Was tun nach abgeschlossenem Germanistikstudium?

  • Hallo!


    Interessiert mich zwar nicht für mich persönlich (bin ja jetzt im Referendariat), würde aber trotzdem gerne wissen, für welche Jobs man sich mit einem abgeschlossenem Germanistikstudium (Prüfungsnoten durch die Bank weg 1) und einer absoluten Liebe zu (klassischer) Literatur sowie einer exzellenten Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift bewerben kann!?
    Mir fällt außer Lektor oder Redakteur bei einer Zeitung nicht viel ein.


    Die Sache ist auch die, daß derjenige sich mit seinen Fähigkeiten nicht "unter Wert" verkaufen sollte. Für einige Jobs bei der Zeitung hätte man nicht dieses (hervorragende) Studium gebraucht... Ich hoffe, Ihr versteht, was ich meine. ;)


    Wenn Ihr auch noch konkrete Ideen hätten, WO man sich bewerben kann, als her damit. :)


    LG von einer seit Beginn des Referendariats nur noch müden
    Quesera

    • Offizieller Beitrag

    Die besagte Person sollte definitiv NICHT Lehrer werden. Da würde sie nämlich nicht glücklich.


    Gruß
    Bolzbold

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Ach ja, das hatte ich vergessen zu erwähnen. Lehrer kommt tatsächlich absolut nicht in Frage (hatte auf Lehramt angefangen, hat aber nach dem ersten Praktium auf Magister gewechselt). War wohl ein Horrorerlebnis. Kann das zwar nach wie vor nicht verstehen, denn ein Talent zum Vermitteln und Erklären hat er auf alle Fälle, war auch "erfolgreicher" Nachhilfelehrer, aber ok...man muß nicht alles verstehen ;) ).

  • Hm, Bewerbung um ein DAAD- Lektorat im Ausland ( ist zwar auch irgendwie ein Lehrer, aber man arbeitet mit Studenten. Nebenbei promovieren. Oder: zuerst promovieren, dann um eine DAAD- Dozentur bewerben. Ansonsten hängt es natürlich sehr von seinen Fähigkeiten ab: Theater vielleicht? Werbung?

  • Hi Isabella!


    Danke für die Idee. Allerdings kommt Ausland wohl nicht in Frage, da er hier sehr verwurzelt ist.


    Etwas präziser vielleicht noch: er ist mit Leib und Seele Literaturwissenschaftler (neuere deutsche).


    LG,
    Quesera

  • Neue Berufsperspektiven und Tätigkeitsbereiche als die genannten kann ich auch nicht anführen. Vielleicht ist eine Weiterbeschäftigung im Universitätsbetrieb als wissenschaftlicher Mitarbeiter eine Perspektive?


    Ansonsten, denke ich, wird er viel Geduld aufbringen müssen im Bewerbungsmarathon im Nischenbereich, in dem Germanisten und andere Sprach- und Literaturwissenschaftler arbeiten. Viele meiner Freunde haben in dem Bereich lange und vergeblich gesucht, auch mit den von dir geschilderten Voraussetzungen. Im Moment ist die Stellenlage auch in diesem Sektor hart umkämpft. Vitamin B hilft wirklich sehr oft.
    Vielleicht etwas unter erstrebten Bereich, aber vielleicht ist Buchhändler noch eine Möglichkeit? Mir hat meine Ausbildung und Arbeit in dieser Branche sehr viel Freude bereitet.


    Gruß,
    Schrumpeldei

  • Zitat

    Quesera schrieb am 08.02.2006 20:51:
    Danke für die Idee. Allerdings kommt Ausland wohl nicht in Frage, da er hier sehr verwurzelt ist.


    Etwas präziser vielleicht noch: er ist mit Leib und Seele Literaturwissenschaftler (neuere deutsche).


    Tja - was soll ich sagen. Bei der Ausgangslage würde sich eine Karriere als Möbelpacker, Lagerbestücker oder als ALG II Empfänger anbieten, so traurig es sich anhört. Als ich in der Situation war, habe ich den Möbelpacker gewählt. ;) Es ist nun einmal so, dass der materielle Nutzen von Literaturwissenschaftlern für die Gesellschaft doch eher begrenzt ist und wir gleichzeitig in einer Zeit Leben, in der die Geisteswissenschaften radikal abgewickelt werden.


