ZP 10 Englisch - oder wie verarsche ich ganz NRW?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Leute!


    Ich korrigiere gerade die "zentrale Prüfung Englisch" nach Klasse 10 in NRW.


    Gestern habe ich einen halben Herzinfarkt bekommen ob der Bewertungskriterien und der Punktegeschenke, die dort gemacht werden.


    Zwischenbilanz:
    Fast nur 3er-Ergebnisse, wobei besonders brisant der Umstand sein dürfte, dass meine 5er Kandidaten (bzw. die mit einer Vornote 5) die Prüfung satt im 3er Bereich gemacht haben und einer nur um zwei Punkte daran vorbei geschlittert ist.


    Was ich mich jetzt natürlich frage, ist, ob DAS wirklich das erwartete Niveau eines Gymnasiasten nach Klasse 10 sein soll.
    Es ist aufgrund der Punkteverteilung nahezu unmöglich, eine fünf zu schreiben, weil der Leseverstehensteil so billig ist, dass da 30 Punkte quasi verschenkt werden.
    Da meine Schüler alle halbwegs verständliche Texte schreiben und es laut Punkteliste noch ca. 26 Punkte (ausgehend von durchschnittlich 28-30 Punkten im Leseverstehensteil) bis zum ausreichend sind, die sich wiederum auf insgesamt 15 Kriterien (Inhalt plus Sprache) verteilen, ist es im Grunde ausgeschlossen, hier mit mangelhaft abzuschneiden.


    Leseverstehensteil plus ein passables summary im simple past (!) (weil keine Punkte für "Prüfling befolgt die textsortenspezifischen Merkmale verteilt werden) und eine halbwegs passable sprachliche Leistung (hier 50% der maximal erreichbaren Punktzahl) ergeben also locker mindestens ein ausreichend, wenn nicht besser.


    Ich komme mir als Lehrer gerade ziemlich verarscht vor und frage mich, wieso ein Ministerium eine solche Zeitverschwendung auch noch Ernst nehmen kann.


    Die schlechteste Note bei mir ist ein ausreichend, wobei hier zwei Punkte bis zum befriedigend fehlen - und ich habe die schlechtesten meiner Schüler gerade durch. Somit kommen jetzt noch die im soliden Mittelfeld sowie die Spitzen...


    Gruß
    Bolzbold

  • Hi!
    An meiner Schule ist das auch so. Urpolötzlich die 5er Kandidaten eine 3 oder besser.
    Scheint wohl, als ob die Regierung muffensausen bekommen hat und erstmal beim 1. Durchgang ZP das Niveau deutlich nach unten gesenkt hat.


    Besser Niveau runter als viele ohne Abschluss scheint die Devise zu sein.

  • Natürlich ist die Arbeit (sowohl aus Lehrer- wie auch aus Schülersicht) extrem einfach gewesen.
    Aber ein Kollege aus BW hat schon angemerkt, dass sich die Regierung an das eigentliche Niveau herantastet, und im Moment in BW die zentralen Prüfungen nur noch bis zu einer halben Note besser sind als die Vornote.


    Ein Kollege, der übrigens am Montag die Prüfungen (samt Rückmeldungen) ein erstes Mal im Ministerium bespricht, ist bei enpaed anzutreffen (enpaed@yahoogroups.com). Mit dem Betreff "ZP 10-NRW" kommt die Kritik in der Liste dann zumindest näher an die Verantwortlichen als hier.


    Der Kollege freut sich bestimmt über KONSTRUKTIVE und angemessen formulierte Kritik, die er dann in die erste Nach-Besprechung einbringen kann.


    LG
    Tina

  • Natürlich ist es auch bei uns auch so, dass die Noten raketenartig in die Höhe geschossen sind.


    Auf der anderen Seite möchte ich nicht wissen, was passiert wäre, wenn die Arbeit zu schwer gewesen wäre und selbst Gymnasialklassen insgesamt um eine Note gesunken wären.


    Es ist ja jetzt auch nicht so, als hätte die Vornote überhaupt keinen Einfluss, weswegen ich die Aufregung nicht so ganz nachvollziehen kann:


    Zitat

    In den Fächern Deutsch, Mathematik und der gewählten Fremdsprache werden die Abschlussnoten je zur Hälfte aus der Vornote und der Note der schriftlichen Prüfung gebildet. Weichen diese um eine Note voneinander ab, so legt die Fachlehrerin bzw. der Fachlehrer die Note in Abstimmung mit der Zweitkorrektorin bzw. dem Zweitkorrektor fest. Im Fall einer mündlichen Abweichungsprüfung gehen die Vornote, die Note der schriftlichen Prüfung und die Note der mündlichen Prüfung im Verhältnis 5 (Vornote) : 3 (schriftlich) : 2 (mündlich) in den Abschlussnote ein. Ergibt sich bei der Berechnung der Abschlussnote eine Dezimalstelle, so ist bis zur Dezimalstelle "5" die bessere Note, in anderen Fällen die schlechtere Note festzusetzen.


