gewalt gegenüber lehrer ... medienzuspitzung oder realität ?!?

  • hallo,


    bin endlich mal dazu gekommen, meine aufzeichnung der letzte "monitor"-sendung anzuschauen. thematik war unter anderem "gewalt im klassenzimmer". wer sich den bericht selber anschauen möchte, klickt hier:


    http://www.wdr.de/tv/monitor/real.phtml?bid=783&sid=144


    ich arbeite ja nun an einer grundschule und kann mir die situation an weiterführenden schulen nicht wirklich ausmalen. deshalb meine frage an sek I - lehrer: wie ist euer eindruck? gibt es tatsächlich solche drohungen und gewalt? gibt es gar schon angst in manchen kollegien ... ? oder doch nur mediale stimmungsmache?


    gut fande ich die kritik an der allgemeinen lehrerschelte in deutschland, die sich ja auch durch dieses forum zieht. im speziellen eine kritik am "lehrer-hasser-buch", dem hier ja zurecht schon faschistoide züge bei der titelwahl angelastet wurden.


    nach dem bericht war ich doch etwas bekümmert und möchte mir lieber noch einen objektiveren eindruck von der lehrerfront machen...

  • Hallo schlauby,


    ich bin Lehrer an einer gewerblichen Schule. An unserer Schule selbst ist es bisher noch nie zu wirklich dramatischen Vorfällen gekommen. Allerdings stelle ich fest, dass es denjenigen Schularten mit Hauptschulabschluss als Eingangsvoraussetzung eindeutig "ruppiger" zugeht und den Lehrern mit weniger Respekt begegnet wird.


    Die Ursachen dafür sind ja hinlänglich bekannt: Die Schüler sind sich ihrer geringen Chancen auf dem Ausbildungsmarkt bewusst. Wenn der Trend in technischen Bereichen so weitergeht, dann wird es für die Kids in einigen Jahren nur noch zwei Möglichkeiten geben. Entweder sie werden Ingeneur oder Hartz-IV-Empfänger, denn dazwischen wird es in unserem Land nichts mehr geben. In welche der beiden Kategorien der heutige Hauptschüler fallen wird, ist leider zu 80% klar.


    Ich war selbst ein Hauptschüler und habe mich danach langwierig über diverse Schularten bis zum Studium "hochgearbeitet". Es war für mich damals (80er Jahre) schon hart, aber wenn ich sehe welche Eingangsvoraussetzungen (bezogen auf gewisse Grundkompetenzen wie Problemlösung, Abstraktionsvermögen etc.) die Hauptschüler heute mitbringen, dann ist das schon erschreckend. Gerade aus diesem Grund wehre ich mich dagegen diese Entwicklung noch zu verstärken, in dem wir ihnen von Jahr zu Jahr weniger Leistung abverlangen. Auf der anderen Seite ist aber auch klar, dass uns einfach die Werkzeuge fehlen den Schülern entsprechende Konsequenzen spüren zu lassen. Hat jemand keinerlei Perspektive, dann ist die Vergabe einer schlechten Note lächerlich. (Dazu sei angemerkt, dass Während meiner eigenen Schulzeit sich niemand mit einer 5 oder 6 als "Held" feiern liess, sondern die Arbeit unter Schamesröte gleich in die Tasche gesteckt hat.) Die geringe Wertschätzung der Noten hat mich auch zu Ende des letzten Halbjahres nachdenklich gestimmt, als ich in der Pause nach Stunde einen Papierflieger aus einem soeben ausgegebenen Zeugnis (mit dem man sich normalerweise bewirbt!) unter dem Heizkörper fand.


