Anti-Burnout, Reduktion der Arbeitsbelastung, Selbstschutz ... und mehr.

    • Offizieller Beitrag

    Distanzunterricht: Völlig neue Aufgaben, in die man sich überwiegend selbst reinarbeiten musste. Keine Routine, alles neu, kaum Unterstützung von Arbeitgeber, ständig neue Software, Datenschutzbeauftragte, Lehrerbashing. --> Gehirn stärker gefordert.

    Zusatzaufgaben: Tests, Maskenpflicht hier und da oder auch nicht, Lernstandsanalysen, zusätzliche Lernstandsgespräche.

    Allgemeine Belastung durch pandemisch interessante Arbeitssituation.

    SuS, die unter Pandemie leiden / gelitten haben und dadurch zusätzliche Gespräche, Unterrichtsstörungen etc. pp.

  • Hallo an alle, ich bin neu hier, habe bisher nur mitgelesen, aber zur Frage, warum Lehrkräfte "gelitten" haben oder es immernoch tun, kann ich meine perönlichen 5 Cent geben:

    Ich habe in den letzten 3-4 Jahren immer 2 Klassenleitungen gehabt, beide Klassen in Jg 5-7. Beide Co-Klassenlehrerinnen sind in der Pandemie ausgefallen, zumindest was den Präsenzanteil anging (1x schanger, 1x Riskogruppe). Ich habe fast alles alleine gestemmt... In diesem Schuljahr habe ich nur eine Klasse, und es ist deutlich weniger Stress, Verantwortung, Termindruck, Emails etc zu spüren. Mein Co-KL ist ein Mann, beide Kinder schon groß, so dass mir auch die "Angst", ich könnte alleine da stehen, genommen wurde.


    Aber.....

    es fehlen bei uns am Gym in diesem Jahr / im Zeitraum bis zu den Herbstferien 6 Lehrkräfte, z.T. Vollzeit, verschiedene Fächer. Warum? Schwangerschaft und BV aber keine Vertretungsstellen erhalten (bzw. keine Bewerber, bzw. wenn Bewerber da waren, dauerte es bis zu 7 Wochen (!!) bis sie ihren Vertrag hatten), einige Vertretungstellen liefen leer, es gab also keine Bewerber und einige Kolleg:innen werden immer nur für 1-2 Wochen aber das immer wieder krank geschrieben. Ihr könnt Euch denken, wie wir das aufgefangen haben? Mehrarbeit für alle!


    Ich hatte in den letzten Wochen 2 Oberstufen-Lerngruppen mehr zur Vollzeitstelle, in einer weiteren Lerngruppe wurden die Fächer geändert, damit ein Hauptfach zumindest zu 50% stattfinden konnte: Englisch statt Sport in einer Stufe, die ich das letzte Mal vor 6 Jahren unterrichtet hatte. Die SuS sollten zudem bitte mit Aufgaben "á la Distanzunterricht" für die Stunden versorgt werden, die ich mangels weiterer Kapazitäten im Stundenplan nicht "in echt" halten konnte. Immerhin konnte ich die 43 Klausuren der beiden Kurse abgeben, sonst hätte ich diese auch noch extra gehabt (zzgl. zu den 62 Stk. die ich aktuell regulär korrigiere).



    Was andere schon geschrieben haben und wo ich mich anschließen kann: ich erhalte deutlich mehr Emails von Eltern und SuS, auch in den Ferien. Die lasse ich aktuell links liegen, aber die Erwartung, dass wir in den Ferien auch für Fragen wie "Muss ich die Vokabeln komplett abschreiben oder ohne die gelbe Box" zur Verfügung stehen, war früher nicht da. Immerhin hat die SL schon lange verstanden, dass in den Ferien Ruhe herrscht und schreibt keine Emails.


    Nun warten wir mal ab, was sich mit den Corona-Maßnahmen (Masken und Tests) und den gestiegenen Problemen der SuS (schulisch, persönlich/oft psychisch) ergibt und wann jemals wieder eine Art "Rückbesinnung auf das Wesentliche" stattfinden kann. Bis dahin sehe ich noch keine richtige Entlastung...


    Ihr habt vielleicht andere Erfahrungen / Situationen an der Schule, aber das ist es bei mir Wesentlichen...

  • Dass der Distanzunterricht aus diversen Gründen anstrengender war als der Präsenzunterricht wurde nicht (immer) gesehen

    Es gab hier im Forum eine Umfrage dazu. Wenn ich mich recht erinnere, fand etwa die Hälfte den Fernunterricht eben nicht anstrengender. Lehrpersonen neigen aber generell sehr dazu sich gegenseitig in die eine wie in die andere Richtung in den Rücken zu fallen. Nach dem Motto, wenn *ich* das anstrengend finde, müssen es auch alle anderen anstrengend finde und wenn *ich* das alles nicht so schlimm finde, dann ist es das auch nicht.

  • Guten Abend zusammen,


    ich bin Grundschullehrerin und gehe gerade auf dem Zahnfleisch, obwohl das Schuljahr gerade doch erst begonnen hat.