    M. E. gibt es exakt zwei Möglichkeiten. Erstens die wissenschaftliche Karriere - aber wenn das Examen schon in der Tasche und die Kontakte noch nicht geknüpft sind, dann ist dafür höchstwahrscheinlich zu spät.


    Zweitens berufliche Umorientierung. Literatur kann auch ein sehr schönes Hobby sein.


    Nele

  • Hmm, tja, hört sich nicht einfach an... Schade, daß es anscheinend so wenig Verwendung für eine solche Kapazität gibt ...

  • würdet ihr also sagen, das Studium ist für den A....? Bin in einer ähnlichen Lage. Bei Anglistik sieht es wahrscheinlich auch nicht rosiger aus, oder? Ich gehöre auch zu den Leuten, die es bereuen, das studiert zu haben :( Interessant wären hier Erfahrungsberichte von Germanisten, wo und wie sie untergekommen sind.Aber da das ein Lehrerforum ist, werden hier nur wenige mit solchen Erfahrungen mitlesen.....


    Gute Nacht! (kann man hier doppelt verstehen ;) )
    Anna


    PS: Nele, du warst als Frau Möbelpackerin? Respekt.... :)

  • Vielleicht ist Nele ja auch ein Mann! Werden wir es je erfahren ;) ?
    Habe auch Deutsch studiert und kann sagen: Es ist nicht für den A..., wie du schreibst. Man muss eben nur erfinderisch sein. Allerdings habe ich auch keinen Einserabschluss wie der Kollege, von dem oben die Rede ist. Der wird sicher an der Uni was finden. Ich geh auch demnächst mal zum BiZ und erkundige mich, denn mein 2. SE ist notenmäßig nicht so der Hit ....


    LG Jenny

  • Zitat

    Jenny Green schrieb am 10.02.2006 01:19:
    Vielleicht ist Nele ja auch ein Mann! Werden wir es je erfahren ;) ?


    Kann man mit der Suchfunktion und dem Profil auch herausfinden. :)


    Zitat

    Habe auch Deutsch studiert und kann sagen: Es ist nicht für den A..., wie du schreibst. Man muss eben nur erfinderisch sein. Allerdings habe ich auch keinen Einserabschluss wie der Kollege, von dem oben die Rede ist. Der wird sicher an der Uni was finden.


    Liebe Leute, gebt bitte nicht solche weltfremden Ratschläge! 8o An der Uni findet man nicht irgendwie sicher was - vor allem nicht in den Jedermanngeisteswissenschaften. Der Zug ist seit den 70er Jahren abgefahren.


    An der Uni gibt es nur eine Form literaturwissenschaftlicher Daueranstellung und das ist eine Professur. Wie viele Professuren gibt es und wie viele Germanisten stehen denen gegenüber? Klar, ein Promotionsstipendium oder irgendwelche Drittmittel lassen sich wohl noch an Land ziehen - eventuell sogar eine dieser fantastischen geviertelten Assistentenstellen. Vier bis fünf Jahre gehen ins Land. Und dann? Tja, Habilitation. Auch Mittel für eine Habil lassen sich an Land ziehen. Noch mal 5 Jahre drauf. Und dann? Dann gilt Professur oder ALG II :) Abgebrochene Habilitanden und Privatdozenten jenseits der Armutsgrenze sehe ich, seit es Seiteneinsteiger gibt, ziemlich häufig als Berufsanfänger an der Schule. Nur sind die über 40 und haben noch nicht viel Geld verdient.


    Wenn man auf eine Professur zielt, braucht man drei Dinge - Connections, Glück und eine ellenlange Publikationsliste. (d.h. man muss sich wirklich den Arsch abarbeiten.) Lehrstuhlbesetzungen sind bei den Geisteswissenschaftlern zunächst einmal hochschulpolitische Verhandlungen und erfolgen erst in zweiter Linie anhand fachwissenschaftlicher Überlegungen. Eine Freundin vor mir, die vor zwei Jahren in Mainz eine C4-Professur angetreten ist, ist da ein typisches Beispiel: zwei verfeindete Fraktionen im Institut, die einen wollten einen Kandidaten hausberufen, die anderen auf gar keinen Fall. In diesem Fall war besagte Freundin als passender Kompromiss zur richtigen Zeit am richtigen Ort.


