Referendariat komplett verkraftet?

    • Offizieller Beitrag

    Ich bin immer und meist mehrfach Mentorin für diverse Refs, und erlebe da "mein" Referendariat immer neu: das unsinnige Hochzeitskuchenbacktraining, wenn man dringend lernen müsste, kleine Alltagsbrötchen zu backen, den Methodenaktivismus, die Situation als erwachsener Mensch mit einem Hochschulabschluss wieder behandelt zu werden wie eine 13jährige - und den Spagat zwischen Alltagsanforderungen in der Schule und dem absurden Theater für die Ausbilder.


    Das Schreiben von 20seitigen Entwürfen für 45 Minuten Unterricht ist mir derzeit der größte Dorn im Auge, das treibt den ganzen irrealen und nutzlosen Wahnsinn endgültig auf die Spitze. Ich lese als Mentorin den ganzen Scheiß dann ja auch noch Korrektur und schüttele dabei nur angenervt und inzwischen noch nicht mal amüsiert den Kopf.


    Ich habe dahingehend schon zwei Mal einen Brief ans Seminar geschrieben und um etwas mehr Realitätsnähe gebeten.


    Das letzte Mal bekam ich sogar Antwort:
    "(...) wir Sie doch bitten unserer Erfahrung zu vertrauen, nach der wir sagen können, dass unsere LIVs diese eingehende Beschäftigung mit den Feinheiten einer Unterrichtsstunde zur Sensibilisierung für die Abläufe zum und im Unterricht benötigen."


    Bullshit!


    Ich habe auch ein Referendariat gemacht und danach eine Vollzeitstelle angetreten: wenn mich etwas eher behindert als mir geholfen hat, dann die viel zu eingehende Beschäftigung mit Feinheiten, kurz: die wenig professionelle Übervorbereitung umnd Detailverliebtheit.


    Dauert Jahre, das loszuwerden.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Tja, Meike,


    Zitat

    die Situation als erwachsener Mensch mit einem Hochschulabschluss wieder behandelt zu werden wie eine 13jährige - und den Spagat zwischen Alltagsanforderungen in der Schule und dem absurden Theater für die Ausbilder.


    Genau so fühle ich mich im Moment wieder. Am Montag startete unser Aufstiegslehrgang. Pflicht für alle jene, die bereits schon in der Oberstufe unterrichten, aber eben eigentlich die fachliche Voraussetzung nicht besitzen dürften. Ein FH-Abschluss macht eben noch keinen guten Lehrer für den höheren Dienst.


    Wie's in der Realität aussieht, steht auf einem anderen Blatt. Von wegen, nee, nee, ohne Uni-Abschluss können Sie auf keinen Fall im Meisterkurs oder im BK unterrichten. Nur komisch, dass das niemand je fragt.


    Und genau in diesem Aufstiegslehrgang sitze ich jetzt. Und fühle mich wirklich in meine "Ref"-Zeit bzw. Schulzeit zurückversetzt.
    Fazit nach einem Tag: Was man in 7 1/2 Stunden durchkaut, hätte man in 2 Stunden in lockerster Form geschafft, wenn der Fachleiter nicht solch einen Hang zur Selbstdarstellung hätte.


    Immerhin habe ich gelernt, dass es ja anthroFogene Voraussetzungen heißt. Dachte immer, dass es da um anthroPogene Voraussetzungen geht. Aber nachdem er's ungefähr 5 mal mit F ausgesprochen hat, wird's schon so richtig sein. ?(


    Ach ja, und die 20seitigen Ausarbeitungen darf man auch schreiben, wobei sie da ja jetzt eine Begrenzung auf 5 Seiten (ohne Verlaufsplanung, Materialien etc.) einführen möchten.


    HILFEEE!!! Noch 6 Termine.


    Und Hilbert Meyer war natürlich auch wieder dabei.


    Gruß
    Super-Lion

  • Zitat

    Original von Super-Lion
    Immerhin habe ich gelernt, dass es ja anthroFogene Voraussetzungen heißt. Dachte immer, dass es da um anthroPogene Voraussetzungen geht. Aber nachdem er's ungefähr 5 mal mit F ausgesprochen hat, wird's schon so richtig sein. ?(


    *Stöhn* Was ist das denn für eine Pfeife, dieser Kursleiter? :rolleyes: Nicht mal seine eigene Begrifflichkeit kennen, liebe ich. Bestimmt schimpft der auch ganzganzviel über seine ungebildeten Schüler...


    "Ho anthro_p_os", altgriechisch für "der Mensch". Deswegen heißt das ja auch "Filantrop" und nicht "Filantrof". =)


    Ne "hodie pilofosus sum" le

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Über seine Schüler schimpft er nicht.


    Sein Unterricht sei sogar so gut, dass Schüler in ihren Hohlstunden fragen würden, ob sie sich bei ihm reinsetzen dürften.


    Naja, da würde ich eher mal fragen, ob sie Fieber haben.


    Gruß
    Super-Lion

  • Ach Leute,


    Ihr macht mir wirklich Freude :rolleyes:. Das wird ein großartiges Jahr 2009. Nicht, dass man nicht das, was hier diskutiert wird, immer wieder hört. Aber wenn es so geballt kommt, ist es doch etwas viel. Es gibt schon Gründe dafür, dass ich mich auch noch auf andere Stellen bewerbe.


