Mobbing - eine ganze Klasse gegen eine Schülerin

  • Ich brauche dringend eure Hilfe bzw. einen Rat.


    In meiner Klasse (die ich noch nicht lange unterrichte) ist ein Mädchen, die schon von Beginn der Schulzeit an von den anderen Schülern geärgert wird und zwar von allen anderen Schülern der Klasse. Es machen sogar viele andere Kinder aus anderen Klassen und Jahrgängen mit. In diesem Fall bleibt mir nichts anderes übrig als von massivem Mobbing zu sprechen.
    Dieses Mädchen ist sicherlich nicht immer einfach, aber im Grunde ist sie eine ganz liebe, aber eher schwache Schülerin, die auch oft falsche Antworten im Unterricht gibt. Keiner will eigentlich neben ihr sitzen, jedesmal gibt es Tränen oder Ärger, wenn die Sitzordnung geändert wird und jemand neues dort sitzen soll.
    Das Mädchen toleriert immer lange Zeit alle Anfeindungen der Mitschüler, irgendwann schreit sie dann natürlich mal los, das freut die anderen natürlich auch. Sogar der neue Junge in der Klasse, der von den Mitschülern nicht unbedingt gemocht wird, wird total von dem Mädchen abgeschirmt, sobald sie sich mit ihm unterhält, umringt ihn die ganze Klasse bis das Mädchen aufgibt und weggeht.


    Zuhause weint sie laut Aussage der Mutter meist. Oft fehlt das Mädchen wegen Bauchschmerzen. Ich kann das sogar verstehen. Sie hat auch die ein oder andere Verhaltensauffälligkeit entwickelt, die aber im Unterricht nicht weiter auffällt.


    Mit den Mitschülern reden scheint mir überhaupt keinen Sinn zu haben, sie sind total verbohrt und wirklich richtig boshaft dem Mädchen gegenüber. Die Eltern unterstützen das insofern sogar, da sie darum "bitten", dass ihr Kind doch nicht neben dem Mädchen sitzen muss.
    Unterrichtsthemen, die diese Problematik ansprechen werden von den Schülern total verständnisvoll bearbeitet, sie sagen alle, dass Ausgrenzung nicht sein darf... was dieses Mädchen aber anbelangt vergessen sie sich und ihre Einstellung sofort.


    Ich denke schon darüber nach, ob es sinnvoll ist, das Mädchen in die Parallelklasse zu versetzen, aber auch da sehe ich nur geringe Chancen einer Verbesserung, weil ich denke, dass die Bosheiten über die Klassengrenzen hinweg anklang finden werden.


    Ein Schulwechsel ist nicht möglich, da keine weitere Grundschule in der Nähe ist.


    Was soll ich tun? Ich fühle mich total hilflos! Und das Mädchen braucht wirklich Hilfe!

  • Ich unterrichte nur Sek. II, deshalb fehlen mir Erfahrungen mit Kindern.


    Ich toleriere allerdings ein solches Verhalten in meiner Klasse absolut nicht. Da bin ich auch wenig kompromissbereit. Zur Not ziehe ich da alle Register. Gespräch mit den Beteiligten einzeln, Gespräch im Klassenverband, Hinzuziehen von anderem Fachpersonal (Seelsorgerin, andere Kollegen, die mit das Streitschlichter-Programm entwickeln etc.), dafür fällt meinetwegen auch Fachunterricht flach, aber so ein Problem geht vor.

    Man muss Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“

    Elie Wiesel

  • Hallo,


    ich denke auch, dass man sich Hilfe holen sollte. Neben den schon von Birgit genannten fallen mir ausgebildete Beratungslehrer (gibt es die bei euch?), Fortbildungen oder der schulpsychologische Dienst ein. Letzteres nicht für das Mädchen (obwohl das bei den psychosomatischen Beschwerden vielleicht auch sinnvoll wäre), sondern als Anlaufstelle für dich. Leider haben da manche recht lange Wartezeiten.
    Ich bin jedenfalls sehr interessiert, was andere dazu schreiben. Das Problem gibt es bei den Kleinen häufig und gerade unter Mädchen merkt man es oft gar nicht so schnell.