    Ich fühle mich seit Monaten total erschöpft und habe das Gefühl, meinem Job nicht mehr nachgehen zu können.

    Nun denke ich über eine länger andauernde Krankschreibung nach, da ich das Gefühl habe, dass ich einfach nicht mehr kann.

    Mein Hausarzt würde dies sicherlich unterstützen.

    Aber damit ist das Problem ja nicht behoben. Wie soll es dann weitergehen?

    Vielleicht hat in diesem Forum ja schon der ein oder andere Ähnliches erlebt und kann mir von seinen Erfahrungen berichten?

    Oder einfach etwas Tröstliches beisteuern?

    Ich bin ziemlich verzweifelt ...


    LG Viola

  • Krankschreibung mit anschließender Kur/Reha könnte dir guttun. Mir hatte es wieder Kraft für 10 Jahre gegeben. Momentan geht meine Motivation/Kraft aber auch ziemlich zurück. Ich versuche, mir im Alltag Auszeiten zu nehmen. Ein schöner Spaziergang, ein schöner Film/Serien bei Netflix :rotwerd:, ein Buch, das mich in andere Welten führt.

  • Liebe Viola,


    je länger du es herauszögerst, umso länger wird es dauern. Geh zum Arzt und danach lässt du dich wegen einer Kur oder auch Psychotherapie beraten und packst das an. Auszufallen ist nicht toll, aber das kannst du nicht ändern. Darum werden sich andere kümmern (müssen). Dein Job ist es, deine langfristige Arbeitsfähigkeit zu sichern. Wie du deinen Zustand beschreibst, ist es höchste Eisenbahn.

  • Liebe Viola,


    je länger du es herauszögerst, umso länger wird es dauern. Geh zum Arzt und danach lässt du dich wegen einer Kur oder auch Psychotherapie beraten und packst das an. Auszufallen ist nicht toll, aber das kannst du nicht ändern. Darum werden sich andere kümmern (müssen). Dein Job ist es, deine langfristige Arbeitsfähigkeit zu sichern. Wie du deinen Zustand beschreibst, ist es höchste Eisenbahn.

    Vielen Dank noch einmal für deine klaren Worte! Ich denke, dass ich den von dir beschriebenen Weg nun beschreiten werde. Ich bin momentan auf der Suche nach einer Akutklinik oder Rehaklinik, die insbesondere Therapiebausteine anbietet im Bereich "Burnout bei Lehrern". Bei meinen Internet-Recherchen bin ich aber nicht wirklich weitergekommen, da es unzählige Einrichtungen gibt. Mein Arzt unterstützt mich, kennt sich bei den Kliniken aber auch nicht so gut aus.

    Sollte hier in diesem Forum jemand eine Empfehlung aussprechen können (gerne auch als persönliche Nachricht), wäre ich sehr dankbar!

  • Vielen Dank noch einmal für deine klaren Worte! Ich denke, dass ich den von dir beschriebenen Weg nun beschreiten werde. Ich bin momentan auf der Suche nach einer Akutklinik oder Rehaklinik, die insbesondere Therapiebausteine anbietet im Bereich "Burnout bei Lehrern". Bei meinen Internet-Recherchen bin ich aber nicht wirklich weitergekommen, da es unzählige Einrichtungen gibt. Mein Arzt unterstützt mich, kennt sich bei den Kliniken aber auch nicht so gut aus.

    Sollte hier in diesem Forum jemand eine Empfehlung aussprechen können (gerne auch als persönliche Nachricht), wäre ich sehr dankbar!

    Such dir einfach eine psychosomatische Klinik heraus. Ich denke nicht, dass es relevant ist, dass die Klinik auf Lehrkräfte spezialisiert ist, sondern nur, dass sie Erfahrung in der Behandlung von Burnouts hat. Manchmal kann es ganz hilfreich sein, im Rahmen einer Reha die eigene Blase zu verlassen, um diese besser von außen sehen und kritisch hinterfragen zu können, gerade weil sonst niemand deine beruflichen Selbstverständlichkeiten als selbstverständlich erachten wird, sondern diese als erklärungsbedürftig ansehen wird. Das dürfte dir dabei helfen, dem, was dich krank macht auf den Grund zu gehen und gesündere Wege zu entwickeln.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

    Einmal editiert, zuletzt von CDL ()

  • Such dir einfach eine psychosomatische Klinik heraus. Ich denke nicht, es relevant ist, dass die Klinik auf Lehrkräfte spezialisiert ist, sondern nur, dass sie Erfahrung in der Behandlung von Burnouts hat.

    Eine Burnout-Klinik zu finden, die nicht voller Lehrer ist, wird aber eher schwierig. Ungeachtet dieser flapsig formulierten Erkenntnis schließe ich mich meiner Vorrednerin aber uneingeschränkt an.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Nein, SIE und "das System" sind nicht hinter mir her. Viele Dinge laufen in der Schule auf katastrophal dumme Weise schief, aber das hat historische und politische Gründe und liegt nicht zuletzt daran, dass jetzt - viel zu spät - endlich die seit Jahrzehnten notwendigen Reformen angegangen werden. Alle leiden, aber das ist normal in Umbruchszeiten. Geduld, die Dinge werden wieder besser werden.