    Als wichtiges Werkzeug fehlt heute meines Erachtens die Zusammenarbeit mit den Eltern. Damit meine ich insbesondere, dass wir alle "gemeinsam an einem Strang ziehen". Während meiner eigenen Schulzeit hatten die Eltern der Klasse (nicht nur meine eigenen Eltern) sehr engen Kontakt zu den Lehrern. Einige meiner damaligen Klassenkameraden waren, was ich aus heutiger Sicht als "verhaltensauffällig" bezeichnen würde. Ich kann mich erinnern, dass damals die Eltern der entsprechenden Schüler hin und wieder im Unterricht hospitiert haben und so ihren filius bzw. ihre filia mal von einer anderen Seite erlebt haben und/oder sie durch ihre blosse Anwesenheit positiv beeinflusst haben.


    Auch der Zusammenhalt der Eltern untereinander war enorm. Konnten sich Eltern nicht um ihr Kind kümmern (z.B. Alkoholabhängige) oder sind ihnen die Probleme "über den Kopf gewachsen", dann haben sich alle anderen Eltern dafür eingesetzt, eine Lösung zu finden. Wenn sich irgendjemand in diesem Gefüge nicht korrekt (d.h. mit negativen Auswirkungen auf die anderen) verhielt, dann wurde das Problem Gremium gelöst. Und zwar unabhängig davon ob es sich um einen Schüler, Lehrer oder ein "durchgeknalltes" Elternpaar handelte.


    Erst vor kurzem habe ich bei meinem ehemaligen Lehrer in der Hauptschule hospitiert. Im anschliessenden Gespräch wurde klar, dass nicht zuletzt das mangelnde Engagement der Eltern heute die Situation negativ beeinflusst.


    In meinen Klassen habe ich einige minderjährige Schüler sitzen. Dennoch erscheinen am Elternabend vielleicht 1 bis maximal 2 von 30 Elternpaaren. Setze ich mich bei Schwierigkeiten mit den Eltern in Verbindung, so wird die Schuld für die mangelnde Leistung entweder der Schule in die Schuhe geschoben ("Mein sohn sagt, dass alle in der Klasse schlecht waren, also wird halt einfach zu viel verlangt.") oder die Eltern reden sich anderweitig raus ("Ich habe leider keine Zeit mich um die Probleme meines Sohns/Tochter zu kümmern, weil ich die ganze Zeit auf Achse bin").


    Von meinem Angebot, einfach mal im Unterricht zu hospitieren, hatte bisher leider nur ein Vater Gebrauch gemacht. Und das war gerade noch der meines "Vorzeigeschülers", obendrein -- wie sich später herausstellte -- von Beruf Fachleiter an einem Seminar.


    Mir ist klar, dass heute viele Eltern aufgrund des Ringens um die Existenz im Berufsleben weniger Zeit für ihre Kinder haben. Trotzdem sollten Eltern unter Androhung von Geldstrafe verpflichtet werden (zumindest solange ihre Kids noch minderjährig sind) an Elternabenden teilzunehmen.


    Nicht die Lehrer (zumindest von meiner Schule kann ich das sagen), sondern die Eltern haben sich abgekapselt. Jeder in sein Kämmerlein, in dem er über Lehrer, Unterricht, Mitschüler seines Kindes schimpft, ohne diese jemals selbst erlebt zu haben.


    Solange sich daran nichts ändert, bleibt es nur eine Frage der Zeit bis es an unserer Schule auch mal kracht.


    -- Drew

    Until he extends his circle of compassion to include all living things, man will not himself find peace.
    Albert Schweitzer 1875-1965

  • Hmm, ich arbeite ja an einer Hauptschule und da ist es zwar noch nie zu physischen Übergriffen auf die Lehrer gekommen, aber verbal müssen sich einige Lehrer schon ziemlich viel gefallen lassen. Beleidigungen, demonstrative Unaufmerksamkeit und auch ab und zu das Zerstören oder Beschädigen von Gegenständen ist quasi an der Tagesordnung.


    Anfangs war ist sehr darüber geschockt, wie wenig Respekt die Schüler vor ihren Lehrern haben. Die Drohung, die Eltern anzurufen und zum Gespräch zu bitten, zieht bei den wenigsten Schülern, denn den meisten Eltern ist es egal, was ihre Kinder in der Schule machen. Dafür werden halt die Lehrer verantwortlich gemacht´und das wissen die Schüler.