    Viel Erfolg, jinny

    • Offizieller Beitrag

    Ganz wichtig auch - neben all dem schon Genannten - dem Mädchen immer wieder signalisieren, dass man auf seiner Seite steht. Deutliche Zeichen von Zuwendung geben! Nur nicht unbedingt immer dann, wenn die Mobber zugucken, denen liefert das nur weiteren Zündstoff, leider.
    Auch die Eltern der mobbenden Kinder müssen eingebunden werden - all dein Engagement wird nix nützen, wenn das zuhause quasi toleriert wird (mein Kind soll nicht neben der sitzen!), dasss das Kind ausgegrenzt wird.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
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  • Es muss doch bei allem eine Ursache dafür geben, dass das Mädchen gemobbt wird, es muss!
    In meiner neuen Klasse haben wir einen sehr lieben und hilfsbereiten Schüler. Leider stank der Junge nach Schweiß und die anderen Schüler mieden ihn. Allerdings sagte IHM niemand den Grund für das Meiden, sondern beschwerten sich NUR bei mir und er selbst hatte sich schon an seinen Geruch so gewöhnt, dass er es nicht merkte.
    Weil die anderen den Mut nicht hatten, sagte ich ihm unter vier Augen, was los war. Er wurde rot, schämte sich, hatte Ausreden usw. Ich beruhigte ihn, das Gesagte schon wieder vergessen zu haben. Seitdem kommt er "wie aus dem Ei gepellt" in die Schule und alle haben das Problem vergessen.


    Die Klasse ist verbohrt und lässt nicht mit sich reden - hmm. Lässt die Klasse mit sich reden, wenn das Mädchen nicht anwesend ist? Oder lassen einzelne Schüler mit sich reden?
    Wenn Du den wahren Grund für das Mobben kennst, müsste sich doch 'was unternehmen lassen ...

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Nell,


    es ist toll, dass du dir so viele Gedanken um das Mädchen machst!
    Ich denke auch, dass sie dringend Hilfe braucht.


    Wichtig finde ich, wie es auch meine Vorrednerinnen zum Teil erwähnt haben, dass du dich da absolut kompromisslos verhälst und den Mobbern zeigst, dass dieses Verhalten inakzeptabel ist. Super wäre es wirklich, die Schulpsychologin oder eine andere Fachkraft hinzuzuziehen.


    Neben der positiven Verstärkung, z.B. Belohnung für gutes Verhalten, könnte ich mir in einem solchen Fall auch vorstellen, dass Strafen hinzukommen, wenn das nicht ausreicht. Den Kindern muss m.E. klar werden, dass sie sich schlecht verhalten. Anscheinend ist ihnen das hier gar nicht so recht klar.
    Ihre Empathiefähigkeit scheint auch noch nicht sonderlich ausgeprägt zu sein. Sie wiederholen, was die Lehrerin gerne hören möchte ("Man darf niemanden ausgrenzen"), aber setzen es nicht um.


    Welche Klasse ist es eigentlich?


    Ich denke, dass du bessere Karten hast, wenn du länger da bist und unmissverständlich deutlich machst, was du von einem solchen Verhalten hältst und dass du es nicht tolerieren wirst.
    Aber unter Umständen hast du da einen längeren Weg vor dir.


    LG,
    Melo

  • Zitat

    Melosine schrieb am 05.09.2006 14:03:
    ...Den Kindern muss m.E. klar werden, dass sie sich schlecht verhalten...


    Natürlich ist Mobbing schlecht. Allerdings hat es eine Ursache, die es zu ergründen gilt. Es können nicht alle anderen Kinder "einfach so schlecht" sein und ein einzelnes Kind ist es nicht.

  • Ersteinmal danke für Eure Beiträge.


    Mir ist es bisher nicht gelungen eine echte Ursache herauszufinden. Das Mädchen ist etwas fülliger, hat keine Markenkleidung an und ist eine eher schwache Schülerin, die aber trotzdem sehr motiviert am Unterricht teilnimmt. Davon gibt es aber durchaus mehrere in der Klasse und Schule.
    Es handelt sich um eine Grundschulklasse mittleren Alters. Das heißt, diese Ausgrenzung läuft schon seit Jahren und wird mit zunehmendem Alter scheinbar nun immer schlimmer.