    Natürlich ist es ärgerlich, wenn man auf hohem Niveau vorbereitet und dann anschließend dieses Niveau nicht erfüllt wird. Aber dafür waren die Schüler dieses Jahrgang auch die Versuchskaninchen und ich finde es in Ordnung, dass man den leichteren Weg gewählt hat. Ob es wirklich SOO leicht hätte sein müssen, bezweifele ich auch, aber einen Herzinfarkt muss man deswegen auch nicht gleich bekommen.


    Manchmal hat man eben Schwein - auch als Versuchskaninchen. Das gönn' ich denen.


    Dudel

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Dudelhuhn
    Ergibt sich bei der Berechnung der Abschlussnote eine Dezimalstelle, so ist bis zur Dezimalstelle "5" die bessere Note, in anderen Fällen die schlechtere Note festzusetzen.


    Das bedeute aber, dass im Zweifelsfall die bessere Note gegeben wird, vor allem dann, wenn die mündliche Prüfung nicht mit dabei ist. Ich war auf der Fortbildung zu den ZP - die KollegInnen dort waren ebenso baff wie ich - vor allem, als wir die Bewertungskriterien gesehen haben.
    Bereits damals sagten die Moderatoren, sie würden unsere Kritik nach D'dorf weiterreichen - und die war konstruktiv.
    Passiert ist anscheinend nichts.


    Zitat


    Natürlich ist es ärgerlich, wenn man auf hohem Niveau vorbereitet und dann anschließend dieses Niveau nicht erfüllt wird. Aber dafür waren die Schüler dieses Jahrgang auch die Versuchskaninchen und ich finde es in Ordnung, dass man den leichteren Weg gewählt hat. Ob es wirklich SOO leicht hätte sein müssen, bezweifele ich auch, aber einen Herzinfarkt muss man deswegen auch nicht gleich bekommen.


    Nun, das sehe ich für meine Schüler teilweise auch so. Nur heißt das im Endeffekt, dass die Fünferkandidaten ohne ZP vermutlich in die Nachprüfung hätten gehen müssen oder gar nicht versetzt worden wären.
    Die ZP sorgt hier dafür, dass selbst die ganz schwachen Schüler noch in die Oberstufe kommen.
    Da die Realschüler (laut Referendarin) ähnlich leichte Aufgaben hatten, werden auch viele von ihnen die Quali schaffen.
    Somit wird das "Siebeproblem" nur in die 11 verlagert und sorgt dort u.U. für noch mehr Frust, weil das Leistungsgefälle dort m.E. dann noch krasser hervor tritt.


    Zitat


    Manchmal hat man eben Schwein - auch als Versuchskaninchen. Das gönn' ich denen.
    Dudel


    Wie oben bereits gesagt - Versuchskaninchen mit einem Jahr Gnadenfrist.
    Als ob die Schüler daraus die richtigen Konsequenzen zögen, wenn eine mit fünf vorbenotete Schülerin dann eine drei der Prüfung macht und ich ihr sage, dass das ja viiieeel zu leicht war und sie nie eine drei erreichen würde (abgesehen davon, dass es unpädagogisch wäre).


    Ich bin nur heilfroh, dass heute ein Anruf der Kollegin kam, die ähnlich wie ich völlig erstaunt war und ähnliche Ergebnisse hat wie ich. Morgen setzen wir uns in der Fachgruppe zusammen und beraten.


    Gruß
    Bolzbold


    P.S. Auch einen Herzinfarkt überlebt man.


    Tina
    Du hast Recht, dass man an erwähnter Stelle konstruktive Kritik üben sollte. Unter normalen Umständen wäre ich da an vorderster Front dabei. Mein Glaube daran, dass man dadurch etwas bewirken kann, ist jedoch nachhaltig erschüttert.
    Ich werde aber anregen, dass wir in der Fachgruppe ein deutliches Statement abgeben.

  • Zitat

    Nun, das sehe ich für meine Schüler teilweise auch so. Nur heißt das im Endeffekt, dass die Fünferkandidaten ohne ZP vermutlich in die Nachprüfung hätten gehen müssen oder gar nicht versetzt worden wären.


    Das Ziel der Landesregierung ist doch, das Versetzungen der Regelfall sind. Ziel erreicht!


    Zitat

    Du hast Recht, dass man an erwähnter Stelle konstruktive Kritik üben sollte. Unter normalen Umständen wäre ich da an vorderster Front dabei. Mein Glaube daran, dass man dadurch etwas bewirken kann, ist jedoch nachhaltig erschüttert.


    Ok, dann eben weiter mit dem Kopf im Sand und rummeckern. Wenn genug Leute sich bemerkbar machen, passiert u.U doch etwas. Und die Chance würde ich mir nicht entgehen lassen.
    Es gibt eben zu oft Leute die NICHTS gesagt haben, das hat definitiv nichts geändert!


