Lehrerhasserbuch 2 - Elternsprechtag

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Leute!


    Ich habe mir gestern das neue Buch von Gerlinde Unverzagt alias Lotte Kühn gekauft und auch schon gelesen.
    Wie zu erwarten war, steht nicht viel Neues darin.


    Frau Kühn ist über den Medienrummel und die Resonanz, die sie mit ihrem ersten Buch erhalten hat, erstaunt. Sie hat nach ihren Aussagen Tausende Zuschriften erhalten, welche Kern des Buches sind.


    Das Buch selbst hat 10 Kapitel, in denen sie eine kurze Einleitung schreibt und danach zahllose Briefe und Emails veröffentlicht hat, die ihre Meinung bzw. ihre Darstellung im Lehrerhasserbuch belegen sollen (Möhrensuppen inklusive).
    Es entsteht der Eindruck, als gäbe es immer und überall in Deutschland schlechte Lehrer - das ist wohl auch per se erst einmal richtig. Es ist wohl auch nicht mehr wegzudiskutieren, dass es sich dabei nicht um bedauerliche Einzelfälle handelt.


    Ein Grundfehler in diesem Buch ist jedoch, Ansichten und Haltungen verschiedener Generationen und aus verschiedensten Jahrzehnten nebeneinander zu stellen. Wer nicht aufmerksam liest, wird den Eindruck bekommen, es sind nur schlechte Lehrer um uns. Die niemandem wirklich bekannte "Gesamtzahl", wie sie sich in ihrem Buch darstellt, muss aber relativiert werden, da von Großeltern, die über ihre eigene Schulzeit in den 1940ern berichten bis über die heutigen Eltern alles dabei ist.
    Das wesentliche Fazit ist also, dass es immer schon schlechte Lehrer bzw. als schlecht empfundene Lehrer gegeben hat.


    Was jedoch mittlerweile wirklich zu einem ernsthaften Problem wird, ist jedoch der Umstand, dass der Blickwinkel so auf die schlechten Lehrer bzw. auf die Schlechtheit der Lehrerschaft fixiert wird, dass ein Blick für die "guten" Lehrer bzw. für die überdurchschnittlichen oder gar herausragenden Leistungen anderer Lehrer gar nicht mehr möglich ist.


    Unsere Gesellschaft krankt daran, sofort alles tot zu reden und über alles zu meckern, aber eben nicht die Leistung Einzelner auch einmal offen zu honorieren.
    Insbesondere bei Lehrern ist man dann schnell dabei, die überdurchschnittliche Leistung mit dem hohen Gehalt und dem Beamtenstatus sowie den 12 Wochen Ferien zu relativieren.
    Was auch nicht gesehen wird bzw. schlichtweg ignoriert wird, ist dass wir Lehrer eine intrinsische Motivation für unseren Beruf besitzen müssen, da von Außen keine Leistungsanreize geschaffen werden. Natürlich nutzt das den schlechten Lehrern, weil diese so oder so bezahlt werden.
    Die guten Lehrer aber werden schlichtweg totgeschwiegen und in wesentlich stärkerem Maße als "Ausnahmen" dargestellt.


    Was hat Lotte Kühn also in diesem Buch geleistet?
    Sie hat viele Elternzuschriften veröffentlicht und damit gezeigt, dass offenbar viel zu viele Eltern und deren Kinder unter schlechten Lehrern zu leiden haben.
    Konstruktive Lösungen für uns Lehrer - außer die schlechten endlich aus dem Schuldienst zu entfernen - bietet sie nicht. Selten mal was Neues.


    Gruß
    Bolzbold

  • Das zweite Buch von Frau Kühn ist zweifelsfrei ein Cash-in, also nicht der Rede wert. Sie verdient Geld mit dem kommentierten Abdruck von Zuschriften. Macht ja auch weniger Mühe als selbst was zu schreiben - und man kann auch so tun als wollte man anderen eine Stimme verleihen.
    Perfide.

  • Zitat

    Bolzbold schrieb am 27.05.2006 11:53:
    Es ist wohl auch nicht mehr wegzudiskutieren, dass es sich dabei nicht um bedauerliche Einzelfälle handelt.



    Wieso nicht?
    Weil es in diesem Buch steht?


    MfG


    Amanda

  • Zitat

    Bolzbold schrieb am 27.05.2006 11:53:


    Konstruktive Lösungen für uns Lehrer - außer die schlechten endlich aus dem Schuldienst zu entfernen - bietet sie nicht. Selten mal was Neues.