    Um mir ein bisschen Mut zu machen, merke ich schüchtern an, dass es Zwangs-Infantilisierung, Inkompetenz von Ausbildern und vor allem Ungerechtigkeit auch anderswo gibt. Aber es scheint doch im Ref besonders geballt zu sein. Hat das etwas mit dem Menschentyp "Pädagoge" zu tun? Vielleicht hätte man doch etwas Vernünftiges studieren sollen. Ich bin jedenfalls wirklich gespannt!


    Nette Grüße
    Unter uns

  • Hallo unter uns,


    es gibt auch einige wenige positive Beispiele, vielleicht gehörst du demnächst dazu, nur Mut!


    Wir haben es alle überlebt und versuchen es heute besser zu machen. Such dir nette Mentorinnen und Mentoren, dann wird es schon gut gehen!


    Liebe Grüße
    Lieselümpchen :)

    Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich! (Afrikanisches Sprichwort)
    :)

  • Hallo unter uns,


    ich gebe Lieselümpchen recht. Es gibt zum Glück auch andere Fachleiter. Aber, wie gesagt, zum Glück. Man kann leider auch Pech haben.


    Mein anderer Fachleiter ist sehr, sehr nett. Mit ihm telefoniere ich sogar relativ regelmäßig und unterhalte mich dann auch über private Dinge (Fußball, Urlaub, Buchtipps etc.).
    Vielleicht liegt das aber auch daran, dass er kein klassischer Lehrer ist und alles etwas entspannter/realistischer sieht.


    Auf die 7 Termine mit ihm (ich bin sogar seine einzige "Auszubildende") freue ich mich schon. Man lernt etwas und es macht Spaß. Die Zeit vergeht wie im Fluge.


    Ich drücke Dir die Daumen, dass Du auch solches Glück hast.


    Toi, toi, toi,
    Gruß
    Super-Lion


    P.S. Ob es etwas mit dem Menschentyp "Pädagoge" zu tun hat, weiß ich nicht. Das Problem sehe ich hier, dass Lehrer eben Individualisten sind und sich als Fachleiter eigentlich nichts mehr sagen lassen müssen.
    In der freien Wirtschaft gibt's eben doch noch ein paar Kollegen, Vorgesetzte, die zur Not ein klares Wort sprechen.

  • Ich finde es eher bedauerlich, wenn es im Seminar neue FL gibt, die nur FL werden wollten, weil sie keine Lust mehr auf Unterricht haben.


    Aber die FL die der Meinung sind, ihre Schüler würden sogar in Freistunden zu ihnen kommen wollen, weil der Unterricht so toll ist, kannn ich nur müde drüber lächeln. So einen hatte ich auch. Ich denke auch, dass es durchaus möglich ist, immerhin haben die FL wesentlich mehr Freistunden und könnten rein theoretisch die verbliebenen Unterrichtsstunden weitaus besser vorbereiten.


    Wie es im echten Lehrerleben aussieht, bekomme ich jetzt ein Jahr vor der Revision auch gut mit: Stationenlernen will man nicht sehen, da man die Lehrerpersönlichkeit nicht sieht.
    Krasser Gegensatz zum Ref.!!!

  • Zitat

    Original von MYlonith


    Wie es im echten Lehrerleben aussieht, bekomme ich jetzt ein Jahr vor der Revision auch gut mit: Stationenlernen will man nicht sehen, da man die Lehrerpersönlichkeit nicht sieht.
    Krasser Gegensatz zum Ref.!!!


    Tja, das wird spannenderweise bei mir jetzt auch kritisiert... zu viele offene Formen... zu wenig Lehrerpersönlichkeit erkennbar... so ändert sich anscheinend alles immer mal wieder...
    Und unsere Unterrichtsentwürfe sollen eigentlich nur max. 5 Seiten (Text) umfassen... wobei ich gestehen muss, dass ich das teilweise schon auch hilfreich fand, das alles mal wirklich richtig zu durchdenken... aber jetzt im bdu stelle ich auch fest, dass dafür regelmäßig (also das in der Art und Weise zu druchdenken) eigentlich kaum Zeit ist... und Alltag eben völlig anders ist als Lehrproben (von einem selber angefangen bis natürlich zu den Schülern, die sich viiiiel disziplinierter als sonst benehmen ;) ).


    Aber es geht trotzdem echt alles an die Nieren... diese verschiedenen Ansprüche auszubalancieren... das, was einem Fachleiter erzählen (was die selber auch viel besser umsetzen können bei teilweise max. 5 Unterrichtsstunden die Woche...), und dann eben auch noch die eigenen Ansprüche, der Druck, unter den man sich selber setzt/ setzen lässt....


    Aber irgendwie wird auch das alles gehen...

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Hallo Lieselümpchen und Super-Lion,


    vielen Dank für die Aufmunterung! Ich denke, es wird schon gehen, notfalls mit zusammengebissenen Zähnen! Obwohl ich ja sagen muss, dass mir ein solcher Satz doch wirklich seeehr zu denken gibt:


    Zitat

    es gibt auch einige wenige [!] positive Beispiele


    Wenn das eine positive Formulierung ist, muss die Lage ja wirklich dramatisch sein :) :) :).


    Jedenfalls betrachte ich die Sache einfach mal optimistisch. Ich bin eigentlich ohnehin zu alt, um mich über solche Dinge leidenschaftlich aufzuregen.


    Zitat

    Das Problem sehe ich hier, dass Lehrer eben Individualisten sind und sich als Fachleiter eigentlich nichts mehr sagen lassen müssen.


    Das haben sie dann wohl mit Pastoren und Professoren gemeinsam. Die ja manchmal auch etwas eigen sein sollen. Hab ich so gehört ;).


    Sehr gespannt auf das echte Erlebnis


    Unter uns

Werbung