    Ich toleriere das Verhalten auch keinesfalls. Das meiste sieht man zwar nicht direkt, weil die Kinder ihre Angriffe versteckt durchführen, aber man bekommt auch einiges zugetragen. Es ist ja schon teilweise so, dass ich am laufenden Band auf Fehlverhalten dem Mädchen gegenüber hinweisen muss / müsste. Und das tut auch dem Mädchen alles andere als gut, würde sie im Endeffekt weiter ausgrenzen, denn dann wäre sie ja Schuld, dass andere ermahnt würden. Das ist ein Teufelskreis, aus dem ich keinen Ausweg weiß.


    Das Mädchen möchte auch nicht, dass ich mit der ganzen Klasse über das Thema spreche, denn auch davor hat sie Angst.
    Verpacke ich die Problematik in die Themen Ausgrenzung, Vorurteile, Kinderrechte, Klassenregeln etc., sehen die Schüler ihre eigenen Fehler nicht und verbinden das nicht mit ihrer eigenen Klassensituation.
    Hat es Sinn, mit jedem Schüler ein Einzelgespräch über das Mädchen zu führen? Ich denke auch da, wird sie die Folgen durch die Kinder zu spüren bekommen.


    Die zahlreichen Seiten im Internet haben mir bisher auch noch nicht weitergeholfen, da wird ja auch immer davon ausgegangen, dass das entsprechende Kind nur von einer relativ kleinen Gruppe gemobbt wird. Hier ist es ausnahmslos die ganze Klasse mit über 25 anderen Schülern.
    Echte Handlungsmöglichkeiten sehe ich noch nicht.


    Sollte ich aber irgendwie etwas Naheliegendes übersehen, dann stoßt mich ruhig mit der Nase darauf. Man sieht ja oft den Wald vor lauter Bäumen nicht.

    • Offizieller Beitrag

    Das ist eine schwierige Sache. Ich würde zunächst mit dem Mädchen selbst allein sprechen und es fragen, was es sich denn wünscht, dass du tust. Oft haben sie selber genaue Vorstellungen davon und häufig gibt es den Kindern eine eine wichtige Sicherheit, wenn sie wissen, dass du für sie da bist und dass sie von dir unterstützt werden. Auch mit den Eltern würde ich ausführlich sprechen, da die vielleicht weitere Beobachtungen gemacht haben, die du nicht überblicken kannst - z.B. ob sie einzelne der mobbenden Kinder auch privat kannte und ob das schon länger so geht, wie zuhause damit umgegangen wird etc. Wichtig ist, dass das Kind weiß, dass wenigstens die Erwachsenen auf ihrer Seite sind und sie nicht ganz alleine damit klarkommen muss, das ist nämlich das Grausamste an der Situation. Auch mit den Kollegen würde ich sprechen, damit jeder sie unterstützen und die Situation weiter beobachten und möglichst deeskalieren kann.


    Mit den anderen Schülern solltest du auch sprechen, aber das ist kniffliger. Wenn die Kinder das Gefühl haben, dass ihnen Strafe droht oder diese eine Schülerin "daran schuld ist", dass die Lehrerin auf sie sauer ist, kann das gegen das Mädchen zurückschlagen. Daher würde ich mir zunächst diejenigen heraussuchen, von denen du hoffen kannst, dass sie evtl auf ihre Seite zu ziehen sind: also nicht die "Rädelsführer". Hier kannst du erstens herauskriegen, was die anderen Kinder konkret veranlasst, das Mädchen zu mobben, und zweitens versuchen, einen Grundstein für Verständnis zu legen. Da muss man schon mit etwas Fingerspitzengefühl herangehen. Wichtig ist zu versuchen, eine Gruppe von Schülern "aufzubauen", die bereit sind, ihr zur Seite zu stehen, wenn gehänselt oder ignoriert wird: Appelliere an ihr Verständnis, an ihren Mut, und frage die Kinder, was sie anbieten können, dass sie für das Mädchen tun.