    Tina

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Somit wird das "Siebeproblem" nur in die 11 verlagert und sorgt dort u.U. für noch mehr Frust, weil das Leistungsgefälle dort m.E. dann noch krasser hervor tritt.


    Das kann ich bestätigen. Ich habe als Tutorin X Schüler, die bis zu 7 Fächern unter dem Strich haben - die Ärmsten wissen nicht, wie ihnen geschieht. Ich schon, weil ich die Schulen kenne, von denen sie kommen oder aber die Prüfungen, die sie machen mussten.


    Das ist bitter für die Schüler, die geglaubt haben, die Oberstufenqualifikation sage tatsächlich etwas über ihre Eignung für die Oberstufe aus (und ich höre öfter mal den Satz: Warum hat man mir da dann eine 1 / 2 gegeben? Hätt ich das früher gewusst, dass ich hier kein Wort verstehe...) - und die Beratung ist dann sehr schwer, weil der Frust sehr hoch ist. Ich finde das den Schülern gegenüber unfair und sie tun mir leid.


    Gut finde ich, dass es doch jetzt bei einigen Schulen Tradition geworden ist, dass die 10er bei uns drei, vier Tage hospitieren kommen - da kriegen dann wenigstens die, die das auf sich nehmen, einen realistischen Eindruck... leider sind's noch nicht so arg viele.

  • Hallo Bolzbold,
    ich habe an der HS die gleichen ERfahrungen gemacht, alle um 1 Note besser, teilweise sogar 2 Noten.
    Übel fand ich auch, dass jemand der zwei Sätze schrieb und keine Fehler machte genauso viele Punkte bekommt wie jemand der eine Seite schreibt. WEnn der mit der einen Seite auf dieser viele Fehler macht, hat er sogar schlechtere Karten, da er dann Punktabzug bekommt. Das ist doch Verarsche. Bei der Textproduktion gab es für jeden Schitt Punkte. Gruß Nof.

    Wir helfen einem Menschen mehr, wenn wir ihm ein günstiges Bild seiner selbst vorhalten, als wenn wir ihn unablässig mit seinen Fehlern konfrontieren.
    A. Camus

  • Wir machen die ähnliche Erfahrung, vor allem was den 1. Teil betrifft. Da haben fast alle Schüler die volle Punktzahle erreicht und damit schon 30 von 120 bekommen... ganz schön heftig die Punkteverteilung, im Verhältnis zu dem freien Teil. Unsere 10er Lehrer haben die Kriterien beklagt, die seien schwammig...


    Das Signal an die 9er finde ich zweifelhaft, die denken ja jetzt das wird ein Spaziergang... und was ist, wenn die Regierung jetzt anzieht??? Argl.. :(

    • Offizieller Beitrag

    Provencaline


    Du kannst davon ausgehen, dass die anziehen werden. Nur schade, dass den "Versuchskaninchen" aufgrund der Prüfungsnote und der entsprechenden Endnote suggeriert wird, sie wären für die Oberstufe geeignet.


    Dieses Prüfungssystem hat m.E. im Wesentlichen Verlierer und keine Gewinner. Nur schade, dass sich die Verlierer nicht dagegen wehren können.


    Gruß
    Bolzbold

  • Leute, nach wie vor bin ich der Meinung, dass man die Kiste nicht überdramatisieren sollte.


    Beratungsresistente Schüler, die mit Glück die Oberstufenquali bekommen, gibt es so oft, wie es gutmütige Kollegen gibt, die dann doch noch die Drei zum Ausgleich geben.


    Es geht hier ausserdem um Menschen und nicht um Roboter, die automatisch ins nächste Level aufsteigen, sobald sie die erforderliche Punktzahl erreicht haben. Ich denke, man kann Schülern schon erklären, was solch eine missglückte, weil viel zu leichte Prüfung über die individuelle Leistung aussagt und dass sie wichtige Lebensentscheidungen eher von anderen Faktoren abhängig machen sollten.


    Ich plädiere dafür, die Sache positiv zu sehen und ab sofort ab der achten Klasse während der Englischstunden Karten zu spielen. :tongue:

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Dudelhuhn
    Ich plädiere dafür, die Sache positiv zu sehen und ab sofort ab der achten Klasse während der Englischstunden Karten zu spielen. :tongue:


    Gute Idee!


    Auf diese Weise schaffen wir dann in den verbleibenden zwei Jahren wenigstens das Niveau, das die Schüler haben müssen, damit die "echten" Fünferkandidaten diese Prüfung mit echt "fünf" machen...


    Ich habe einen Schnitt von 2,4 mit meiner 10 - das ist satt eine Note besser...
    ...und bin froh, dass ich nächstes Jahr wohl keinen 11er-Kurs kriege.


    Gruß
    Bolzbold

Werbung