    Gruß
    Bolzbold


    Hallo!


    Die Eltern müssen auch nicht die Lösungen finden.


    VG

  • Hallo!


    Ich wage mal den Tipp, dass der Anteil der Lehrer, die keinerlei "intrinsische Motivation" für ihren Beruf haben, genauso hoch wie in anderen Berufsgruppen ist. Somit sind es keine Einzelfälle. Für diese Erkenntnis braucht man allerdings keine Lotte-Kühn-Bücher...
    Unser "Problem" ist nur, dass von unserer Motivation, unserem Einsatz und unserem Erfolg so viele Zukunftsentscheidungen abhängig sind. Und daher beäugen uns viele Eltern sehr genau. Und das mit Recht, oder?


    Gruß,
    Peter

    • Offizieller Beitrag


    Nein, nicht WEIL es in diesem Buch steht sondern weil die Tatsache, dass Hunderte oder Tausende Eltern bzw. ehemalige Schüler sich darin wiedererkennen und ihre Erfahrungen an Frau Kühn geschickt haben, nicht wegzudiskutieren ist. Und falls das alles in dem Buch Lüge sein sollte, wie erklären sich die Rezensionen beim Knaur-Verlag bzw. beispielsweise bei Amazon.de?


    Ich denke, wir sollten als Lehrer auch die Augen aufmachen und uns zumindest der Möglichkeit stellen, dass es keine Einzelfälle sein könnten.


    Gruß
    Bolzbold


  • Doch, genauso wie Lehrer - und zwar als Wähler. Entscheidungen dieser Art werden von Lehrern genauso wenig gefällt wie von Eltern, sondern von der Schul- und Finanzpolitik.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Zitat

    Bolzbold schrieb am 27.05.2006 13:05:
    Nein, nicht WEIL es in diesem Buch steht sondern weil die Tatsache, dass Hunderte oder Tausende Eltern bzw. ehemalige Schüler sich darin wiedererkennen und ihre Erfahrungen an Frau Kühn geschickt haben, nicht wegzudiskutieren ist. Und falls das alles in dem Buch Lüge sein sollte, wie erklären sich die Rezensionen beim Knaur-Verlag bzw. beispielsweise bei Amazon.de?


    Dass Schule und Lehrer mit bestimmten Erfahrungen - wer war denn immer gern in der Schule? (Ich jedenfalls nicht.) - verknüpft sind, muss nicht notwendigerweise mit der Lehrerqualität zu tun haben.


    Schule ist eine Institution, die Menschen in einem gewissen Entwicklungsstadium (ich sag nur: Pubertät) zu bestimmten Handlungen und Verhaltensweisen zwingt - und zwar mit gesellschaftlichem Auftrag! Dass dabei unangenehme Erfahrungen zurückbleiben, ist völlig klar.


    Aber ob man daraus allein schon Handlungsanweisungen ableiten kann, halte ich für fraglich.


    Aber diese Erfahrungsberichte wären eben daraufhin zu befragen, was daran Realität und was daran Projektion ist. Und in zweiter Instanz: Wenn es Realität ist, ist es notwendig oder nicht? Schule ist nunmal kein Spaßbad und wird es auch durch Kosmetik nicht werden.

    Einmal editiert, zuletzt von philosophus ()

    • Offizieller Beitrag

    Bolzbold, der Punkt ist ja nicht, dass und ob es sich um Einzefälle handelt oder nicht (ich vermute mal, dass bei jedem Beruf da die Gaussche Nomalverteilung ungefähr stimmt: 30% sehr gut / gut, 40 % Mittelmaß, 30% unengagiert oder gar schlecht, in überlappenden Abstufungen) - sondern dass durch so eine Darstellung die "unteren 30%" als "das Normale" abgebildet, und so - nach der Logik der verengten/einseitigen Perspektive - auch wahrgenommen werden. Und das halte ich für unlauter.


    Ich kann mich nicht erinnern, dass von den Lehrern hier jemand behauptet hat, es gäbe keinen Prozentsatz schlechter Lehrer. Nur, dass es keinen höheren Prozentsatz schlechter Lehrer als schlechter Anwälte, Ärzte, Eltern... etc gibt und die Wahrscheinlichkeit, dass die Lehrer hier, die sich durch Nachdenken im Forum ständig weiterbilden, wohl tendenziell eher nicht zu den Gescholtenen gehören. Also muss hier keiner was "zugeben" o.ä. - die Tatsachen sind uns bekannt: wir arbeiten ja alle nicht reibungsfrei in unseren Kollegien, nehme ich mal an. Und die unengagierten, faulen, fiesen, ... machen uns das Leben mit schwer.