    Sollte das auch nichts bewirken und die Situation schlimmer werden, muss dringend radikaler interveniert werden. Da würde ich aber auch immer die Eltern mit einbeziehen und nichts veranlassen, mit dem sie nicht einverstanden sind. Denkbar wäre als eine von einigen Möglichkeiten z.B. zu verabreden, dass das Kind einen Tag zuhause bleibt und die ganze restliche Klasse mit dir (und evtl einem Außestehenden - Schulpsychologe, Sozialarbeiter, Verbindungslehrer oder Mediator) an dem Thema arbeitet. Wobei das Hauptziel sein muss, dass die anderen Kinder einsehen, wie sich die Situation für das Mädchen anfühlt und dass die (evtl. "harmlos gemeinten") Gemeinheiten in der Summe wirklich horrorhaft für einen einzelnen sind, únd dass sie gemeinsam verantwortlich sind - auch diejenigen, die "nur" schweigend "zugestimmt" haben.


    Wichtig ist auch dabei, zunächst ohne Schuldzuweisungen oder Strafandrohungen zu arbeiten: mobbing kann m.E. nur über Einsicht abgestellt werden. Dräuende Strafen führen zumeist nur dazu, dass das mobbing in der Schule unsichtbarer und stattdessen auf den Nachhauseweg oder sogar ins Privatleben verlegt wird. Dann entzieht es sich deinem Einfluss komplett und das Kind ist ausgeliefert. Strafe sollte der letzte, aber allerletzte Ausweg sein - ich bezweifele immer, dass das wirkliche Einsicht und dauerhaftes Überdenken des Verhaltens nach sich zieht. Manchmal lassen sich solche Dinge zwar nur noch so eingrenzen, aber das ist dann wohl eher das Ende der Fahnenstange. Wobei ich hier immer aus Gymnasiallehrersicht spreche - es mögen einzelne Dinge in der Grundschule anders liegen -- das zu erreichende Reflelxionsvermögen zum Beispiel...


    Viel Glück!
    Meike

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    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Hallo Nell,
    meiner Meinung nach sind bei einer Klasse von ca. 25 Schülern immer nur einige dabei, die bei derartigen Mobbing-Aktionen den sogenannten treibenden Keil bilden.
    Der "Rest" macht eben einfach mit, z.T. aus Gewohnheit, fehlendem Rückgrat und so, aber oft auch deswegen, weil keiner der erste sein will, der den "Kreis durchbricht".
    Ich denke, das wird auch in deiner Klasse so ähnlich sein, vor allem, wenn du schreibst, dass ein neuer, unvorbelasteter Schüler recht schnell in die Situation mit "einbezogen" wird.
    Falls es dir gelingt, die Anstifter zu herauszufinden, kannst du gezielter dagegen angehen. Sicherlich sind da als abschreckendes Beispiel tendenziell auch mal härtere Schulstrafen nötig bis hin zum angedrohten und bei Nichteinhalten auch ausgeführtem Klassenverweis. Allerdings für die Mobber !!!!!
    Dann ist sicherlich erst mal eine Weile Ruhe und gänzliche Funkstille in der Klasse.
    In dieser Zeit kannst du mit gezielten Aktivitäten versuchen, das gemobbte Kind wieder in den Klassenverband einzubinden. Dann werden sich sicherlich bald einige ehemalige "Mitläufer" finden, die ihr Verhalten bereuen und gut machen wollen.
    Wichtig ist, unbedingt die Eltern mit einzubeziehen und auch die Schulleitung immer zu informieren, damit sie bei eventuellen Maßnahmen hinter dir steht.
    Für das betroffene Kind ist es in diesem Prozess bestimmt auch wichtig, dass es in dieser Zeit Hilfe z.B. von Schulpsychologen o.ä. bekommt.
    Es ist ja leider so: ein Kind, was gemobbt wird, wird immer unsicherer und fängt dann auch an, sich "komisch" zu verhalten. Das ist nicht zu übersehen und so sagen dann nach einiger Zeit auch "wohlgesonnene" Personen, ob Lehrer, Mitschüler oder deren Eltern: der/die ist aber auch komisch, ich kann die anderen ja verstehen .....
    Insgesamt ist es ein langer, harter Weg, aber es lohnt sich!
    VLG
    martinasabine

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