So läuft Ihr Deutschunterricht von Prögel Praxis 214
    Lesen macht Spaß Prögel Praxis 155
    Die beiden habe ich selber und fand sie sehr hilfreich!! Der Rest ist leider nicht mehr so aktuell und vielleicht nicht so schnell zugänglich!!
    Blumenstock, L: Handbuch Leseübungen
    Bönsch, M: Üben - Teil des vollständigen Leselernprozesses. In : GSU 4/92
    Heckel, B: Das Üben üben. In: GSU 4/92
    Menzel, W.: Leseübungen für die Grundschule
    Scholze, I.: Fördern nach intergrativem Therapiekonzept. In: GSU 4/92
    Sonnenburg, P.: Lesen - immer wieder anders
    Werner, M.: Lesefertigkeitsübungen. In: PW 12/97
    Tacke, G: Leseförderung in der Schule und zu Hause. In: GS 12/01
    Reichen, J.: Lesen durch Schreiben. Informationen für Lehrer
    Schönfeld, H.: Didaktik des Erstlesunterrichts. In: Grundschule 7-8/97
    Schenk, Ch.: Lesen und Schreiben lernen


    Wenn du Interesse hast, kann ich dir noch mein Hausarbeit zum Thema (mit Praxistipps) und alles zum Thema auf meinem Rechner zuschicken. Meld dich einfach mal bei mir.


    Ciau Elli

  • Mach dir erst mal keine Gedanken, du hast noch nichts verpasst. Wir haben Anfang August mit der Schule angefangen und ich habe auch noch (fast) keine Leseübungen gemacht. Ichhabe aus einem alten Threat kopiert, was ich geschrieben habe, wenn du lesen in die Suchfunktion eingibst, findest du viele Tipps. Nicht nur du, machst dir Gedanken, wie es weitergehen soll.


    Ich bin zwar nicht einer Meinung mit Reichen, d.h. ich glaube, dass es Übungen gibt, die den Kindern erleichtern, die Synthese zu verstehen. Aber ein Training würde ich erst anfangen, wenn die Synthese verstanden ist. Ergo brauchst du erst einige eingeführte Buchstaben, damit du dann das Lesen anbahnen kannst.
    Ich selbst kann mich noch sehr gut an meinen eigenen, mittlerweile 30 Jahre zurückliegenden ersten Schultag erinnern, wo die Lehrerin ein Bild mit einer Rutsche dabei hatte. Unten saß ein E, oben rutschte ein L los und traf auf das E, was zu le führte. Ich verstand nicht, wie das gehen sollte, viele Kinder aber sofort, was für mich zu einem leicht mulmigen Gefühl führte.


    Ich starte Leseübungen also erst dann, wenn schon mehrere Buchstaben eingeführt wurden (meist l, i, n, o m, a, p, s, t). Dann kann man aus den Buchstaben einige Wörter bilden. Es gibt aber gute Vorübungen. Wenn du z.B. zwar nur sekundär einen Buchstabenbogen eingeführt hast, kannst du Wörter mit den Bildern verschlüsseln und entschlüsseln lassen, das fördert immanent eine Lesetechnik (z.B. lasse ich die NAmen der einzelnen Kinder aufkleben mit den Bildern, darunter gibt es eine Zeile, in die die Kinder dann wieder die Buchstaben eintragen können und mit den Namensschildern vergleichen können (das ganze wird halt laminiert). Erstaunlicherweise können viele Kinder mit Hilfe der Bilder lesen.
    Auch die Einführung von Lautgebärden hilft beim Lesen, ein Richtung geistigbehindertes Kind lernte so Lesen, weil es erst spät zu den Buchstaben kam. Es konnte mit Gebärden dargestellte Wörter lesen.
    Für einige Kinder ist Silbenfangen oder eben auch die Rutsche eine Hilfe. Man kann auch Wörter hüpfen (Buchstaben liegen auf dem Boden).
    Ganz schweren Fällen hilft dann das Training von Silben zum Lesen (ist zwar auch bei einigen verpönt, habe aber gute Erfahrungen damit gemacht (kommt aus der Legasthenietherapie). Kinder lesen schneller, wenn sie häufig vorkommene Silben geübt haben.


