Tragende Erwägungen

  • Hallo Leute,
    meine Samstagsabendgestaltung besteht heute aus der Korrektur der Deutschabiklausuren und mein Anliegen richtet sich primär an die "alten Hasen" unter den "Sprachlern", die Routine und Erfahrung mit der Formulierung von Gutachten haben.


    Ich habe das Vergnügen zum ersten Mal und hadere hier mit den "Tragenden Erwägungen für die Abschlussbeurteilung".
    Irgendwie wiederholen sich meine Formulierungen oft oder erscheinen mir zu knapp.
    Gibt es dafür irgendwo Formulierungshilfen?


    Weiterhin frage ich mich, ob ich im Erwartungshorizont auch einfach nur "vorhanden", "partiell vorhanden" usw. in die rechte Spalte (erreichte Leistungen) eintragen kann und das ausführlich ausformulierte Abschlussurteil am Schluss genügt.


    Grüße von einer müden, rotstiftschwingenden
    Peh.

    • Offizieller Beitrag

    Also, wir schreiben die Gutachten "freihändig", heißt sowas wie eine "rechte Spalte" ist gar nicht vorhanden. Und natürlich haben wir auch Standardphrasen, die sich (durchaus sinnvollerweise) immer wiederholen: nämlich immer, wenn es auf dieselbe Note hinausläuft. Würden wir das aus literarischem ästhetischem Empfinden jedesmal anders und neu formulieren, würden die Kokorrektoren ja wahnsinnig werden und das Ganze wäre nicht mehr nachvollziehbar.


    Also - wenn die Arbeit nicht in den verschiedenen Aufgabenteilen ganz verschiedene Leistungsniveaus aufweist, klingen die Formulierungen immer ähnlich und das ist in Ordnung. Da taucht bei einer 11Punkte Arbeit eben X Mal das Wort "gut" auf: gut erklärt, gut zusammengefasst, gut verknüpft, gut aufeinander bezogen - na klar, ist ja auch die Note "gut".



    Anonsten halte ich mich knapp: 3-4-5 Zeilen pro Aufgabe. Je länger, desto wirrer und weniger nachvollziebar.


    Ausnahme: Arbeiten, die in beonsderem Maße abweichen, z.B. wo deutlich wird, dass der Schüler mitten drin einen "blackout" hatte und sich dann wieder einkriegt, so dass ein heftiger Eibruch nach unten passiert ist - dann muss ich an eizelnen Inhaltsaspekten begründen, wo ich Punkte vergeben habe. Sowas ist ja aber zum Glück selten.


    Ansonsten gilt die Regel:
    Knapp, klar und präzise geht vor schön und ansprechend formuliert. Ausführlichkeit erhöht nicht die Transparenz.


    Alles Gute - ich hab's grad hinter mir ! Gönn dir auch mal Pausen!



    Meike

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Liebe Meike,
    magst du vielleicht ein paar deiner Standardphrasen posten?


    Ansonsten zum besseren Verständnis meiner Misere:


    Wir haben einen dreispaltigen Erwartungshorizont:
    links: Anforderungsbereiche
    Mitte: Leistungsanforderungen (sind sehr detailliert vorgegeben)
    rechts: erreichte Leistungen (vom Lehrer auszufüllen)


    In dieser rechten Spalte habe ich mich bisher auf Stichpunkte beschränkt, z. B. gut zusammengefasst usw.


    ES gibt aber wie gesagt ein abschließendes Feld, in das die tragenden Erwägungen geschrieben werden. Dieses Verbalurteil ist ein zusammenhängender Fließtext aus 4-10 Sätzen.

    • Offizieller Beitrag

    Aha - wir haben sowas gar nicht. Den Erwartungshorizont haben wir zwar, aber keine Vorgabe wie man denn das, was der Schüler erreicht hat, in Worte zu fassen bzw. auf denselben zu beziehen habe.


    Dafür musst du in Englisch eine getrennte Bewertung von Inhalt und Sprache schreiben. Das wird dir nicht viel nützen - und Deutsch Abi habe ich im LK noch nicht gemacht, nur einmal im GK - und da war ich frisch aus dem Ref und habe noch hochineffiziente "Romane" zu jeder Arbeit geschrieben.


    Ich glaube niocht, dass die Englischphrasen so viel nützen für deine Arbeiten, da du in Duetsch die beiden Teile Sprache / Inhalt ja nicht völlig getrennt behandeln kannst - oder?