    Ich kann's nur wiederholen - wenn man nicht schon vor dem Examen einen Fuß drin hat im System, sollte man die Uni so schnell wie möglich verlassen und sich umorientieren!


    Abgesehen davon - man muss seinen Lebenslauf ja auch so gestalten, dass er für einen eventuellen Personalchef interessant ist. Ein entfernter Bekannter, der im mittleren Bankmanagment tätig ist, hat gesagt, er würde nur ungerne promovierten Mathematiker einstellen, da der Doktor eine Vermeidungsstrategie gegen den Sprung ins Arbeitsleben sei. Das kann man so oder so sehen, aber von anderen Tätigkeiten flankiert sollte eine Promotion schon sein - der Lebenslauf muss ja für den Arbeitgeber interessanter sein als der anderer Bewerber. Und wenn sich dann Inflexibilität darin zeigt, dass ein Bewerber in Deutschland bleiben will, weil er da verwurzelt sei, und das Literaturwissenschaft überhaupt das einzig interessante ist (ich übertreibe!), dann könnte es problematisch werden...


    Gute Examensnoten und auch großes Literaturwissenschaftliches Wissen sind kein Indikator für allgemeine Kompetenz. Wie soll ich sagen - sorry - aber die Literaturwissenschaft ist keine besonders anforderungsvolle Wissenschaft. Das breite Wissen, dass man braucht ist bloße Fleisssache; ohne die gewisse Sprachsensibilität, das angemessene Abstraktionsvermögen und logisch-kognitive Fähigkeiten, die man braucht, sollte man ohnehin kein Studium beginnen; und der literaturtheoretische Bau, dem man so begegnet ist intellektuell, nunja, auch nicht gerade herausfordernd. Bei Lacan beginnt es interessant zu werden, aber wer macht das schon... Also, warum sollte man im "real life" ableiten, dass die Literaturwissenschaft aus intrinsischen Gründen zu großer Kapazität verhilft?


    Den Lehrerberuf empfinde ich als sehr viel komplexer und herausfordernder, als die geisteswissenschaftliche Arbeit. Jetzt muss ich über viel differenziertere vernetzte Wissensbereiche verfügen und sehr viel komplexere abgewogene Entscheidungen treffen - macht auch mehr Spaß. In die Literaturwissenschaft zurück? Fände ich zu langweilig...


    Zitat

    Ich geh auch demnächst mal zum BiZ und erkundige mich, denn mein 2. SE ist notenmäßig nicht so der Hit ....


    Viel Glück!


    Nele

    Einmal editiert, zuletzt von philosophus ()

  • Dass es so schwierig ist, an der Uni Fuß zu fassen, das wusste ich in der Tat nicht. Wahrscheinlich daher, weil das für mich nie eine Option war. Es stimmt, mit dem Studium alleine können wir wenig reißen, da hast du Recht. Jobs, Praktika sind hier interessant, und besonders wichtig ist die vielbeschworenene Flexibilität. Hab es leider auch schon oft gehört, dass Leute den Doktor machen mit viel Herzblut und Arbeit, und später erfahren, dass sie "überqualifiziert" sind. Hab keinen Doktor und muss mir das vielleicht auch bald anhören. "Überqualifiziert" - Unwort des Jahres.... X(


    Ich hoffe, das "Viel Glück" ist nicht ironisch gemeint! :D


    LG Jenny

  • Hallo,


    ich kann mich Neles Darstellung der Karrierestruktur an Universitäten nur anschließen - wenn auch den sonstigen Bewertungen des Litwiss-Studiums nicht, vor allem nicht in Abgrenzung zu anderen Studienfächern. Der Vorwurf, dass das Studium "nicht besonders anspruchsvoll" sei etc. ist übrigens der klassische Anti-Lehrer-Vorwurf: Was Lehrer können müssen, kann jeder, zumindest jeder Akademiker. Klar kann man hier im Forum dann 30 toll klingende Sachen aufzählen, die man DOCH können muss - aber glauben wird es außerhalb der Schule niemand ;) .