    Ich halte überhaupt nichts vom Fibellesen, sondern setze die Fibel erst dann ein, wenn die Kinder die Synthese verstanden haben. Sonst ist es auswendig lernen und Kinder, deren Eltern trainiieren haben Vorteile, während andere sehr versagen.
    Im Praktikum während des Studiums fiel mir ein Kind auf (starker Legastheniker), der sich bei Fibel so durchmogelte, dass die Lehrerin meinte, er könne lesen. Denn was bleibt? Lautes Vorlesen, Lesen im Chor und da kann man sich gut verstecken. Im Arbeitsheft gab es dann Übungen zum sinnverstehenden Lesen (2 Streifen mussten verbunden werden). Dies machte das Kind richtig, indem es einfach die Endstücke verglich.



    Ab Dezember setze ich ein Lesetraining ein, das meine Fachleiter zerrissen hätten, mit dem ich aber gute Erfolge erziele. DAs Lesekonditionstraining von Fröhler - gib mal bei google ein, dann findest du eine Kartei beim Verlag an der ruhr??? oder unter http://www.froehler.at das Material. Dabei wird das Verbinden versch. Buchstabengruppen und das Erlesen häufig vorkommender Wörter recht sinnentleert geübt, Aber man lernt so schneller zu lesenund gerade schwachen Kindern kommt der Ansatz entgegen. Allerdings muss das nicht jeder durchlaufen, ich treffe individuelle Absprachen. #


    Das Buch von Fröhler zum Schriftspracherwerb und lesen finde ich sehr interesssant, dort werden viele Übungen zum Lesen dargestellt, vor allem, weil er einen Ansatz verfolgt, indem er zuerst mit dem Lesen anfängt. Ist bei uns ja nicht gestattet, doch kann vieles übertragen.


    Vom Lesen durch Schreibne in Reinform kann ich nur abraten, denn ich habe in der Ausbildung erlebt, wie nur 5 von 28 Kinder lesen konnten - es war ein schwaches Gebiet, wo die Eltern sich nicht eingemischt haben.


    flip

  • @ ellipirelli und elefantenflip: danke für Eure ermutigenden Antworten. Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen, weil ich mir solche Sorgen gemacht hatte, dass ich alles falsch mache... Nun bin ich etwas beruhigter und habe eine Ahnung, wo ich ansetzen könnte. Es erleichtert mich auch, dass Du, elefantenflip, auch noch nicht so richtig mit Leseübungen begonnen hast (das Argument mit den Buchstaben, die man dafür ja kennen muss, leuchtet mir ein), obwohl Deine Ersties schon vier Wochen länger in der Schule sind als meine. Ich werde jetzt erstmal viel selber lesen, ehe ich mit den Kids so richtig loslege.!


    @ ellipirelli: danke für Dein Angebot. Ich schicke Dir eine PN!

  • Ich habe das zwar bisher noch nicht so gemacht - nach dem Konferenzbeschluss bin ich noch nicht wieder in die Gelegenheit gekommen - wir haben aber an unser Schule aufgrund der guten Erfahrungen anderer Förderschul- und vor allem der Integrationslehrkräfte den Beschluss gefaqsst, einen Vorkurs mit allen Vokalen durchzuführen und erst dann (klingende) Konsonanten dazuzunehmen (M F L ...) .


    Wichtig und richtig sind schon jetzt regelmäßige Hörübungen (Apfel - Affe Ofen; welches Wort fängt so an wie das erste?), am Besten als Sortierübungen mit Bildkärtchen (siehe Material Sommer-Stumpenhorst, Ute Andresen oder Hörhausen). Ich übernahm jetzt eine (Förderschul-) Klasse, in der die Kinder zwar alle 3 Fibelteile "durch" haben, aber 2 Kinder die folgende Aufgabe nicht bewältigten: Lu - Limo, Laster, Lupe - welches Wort fängt mit Lu an?


    Solche Hörübungen sind unabdingbar fürs Lesen- und Schreibenlernen! Einigen Kindern machen sie gar keine Probleme, für andere sind sie sehr schwer. Auf die Letztgenannten musst du achten.


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

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