    Sprachlich sieht das bei uns in etwa so aus:


    Beurteilungskriterien für die sprachliche Leistung im Fach Englisch
    (Das war mal ne Tabelle)


    Eigene Formulierungen durchweg korrekt angewandt, Verwendung angemessener Strukturen. Sehr gut differenziertes Vokabular, adäquat und exakt in der Darstellung. Sehr variabler Satzbau, Stilebene angemessen, sehr gute Verwendung von Kollokationen und Konnektoren, sehr hohe Annäherung an authentisches Englisch.
    15 p
    14 p
    13 p


    Es werden eigene Formulierungen verwendet und diese sind meist korrekt. Die meisten Strukturen sind der Aufgabenform angemessen. Guter, differenzierter Wortschatz. Ausdrucksweise ist klar, Satzbau komplex und variabel.
    12 p
    11 p
    10 p



    Stärker differenziertes Vokabular, Idiomatik in durchschnittlicher Breite vorhanden, weitgehend eigene Formulierungen. Ausdruckweise überwiegend klar, allerdings punktuell Beeinträchtigung des Sinnes, einige Übernahmen aus der Textvorlage.
    Variabler, komplexer Satzbau, Ausdruck stellenweise nicht sicher, einige Mittel der Sprachökonomie nicht verfügbar.
    9 p
    8 p
    7 p



    Formulierungen häufiger aus dem Text entlehnt, aber korrekt verwendet. Einige Formulierungen ungelenk. Sprachliche Verstöße ohne Sinnentstellung. Ausdruck häufig nicht treffsicher, öfter unökonomisch. Stilebene noch angemessen. Sprachliche Verknüpfung der Gedanken ausreichend.
    6 p
    5 p
    4 p



    Grobe Verstöße im Satzbau und Wortgebrauch führen zu Sinnentstellung. Der Aufgabenwahl nicht angemessene Wortwahl und Syntax. Dürftiges, undifferenziertes Vokabular, unklare Ausdrucksweise, stereotyper Satzbau, unangemessene Stilebene, fehlende Sprachökonomie, Germanismen.
    3 p
    2 p
    1 p
    0 p



    So, das ist der eine Teil, und die Bewertung zum Inhalt bei einer sehr guten Klausur sähe bei mir so aus:


    Inhaltliche Gesamtbeurteilung: Der Text wurde inhaltlich vollständig erfasst, alle wesentlichen Aspekte der Aufgabenstellung sind richtig erkannt und konsequent und stringent erklärt. Eigene Ansätze und Gedankengänge (Transfer) wurden in vollem Umfang geleistet und umfassend dargestellt.


    Im Einzelnen:
    Alle geforderten Sachinformationen (Aufg. A) sind genannt, Kernstellen wurden erkannt, zusammengefasst und richtig eingeordnet. In Aufgabe B) wurden alle vom EWHZ geforderten Aspekte genannt, umfassend erläutert und passend belegt, darüber hinaus wurden zusätzliche Belege eingebracht und erklärt. Die zitierten Stellen wurden richtig, umfassend und eindeutig analysiert. Auch Aufgabe C) wurde ebenfalls annähernd vollständig und umfassend bearbeitet. Die wichtigsten geforderten Aspekte wurden genannt, es wurden passende Verweise gegeben, diese sind richtig und eindeutig, vor allem sehr umfassend analysiert bzw. erklärt. Begrifflichkeiten wurden mit hoher Präzision angewendet.
    Der Transfer in der wertenden Aufgabe (D) wurde geleistet und in besonderem Maße differenziert und eigenständig, konsequent und sehr überzeugend ausgeführt. Eigene Überlegungen und Ansätze wurden eingebracht und überzeugend dargestellt, an Stellen wurde sogar durchaus kreativ und treffend ironisch formuliert.
    Inhaltliche Note: 95 % = 14 Punkte



    Das wiederholt sich bei guten Klausuren fast wörtlich, nur ersetze ich "in besonderem Maße" oder "umfassend" halt durch "gut" "richtig" etc.


    Bei schwachen Klausuen durch "kaum" "nicht" "nur ansatzweise" etc, wenn nicht jeweils ganz spezielle Schwierigkeiten oder Stärken bei einem Schüler zu erfassen sind.


    Ich denke trotzdem, dass dir die aktiven Deutschkollegen da eher weiterhelfen könnten - am besten noch aus deinem Bundesland.


    Muss doch noch einer Abi gemacht haben?



    Lieber Gruß
    Meike

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  • Danke Meike!


    Alles kann ich natürlich nicht verwenden, aber gerade die Bewertung des Inhalts kann ich (modifiziert) auch für meine Klausuren gebrauchen, zumindest teilweise.


    Zentralabi gibt es in Berlin erst zum zweiten Mal, wobei das letztes Jahr noch fakultativ (im Ermessen der Schulen) erfolgte. Von daher sind alle Kollegen mehr oder weniger ratlos und boxen sich da durch.
    Grundsätzlich kann ein Austausch (auch zwischen den Bundesländern) ja hilfreich sein. Und innerhalb meines Bundeslandes bzw. innerhalb meiner Schule sind zur Zeit alle irgendwie gestresst und löffeln aus ihrer eigenen Suppe. Schade eigentlich.

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