    Letzte Woche hatte ich meinen ersten Elternsprechtag und war wirklich erstaunt darüber wie sehr die Kids doch ihre Eltern wiederspiegeln. Wenn auch Eltern vor nichts und niemandem Resprkt haben, wie sollen es dann die Kinder?
    In vielen Familien gibt es keine Regeln. Die einfachsten Höflichkeitsregeln wie z.B. "bitte" und "danke" zu sagen kennen viele Schüler nicht mehr von zu Hause. Geschweige denn lernen sie dort, die eigenen Interessen denen der Gruppe auch mal unterzuordnen.


    Es ist auch erschreckend, in wie vielen Familien das Jugendamt mit drinsteckt, weil eine einigermaßen vernünftige Erziehung seitens der Eltern nicht möglich ist. Doch auch die Sozialarbeiter können nicht alles auffangen, was über Jahre versäumt wurde.


    Ich habe auch das Gefühl, dass immer mehr Verantwortung für den Erfolg oder Misserfolg der Schüler auf die Schule geschoben wird und sich die Eltern um nichts mehr kümmern und sich völlig aus der Verantwortung ziehen wollen.

  • Hallo,


    nach meinen bisherigen Erfahrungen fällt mir dazu ein:


    - Es gibt gravierende Unterschiede zwischen Stadt und Land. Alteingesessene Bauernkinder und zugezogene Aussiedler gehen zwar gemeinsam in die Hauptschule, es liegen aber Welten dazwischen.


    - Eltern scheinen sich mehr und mehr zurückzuziehen und können mit Problemen selbst nicht umgehen - sobald es kritisch wird, siehst du keinen mehr, dabei wäre doch genau dann Zusammenarbeit notwendig.


    - Es gibt verhaltensauffällige Hauptschüler, aber weitaus mehr unauffällige. Nur fallen die auffälligen eben mehr auf. ;)


    - Vielen Schülern fehlt es an Werteerziehung, bzw. was daheim vermittelt wird ist: "Ich zuerst" und "Jeder kann doch machen, was er will."


    - Kinder mit Migrationshintergrund können eine Bereicherung sein, aber nur, wenn sie nicht geballt in Massen auftreten.


    - Da die Hauptschule eine Regelschule ist, können auch gröbste Regelverstöße nicht wirksam geahndet werden - das gibt den Schülern allgemein das Gefühl: "Es passiert ja doch nichts" und vermengt sich dann ungut mir der "Jeder kann machen, was er will"-Haltung. Das böse Erwachen kommt dann, wenn nach zig Verweisen und mehreren Schulausschlüssen dann irgendwann die Schulzeit ehemaliger Sitzenbleiber nicht verlängert wird. Dann fallen Kind und Eltern aus allen Wolken.



    Trotzdem weiß ich nicht, ob die momentane Diskussion nicht sehr schädlich ist. Da wird ein verzerrtes Bild der Hauptschule gezeichnet, die Zustände in Berlin werden von der Öffentlichkeit 1:1 auf sämtliche Hauptschulen des Landes übertragen, womit man dem Großteil der Schüler bitter Unrecht tut.


    Mangels Geld wird es wünschenswerte Verbesserungen doch nicht geben, übrig bleibt ein ruinierter Ruf.


    LG
    Tina

    Ein Hund denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, sie müssen Götter sein!" Eine Katze denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, ich muss ein Gott sein!"

  • danke schon mal für eure rückmeldungen!


    nach dem lehrerhasser-buch und ersten forderungen, lehrergehälter endlich zu kürzen ...


    Zitat


    Trotzdem weiß ich nicht, ob die momentane Diskussion nicht sehr schädlich ist. Da wird ein verzerrtes Bild der Hauptschule gezeichnet, die Zustände in Berlin werden von der Öffentlichkeit 1:1 auf sämtliche Hauptschulen des Landes übertragen, womit man dem Großteil der Schüler bitter Unrecht tut.