    Ich für meinen Teil habe genug Kollegen, deren Tun mich ärgert oder aufregt: ich setze mich mit ihnen auseinander, ärgere mich über sie, versuche sie zu überzeugen, die Schüler zu unterstützen, etc.
    Ich möchte allerdings NICHT in der Öffentlichkeit mit ihnen über einen Kamm geschoren werden und den Schuh muss und will ich mir nicht anziehen(lassen).


    Das wird durch solche reißerischen Bücher nicht einfacher. Und das frustriert. Und dürfte bei dem einen oder anderen engagierten Kollegen auch schonmal die "Warum-Frage" nach dem Sinn von Engagement in einer generell "lehrerfeindlichen Umwelt" erzeugt haben.


    So jedenfalls wird man die Kommunikation nur erschweren. Schade drum.

  • Zitat

    Meike. schrieb am 27.05.2006 13:23:
    So jedenfalls wird man die Kommunikation nur erschweren. Schade drum.


    Ich stimme völlig zu.


    Wieso reiße ich mir den A*** auf, wenn ich von übereifrigen Müttern mit extrem verengtem Blickwinkel mit den unengagierten Lehrern in einen Topf geworfen werde? Die liebsten Eltern sind mir die, die das Engagement der engagierten Lehrern würdigen. Schon mal was von "positiver Verstärkung" gehört, Lotte Kühn? Ich kaufe keines der beiden Bücher, lieber investiere ich das Geld in Bücher, aus denen ich wirklich was lernen kann, und in Bücher für meine lieben Schüler, die es verdient haben, dass ich mich für sie engagiere.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Powerflower schrieb am 27.05.2006 14:07:
    Ich stimme völlig zu.
    Wieso reiße ich mir den A*** auf, wenn ich von übereifrigen Müttern mit extrem verengtem Blickwinkel mit den unengagierten Lehrern in einen Topf geworfen werde? Die liebsten Eltern sind mir die, die das Engagement der engagierten Lehrern würdigen. Schon mal was von "positiver Verstärkung" gehört, Lotte Kühn? Ich kaufe keines der beiden Bücher, lieber investiere ich das Geld in Bücher, aus denen ich wirklich was lernen kann, und in Bücher für meine lieben Schüler, die es verdient haben, dass ich mich für sie engagiere.


    Was den Kauf der Bücher angeht, so war bei mir der Grund sicherlich nicht die Hoffnung etwas Neues zu lesen.
    Wenn es aber von mehreren Seiten Kritik hagelt - berechtigter- oder unberechtigterweise, dann empfiehlt sich meines Erachtens dennoch eine Auseinandersetzung mit selbiger - und sei es nur, dass man in Erfahrung bringt, was alles so geschrieben wird.
    Etwas polemsich überspitzt könnte ich auch sagen, ich studiere die Strategien meiner Feinde, um mich gegen Angriffe zu wappnen.


    Gruß
    Bolzbold

  • Zitat

    Bolzbold schrieb am 27.05.2006 13:05:
    Nein, nicht WEIL es in diesem Buch steht sondern weil die Tatsache, dass Hunderte oder Tausende Eltern bzw. ehemalige Schüler sich darin wiedererkennen und ihre Erfahrungen an Frau Kühn geschickt haben, nicht wegzudiskutieren ist. Und falls das alles in dem Buch Lüge sein sollte, wie erklären sich die Rezensionen beim Knaur-Verlag bzw. beispielsweise bei Amazon.de?


    Dann formuliere ich es halt ein wenig anders: Der Inhalt des Buches ist deshalb wahr, weil Hunderte bzw. Tausende von Eltern, Schülern etc. aussagen, es sei wahr?
    Die Wahrheit einer Aussage hängt also davon ab, von wie vielen Leuten diese Aussage vertreten wird?
    Stell dir vor, man hätte vor Kopernikus eine Umfrage durchführen können zu der Frage, ob die Erde oder die Sonne im Zentrum der Welt steht ...


    Wie hätte die Mehrheit wohl geantwortet und warum?