    Aber zum Thema: Wer mit "Leib und Seele" Literaturwissenschatler ist, kann nur promovieren. Wie Nele ja beschreibt, ist das aber keine Garantie für gar nichts. Die Karierrestruktur deutscher Universitäten ist eine genial ausgetüftelte Betrugsstruktur - es werden am Anfang Perspektiven vorgetäuscht, die am Ende nicht existieren. Im Übrigen werden schon heute erhebliche Teile der Arbeit an Universitäten (vor allem) in den Geisteswissenschaften mit UNBEZAHLTEM Personal bestritten. Kein Wunder, wenn 10% des Personals 25% der Studenten betreuen (auf diese Weise habens die Vertreter jener Fächer bequem, wo die WICHTIGEN Arbeiten gemacht werden...)


    Wenn die Person so unflexibel ist, wie es scheint, sehe ich auch nur ALG II als Alternative. Ich kann aber nicht wirklich verstehen, wie man so sein kann, v. a., wenn man schon Praktika etc. gemacht hat... Normalerweise wirkt das Leben ja flexibilisierend :D .


    Nette Grüße
    Unter uns

  • Unbezahltes Personal???? Wovon leben die dann? Sind das alles Leute, die von den Eltern gesponsert werden???
    Auch wenn man ALG II bezieht, wird man zur Flexibilität gebracht. So oder so ;)

  • Zitat

    Unbezahltes Personal???? Wovon leben die dann?


    Eltern
    Ersparnisse
    Andere Jobs
    ALG II
    Stipendien (die eigentlich nicht dafür gedacht sind, Alltagsarbeit an den Unis zu machen, für die die Planstellen fehlen)...


    "Unbezahlt" ist vielleicht ein bisschen übertrieben. In vielen Fällen könnte man auch sagen, gering bezahlt (und das heißt dann: gering ;) ).

  • Zitat

    An der Uni gibt es nur eine Form literaturwissenschaftlicher Daueranstellung und das ist eine Professur. Wie viele Professuren gibt es und wie viele Germanisten stehen denen gegenüber? Klar, ein Promotionsstipendium oder irgendwelche Drittmittel lassen sich wohl noch an Land ziehen - eventuell sogar eine dieser fantastischen geviertelten Assistentenstellen. Vier bis fünf Jahre gehen ins Land. Und dann? Tja, Habilitation. Auch Mittel für eine Habil lassen sich an Land ziehen. Noch mal 5 Jahre drauf. Und dann? Dann gilt Professur oder ALG II


    Gut beschrieben und gilt nicht nur für Literaturwissenschaftler, sondern auch bei anderen Geistes- und Gesellschaftswissenschaften.
    Mein Liebster hält sich zur Zeit mit Vertretungsprofessuren (semesterweise) und einem (zu Glück Pausen erlaubenden) Job außerhalb des Wissenschaftsbetriebes über Wasser. 'Lustig' ist auch die Karavane von PDs, die von Probevorlesung zu Probevorlesung zieht - öfters die selben Gesichter und für jeden, der es auf eine feste Stelle schafft, kommen zwei nach, nur die Stellen werden nicht mehr.
    Das (Mitarbeiterprekarisierung und Habilitantenüberschuss) hat meinen Entschluss, ganz in die Schule zu gehen, sehr bestärkt, sogern ich auch wissenschaftlich gearbeitet hätte.


    Zitat

    Unbezahltes Personal???? Wovon leben die dann? Sind das alles Leute, die von den Eltern gesponsert werden???


    Nö, funktioniert auch mit extremer Askese - und für gar nicht zu vermeidende Ausgaben geht man nebenbei arbeiten oder ist mit einer Lehrerin liiert.


    carla, der beim Thema Wissenschaftspolitik noch immer die Galle hochkommt.

    Nehmen Sie die Menschen so wie sie sind.
    Es gibt keine anderen

    Einmal editiert, zuletzt von carla ()

  • Auch wenn ich nach der Beschreibung der Person Bolzbold zustimmen würde, dass der Beruf des Lehrers vielleicht keine gute Alternative wäre - in BAWü gibt es wohl die Möglichkeit, als Magister in den Berufsschuldienst einzusteigen http://www.km-bw.de/servlet/PB…/menu/1154604/index.html.
    Mein erstes Praktikum war auch ein Horrorerlebnis für mich. Null Betreuung, keine Ahnung, ... Trotzdem bin ich heute sehr froh, dass ich nach diesem ersten Schülerkontakt die Flinte nicht ins Korn geworfen habe.
    Und flexibel bin ich mittlerweile durch das Ref auch (ziehe nächste Woche jetzt schon zum dritten Mal wegen des Refs um).


    Liebe Grüße von ginger

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