    Mangels Geld wird es wünschenswerte Verbesserungen doch nicht geben, übrig bleibt ein ruinierter Ruf.


    ... finde ich, dass ein solcher hilferuf längst überfällig war. mehr respekt für unsere arbeit, könnte viel bewirken. leider wird es wohl aber doch nur bei diesem medialen rummel bleiben


    ich für meinen teil ziehe den hut vor den vielen hauptschullehrern, die unter diesen bedingungen dennoch so gute arbeit verrichten. ganz klar: ich könnte es oder zumindest wollte nicht!

  • Hallo,


    bei uns ist z.B. der Trend immer mehr eigentliche Förderschüler an der Hauptschule zu belassen. Von meiner Klasse ist das aktuell ein Fünftel!!!


    Da brauche ich keine Gehaltsaufstockung sondern angepasste Bedingungen - denn den "normalen" leistungsstarken Hauptschüler gibt es ja auch noch!! ?(


    Das Spektrum reicht von leistungsschwach über verhaltensauffällig bis gerade nicht mehr Realschule. Im schlimmsten Fall habe ich nächstes Jahr 30 Schüler und keinen Förderunterricht mehr. Auf wessen Kosten das geht, ist ja klar. :(


    ICH persönlich brauche nicht mehr Kohle - aber finanzielle Mittel für die Schüler, das wohl. Leider läuft es gerade andersrum, schon allein, weil wir einen Mangel an Hauptschullehrern haben.


    Und bei der Berichterstattung werden das wohl kaum mehr!!


    Wobei - der Praktikant, den ich letzte Woche hatte, hat mir die Rückmeldung gegeben, die Schüler in der HS hätte er als wesentlich angenehmer als die Realschüler seines anderen Praktikums empfunden.
    Natürlich entscheidet er sich jetzt aber doch für die Realschule, wegen der Diskussion um die Auflösung der Hauptschulen. ?(?(


    LG
    Tina

    Ein Hund denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, sie müssen Götter sein!" Eine Katze denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, ich muss ein Gott sein!"

  • Zitat

    Es ist auch erschreckend, in wie vielen Familien das Jugendamt mit drinsteckt, weil eine einigermaßen vernünftige Erziehung seitens der Eltern nicht möglich ist. Doch auch die Sozialarbeiter können nicht alles auffangen, was über Jahre versäumt wurde.


    Ja, sicher erschreckend, wenn man die Ursachen betrachtet, die ein Engagement des Jugendamtes überhaupt erst nötig gemacht haben. Aber: Oftmals bin ich froh, wenn Familien (was ja auch freiwillig vorkommt) die Unterstützung der Jugend-/Familienhilfe, der Erziehungsberatung oder auch des Jugendamtes annehmen. Ich hatte auch schon Kids in der Klasse, die bzw. deren Eltern immer dann, wenn sich das Jugendamt eingeschaltet hat, den Stadt- bzw. Jugendamtsbezirk gewechselt haben. Auf der anderen Seite hatte ich schon hin und wieder Eltern in der Sprechstunde, die sich ziemlich hilflos im Umgang mit ihren Kindern gefühlt haben und den Vorschlag, Kontakt zur Erziehungsberatung aufzunehmen, gern aufgegriffen haben, z.T. auch mit (auch in der Schule) spürbarem Erfolg.
    Eine bessere Koperation zwischen eltern, Schule und den Jugendhilfeeinrichtungen gehört ja derzeit zu meinen 'Lieblingsutopien', wobei ich mich bislang über die Eltern meiner Hauptschüler echt nicht beschweren kann.