    Mit freundlichen Grüßen


    Amanda

  • Hallo Bolzbold,


    Zitat

    Bolzbold schrieb am 27.05.2006 14:10:
    Wenn es aber von mehreren Seiten Kritik hagelt - berechtigter- oder unberechtigterweise, dann empfiehlt sich meines Erachtens dennoch eine Auseinandersetzung mit selbiger - und sei es nur, dass man in Erfahrung bringt, was alles so geschrieben wird.


    so hatte ich die Beweggründe deines Kaufs auch verstanden. Ich bin dir sogar dankbar, dass wir erfahren, worum es drinnen geht, ohne dass wir dafür Geld ausgeben müssen. ;)


    Ich möchte mit meinen Zeilen im letzten Posting niemanden angreifen, der diese Bücher kauft oder liest, und wenn er es nur aus reiner Neugier macht.

    • Offizieller Beitrag


    Liebe Amanda,


    Dein Vergleich hinkt, das weißt Du aber sicher auch selbst.
    Kopernikus hat gegen ein Dogma ankämpfen müssen, das mit Wahrheit nichts zu tun hatte - die Kirche wollte bzw. konnte die Wahrheit nicht sehen.


    Bei den in dem Buch abgedruckten Schilderungen der Eltern bzw. der ehemaligen Schüler handelt es sich aber um persönliche Empfindungen und Einschätzungen. Dass diese subjektiv sind, bestreitet keiner.
    Wenn aber Dutzende, Hunderte, Tausende Eltern, Schüler etc. sich über schlechte Lehrer beschweren, dann muss man das erst einmal anerkennen.


    Diskussionen um Prinzipien der Wahrheitsfindung helfen uns da nicht weiter.


    Auf Deine abschließende Frage will ich mit einer Gegenfrage antworten und bei Deinem Vergleich bleiben:


    Willst Du die These, dass es keine Einzelfälle sind, nicht akzeptieren, nur weil es Dir nicht in den Kram passt?


    Gruß
    Bolzbold

  • Bei derzeit 672.000 hauptamtlichen Lehrern in Deutschland kann ich mit einem "Bodensatz" von 20 oder 30 "schlechten" Lehrern, über die Frau Kühn schreibt, gut leben.
    Quelle: http://www.destatis.de/basis/d/biwiku/schultab20.php
    ;)
    Nach meinen neuerlichen Erfahrungen bin ich geneigt, ein "Automechaniker-Hasserbuch" zu schreiben. Irgendwie habe ich das Gefühl, als ob der Prozentsatz an "Luschen" hier höher ist - und die sind WIRKLICH gefährlich. Bei meinem letzten Werkstattbesuch hat einer vergessen, die Radmuttern wieder festzudrehen. Ob der das Lehrerhasserbuch gelesen hat? 8o

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Zitat

    alias schrieb am 27.05.2006 17:38:

    Nach meinen neuerlichen Erfahrungen bin ich geneigt, ein "Automechaniker-Hasserbuch" zu schreiben.


    Dummerweise gibt es dafür, marktwirtschaftlich gesehen, keinen Bedarf. ;)


    Gruß


    Animagus


  • Das würde ich so ohne weiteres nicht sagen. Ich könnte auch einen Beitrag dazu steuern unter der Überschrift: "Wieviel Öl sollte man bei einer Inspektion nachfüllen, ohne dass der Motor bei der nächsten Autobahnfahrt kaputt zu gehen droht?" ;)


    LG silja

  • Ich hab das erste Buch nur in Ausschnitten gelesen, dieses hier tue ich mir bestimmt nicht auch noch an.
    Ich finde es aber ehrlich deprimierend. Natürlich gibt es auch schlechte Lehrer... hat es immer gegeben, wird es auch weiterhin geben... genauso wie es wohl auch Eltern gibt, über die man solche Bücher schreiben könnte. Aber muss das sein?


    Warum wird in unserer Gesellschaft auf solche Art über eventuelle Missstände geredet? Und warum wird gleich jeder, der einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe angehört mit allen anderen in einen Topf geworfen?


    Ich weiß, das ist eher eine Grundsatzdiskussion, die nur am Rande etwas mit dem Buch zu tun hat.
    Aber mich macht es wirklich traurig... Vor allem, weil ich mir auch denken kann, mit welcher Einstellung die Kinder solcher "Schubladen-Denker" dann in der Gesellschaft aufwachsen (bzw. in der Schule den Lehrern begegnen).

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