    Die Liste von Neleabels ist nach wie vor einen Aushang wert. Trotzdem muss ich jetzt mal dran erinnern, dass Neleables des das vor über 15 Jahren zu Papier gebracht hat. Gerade bei diesem Punkt muss ich jedoch leider feststellen, dass wir 15 Jahre später immer noch in Umbruchzeiten leben und wir immer noch auf die notwendigen Reformen warten. Vielleicht sollten wir diesen Punkt in der Liste streichen und unseren Zweckoptimismus endlich in die Mülltonne treten und den politisch Verantwortlichen kräftigst in den Aller Wertesten :teufel:

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Also ich habe demnächst ein Treffen mit einem Chirugen (hoffentlich einem Routinier). Den werde ich mal fragen, was sie im Krankenhaus so als Aushänge zur Frage der Arbeitszeiten haben. Ich werde berichten.

    Das Leben ist schön, von einfach war nie die Rede.

  • Deswegen gehört der Mediziner Beruf auch zu denen mit den höchsten Suchtraten.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Also ich habe demnächst ein Treffen mit einem Chirugen (hoffentlich einem Routinier). Den werde ich mal fragen, was sie im Krankenhaus so als Aushänge zur Frage der Arbeitszeiten haben. Ich werde berichten.

    Fragwürdige Arbeitsüberlastung in einem Beruf rechtfertigen oder relativieren nicht fragwürdige Arbeitsüberlastungen in anderen Berufen. Nur weil Chirurgen überlastet sind, müssen es andere nicht auch hinnehmen - vielmehr besteht dann mehrfach Verbesserungsbedarf.

  • Man sprich hier auch von Whataboutism

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Also ich habe demnächst ein Treffen mit einem Chirugen (hoffentlich einem Routinier). Den werde ich mal fragen, was sie im Krankenhaus so als Aushänge zur Frage der Arbeitszeiten haben. Ich werde berichten.

    Ich hoffe für dich, dass der Routinier eine 48h-Schicht hinter sich hat, wenn er an dir rumschnippelt. Äh nicht, das hoffe ich natürlich nicht.

  • Also ich habe demnächst ein Treffen mit einem Chirugen (hoffentlich einem Routinier). Den werde ich mal fragen, was sie im Krankenhaus so als Aushänge zur Frage der Arbeitszeiten haben. Ich werde berichten.

    Frag ihn ruhig. Das Problem um die Arbeitszeiten in medizinischen Berufen beschäftigt den Marburger Bund ebenso, wie es die GEW und andere Lehrerverbände beschäftigt, wie viel wir Arbeiten. Ist auch okay so, dafür sind sie da.

    Und niemand profitiert von überarbeiteten Chirugen. Oder von überarbeiteten Lehrkräften.

  • Das Thema ist aktueller denn je.

    Es ist ja nicht nur die reine Arbeitszeit, sondern auch die derzeitigen Rahmenbedingungen. Bleiben wir gerne beim Chirurgen. Man stelle sich vor der gemeine Chirurg bekommt nun von seiner Klinikleitung gesagt, das es nicht genug spezialisierte Neurochirurgen gibt, er möge das doch bitte mit erledigen, dafür käme einmal im Monat der Neurichirurg aus der Nachbarstadt vorbei um ihn zu beraten und für die schwierigen Fälle schonmal einen OP Plan für den Kollegen zu schreiben. Während einer schweren OP kommt dann die Oberschwester rein und bittet sich doch auch noch um einen Notfallpatienten auf der sechs zu kümmern. Das kriegt er ja sicherlich hin. Ja , ach ja die Verwaltungskraft ist ausgefallen, wenn sie doch bitte nach ihrer OP noch die Monatsabrechnung vorbereiten, wir haben sonst niemand.

    Wenn Ihr schon den Chirurgen Vergleich nehmt, dann bitte richtig, damit sich auch der Chirurg besser in unsere Situation reinvesetzen kann.

    Danke

    😂

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • damit sich auch der Chirurg besser in unsere Situation reinvesetzen kann

    Vergiss es. Meine Erfahrung ist, dass Laien das nie hinbekommen, egal aus welcher Branche. Im Zweifelsfall heißt es dann, dass man das doch überhaupt nicht vergleichen könne. Und dann bekommst du noch kluge Tipps für deinen Unterricht, mit denen dann begründet wird, dass du ganz falsch an die Sache herangehst.

    Ich soll mich hier in meiner Klinik immer mal wieder dafür rechtfertigen, dass wir bei 40 Stunden Arbeitszeit nur 26 Stunden unterrichten. Mittlerweile frage ich dann immer zurück, warum unsere Therapeuten schon stöhnen, wenn sie 8 Patienten haben, und dass man doch bei 40 Stunden locker 38 Patienten betreuen könnte - 38 Stunden Einzeltherapie plus 2 Stunden Gruppentherapie. Antwort? Siehe oben.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

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