    Zum Thema Gewalt in der Hauptschule habe ich bislang noch keine eindeutige Erkenntnis. Schlägereien u.ä. habe ich bisher selten erlebt, was mich jedoch mehr und mehr stört, ist die Selbstverständlichkeit, mit der Gewalt angedroht und zumindest auch verbal angewendet wird. Und v.a. die Selbstverständlichkeit und Akzeptanz dieser Verhaltensweisen. Als ich mit meiner Klasse darüber gesprochen habe, war der Tenor in etwas, ich solle mich nicht so anstellen, das sei normal, nicht so gemeint oder üblich, was die Lehrer nur immer hätten, das sei halt ihr Umgang miteinader, es würde ja niemand verletzt, man könne sich doch nicht alles gefallen lassen.....


    Mein bisheriges Fazit daraus ist, mich dringend um weniger verbal-kognitive Appelle (die ja gern den GL- und Reli-Lehrern überlassen werden) und mehr praktische, erfahrungsorientierte Anti-Gewalt-Projekte zu bemühen, auch bei 'spaßiger', verbaler Aggression ganz klar Grenzen deutlich zu machen (wobei ich die Erfahrung gemacht habe, dass aufgeregte Reakt-und Diskussionen nichts bringen, sonder kurze, eindeutige Hinweise auf bestehende Regel und Gespräche unter vier Augen effektiver sind).


    Eine zweite 'Erkenntnis' ist die (ja auch schon des öfteren nachzulesene) Erfahrung, dass gerade bei frustrierten, schulmüden Schülern die Aggressionen abnehmen, wenn sie positive, bewältigbare Herausforderungen vor sich haben und ihre Stärken beweisen können. Deshalb bemühe ich mich verstärkt um Projektarbeit (was allerdings nicht heißen soll, dass es keinen 'normalen' Unterricht gibt, der sehr wohl seine Vorteile und Lernerfolge hat, v.a. in Kombination mit offenen Arbeitsformen) und v.a. um einen höhreren Praxisanteil im/neben dem Unterricht.


    Was mir bei der ganzen 'Gewalt an (Haupt-)Schulen diskussion zu kurz kommt, sind die vielen guten Ideen und Ansätze, die es bereits gibt. statt die Schulen, de so etwas machen, zu unterstützen, werden mal wieder Grundsatzdiskussionen um Integration, Ausweisung, Prüfungen etc. geführt. Aber das kostet ja auch weniger, als Sozialpädagogen, Klassenlehrer-, Koordinationsstunden und Wekstattaustattungen zu finanzieren X(


    @ schlauby:

    Zitat

    ich für meinen teil ziehe den hut vor den vielen hauptschullehrern, die unter diesen bedingungen dennoch so gute arbeit verrichten. ganz klar: ich könnte es oder zumindest wollte nicht!


    Habe ich auch nicht, bzw. ich habe die Haupt- mit der Realschule in Kauf genommen, weil es eben oft diese Kombinationen gibt; inzwischen arbeite ich dort fast lieber, allerdings mit der Einschränkung, dass sich an den Hauptschulen zwar schon viele ändert, aber auch noch vieles ändern muss, sonst ist es auf Dauer sicherlich nur schwer durchzuhalten - aber 'meine' Schüler möchte ich wircklich nicht mehr hergeben!


    carla

    Nehmen Sie die Menschen so wie sie sind.
    Es gibt keine anderen

  • Zitat

    Drew schrieb am 09.04.2006 09:06:
    Hallo schlauby,


    ich bin Lehrer an einer gewerblichen Schule. An unserer Schule selbst ist es bisher noch nie zu wirklich dramatischen Vorfällen gekommen. Allerdings stelle ich fest, dass es denjenigen Schularten mit Hauptschulabschluss als Eingangsvoraussetzung eindeutig "ruppiger" zugeht und den Lehrern mit weniger Respekt begegnet wird.


    Die Ursachen dafür sind ja hinlänglich bekannt: Die Schüler sind sich ihrer geringen Chancen auf dem Ausbildungsmarkt bewusst. Wenn der Trend in technischen Bereichen so weitergeht, dann wird es für die Kids in einigen Jahren nur noch zwei Möglichkeiten geben. Entweder sie werden Ingeneur oder Hartz-IV-Empfänger, denn dazwischen wird es in unserem Land nichts mehr geben. In welche der beiden Kategorien der heutige Hauptschüler fallen wird, ist leider zu 80% klar.


