Online-Artikel: Blinde Frau möchte ins Referendariat

  • Vielleicht interessiert es manche von euch. Ich las im Internet von einer blinden Frau, die darum kämpft, ins Referendariat zugelassen zu werden.


    Urteil: Blinde Lehrerin darf in Bayern unterrichten


    [url=http://www.kobinet-nachrichten.org/cipp/kobinet/custom/pub/content,lang,1/oid,15571/ticket,g_a_s_t]Blinde Frau kämpft in Bayern um Referendariat[/url]


    Der erste Leserbrief ist ein sehr typisches Beispiel für Vorurteile, hier argumentiert jemand, der keine Erfahrung mit blinden Menschen hat, und statt dass der Frau zugestanden wird, selbst Lösungen zu entwickeln, wird es ihr von vornherein verwehrt. Das ist Bevormundung.


    Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass einige oder viele von euch ähnlich denken.


    Ich hoffe, sie hat mehr Glück als ich (wer mich nicht kennt, kann dort ein bisschen was über mich erfahren). Mir geht es übrigens relativ gut, aber Arbeit finde ich immer noch keine. :(

  • Ich denke, blinde Menschen werden oft unterschätzt. Während meines Studiums habe ich lange Zeit in einem Studientenwohnheim gewohnt und auf meinem Flur wohnte auch ein blinder Jurastudent. Wir haben uns gut verstanden und ab und zu etwas gemeinsam unternommen. Anfangs war ich erstaunt, was er alles alleine kann und wie selbstständig er ist. Das hätte ich vorher nie von einem Blinden erwartet. Er ist sogar für ein Jahr allein nach Finnland gegangen um dort zu studieren. Das hat er auch prima gemeistert.


    Ich denke, man sollte der Dame wenigstens die Chance geben, ihr Referendariat zu machen. Warum sollte es nicht klappen? Klar gibt es bestimmt einige Probleme aber viele davon wird sie wahrscheinlich lösen können. Was hat das Land Bayern zu verlieren? Wenn es überhaupt nicht klappt muss sie halt einsehen, das es nicht geht aber warum will man ihr von Anfang an die Chance verbauen, das Referendariat erfolgreich zu meistern wenn doch zumindest eine Chance dafür besteht?

  • Auf die Frage, wie sie Schulaufgaben etc. korrigieren wolle, meinte die blinde Frau, dass ein Assistent alle Schulaufgaben/Proben 1:1 in ihren speziellen Computer eintippen müsste - sorry, aber da kann sie der Assistehnt doch gleich selbst korrigieren, oder? Und manchmal kann man eine Zahl/einen Buchstaben nicht eindeutig entziffern - soll das dann der Assistent entscheiden, was man da macht?


    Bei Schulaufgaben/Proben (weiß die Schulart leider nicht mehr, an der die Frau ihr Referendariat machen möchte) soll dann eine andere Lehrkraft mit Aufsicht führen, damit die Schüler nicht spicken - ja, wo soll die andere Lehrkraft denn herkommen? Es steht ja nicht einfach mal so immer eine auf dem Flur rum, ne?


    Ich denke, das ist keine so gute Idee...

  • Es gibt bestimmt Grenzen, aber ich bin der Ansicht, dass das Referendariat dazu da ist, die Grenzen selbst zu entdecken und dafür Lösungen zu entwickeln. Es ist auch so, dass diese Frau nicht die erste blinde Lehrerin wäre, in anderen Bundesländern scheint das Normalität zu sein, nur in Bayern nicht (siehe Leserbrief von der jungen Frau beim zweiten Link).


    Gudsek, behinderte Menschen haben Anspruch auf eine Assistenz, also eine Person, die dabei ist und dann einspringt, wo wegen der Behinderung Grenzen gesetzt sind. Die Assistentin darf keine zweite Lehrerin sein, sondern nur dort eingesetzt werden, wo die behinderte Person Hilfe braucht. Art und Ausmaß der Unterstützung muss vorher genau abgeklärt werden.


    Wie gesagt, Grenzen gibt es sicher, aber warum nicht wenigstens versuchen lassen? Zumal die junge Frau nicht die erste blinde Lehrerin wäre!


    Ich habe nur 1. Staatsexamen und spüre, dass ich damit für sehr viele Arbeitgeber wertlos bin, dieses Studium wird als unvollständig betrachtet. Zu meinem großen Glück habe ich noch den Magisterabschluss, aber weil ich behindert bin, fallen für mich sehr viele Berufe weg. Arbeitgeber möchten auch meist keinen behinderten Menschen einstellen, und wenn es heißt "Behinderte bevorzugt", gelte ich als zu schwer behindert.


    Dieser blinden Frau geht es erst mal nur ums Referendariat und um das zweite Examen. Was dann ist, möchte sie nach Ablauf der zwei Jahre entscheiden. Wieso lässt man sie ewig studieren und dann verwehrt man ihr das Referendariat?


    Ich bin selbst behindert und kenne es sehr gut, dass man mich WEIT unterschätzt. Hätte meine Mutter sich auf sogenannte Fachleute verlassen, hätte ich eine Sonderschullaufbahn durchlaufen und niemals studiert. Da meine Mutter aber besser als Fachleute beurteilen konnte, wo meine Grenzen und Kompetenzen waren, boxte sie mich in die Regelschule und siehe da - man entdeckte, dass ich die Anforderungen der Schule gut erfüllen konnte!


    Ich finde es sehr verständlich, wenn kritische Stimmen und Bedenken geäußert werden, doch genau die sind es, die behinderte Referendaren einem wahnsinnigen psychischen Stress aussetzen, so dass sie dann zum Scheitern verurteilt sind und alle anderen sich in ihren Prophezeiungen bestätigt fühlen. So war es auch bei mir im Referendariat.

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