    Ich arbeite auch an einer gewerblichen Schule. Allerdings haben wir nur technische Berufe, den größeren Teil in der Industrie. Seltsamerweise sind meine Erfahrungen doch größtenteils anders. Zum einen fallen unsere Hauptschüler gegenüber den Realschülern kaum auf. Zum anderen kann ich auch die Einschätzung nicht teilen, dass es in Zukunft nur noch Ingenieure oder Hartz IV Empfänger gebe. Hauptschule ist m.E. keine Sackgasse, wohl läuft aber der Hauptschulabschluss in Gefahr. Viele der anspruchsvolleren Ausbildungsberufe - vor allem wenn sie noch in der Industrie sind - sind nur mit Mittlerer Reife erreichbar. Durch die Werkrealschule oder die zweijährigen Berufsfachschulen stehen aber auch Hauptschülern diese Berufe offen. Eine gute Ausbildung und vielleicht später noch den Techniker dazu, ist in unserer Region immer noch beste Voraussetzung für einen guten und halbwegs sicheren Job.

    Zitat


    Nicht die Lehrer (zumindest von meiner Schule kann ich das sagen), sondern die Eltern haben sich abgekapselt. Jeder in sein Kämmerlein, in dem er über Lehrer, Unterricht, Mitschüler seines Kindes schimpft, ohne diese jemals selbst erlebt zu haben.


    Solange sich daran nichts ändert, bleibt es nur eine Frage der Zeit bis es an unserer Schule auch mal kracht.


    -- Drew


    Wir liegen altersmäßig wohl etwa gleich. Schon zu meiner Zeit war es in der Oberstufe des Gymnasiums so, dass vielleicht noch 30% der Eltern auf den Klassenpflegschaftsabenden aufgetaucht sind. Da damals 90% der Schüler aus der klassischen gutbürgerlichen Schicht kamen, wundert mich nicht, dass heute an beruflichen Schulen sich auch bei den Vollzeitklassen nur wenige Eltern auf die Elternabende verirren...
    Was den Sekundar I und Primarbereich anbetrifft, mag das wieder ein anderes Thema sein.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Was ich an dem Beitrag gut fand, war dass am Schluss kam, dass die Medien diese "Wut" auf Lehrer noch zusätzlich anschüren. Ich möchte nicht behaupten, dass das "Lehrer-Hasser-Buch" ein Grund für die Gewalt gegenüber Lehrern ist, aber förderlich mag solch eine Frontenbidung auch nicht sein!


    Wie man in dem Beitrag auch sehen konnte, dass so diese Gewaltbereitschaft nicht nur an Hauptschulen stattfindet. Ich bin auch an einer Hauptschule, wo es manchmal übel zugeht (Messerstecherei, Schlägereien, Erpressung usw), aber Handgreiflichkeiten einem Lehrer gegenüber gab es noch nicht.
    Meiner Meinung nach, gehen die Schüler auch viel zu selbstverständlich mit Gewalt um. Es wird einfach mal so jemandem angedroht, ob es passiert oder nicht. Es wird noch als Spaß gesehen und uns Lehrern gesagt, dass sie sich doch ganz normal verhalten würden.
    Und das fängt schon in der Grundschule an.
    Würde dann die Zusammenarbeit mit den Eltern besser funktionieren, dann könnten vielleicht manche Probleme schon behoben werden, aber oft haben die ja ein ganz anderes Bild von ihrem Kind.


    Ich ziehe auf jeden Fall den Hut vor solchen Lehrern wie jetzt an der Rütli-Schule. Mich würde da kein Schüler mehr sehen! Und Spaß am Arbeiten hat ja da keiner mehr!

    Verstehen kann man das Leben nur rückwärts,
    leben muss man es vorwärts. (Sören Kierkegaard)

  • Timm: Vielen Dank für Deine Erfahrungen. Es ist aufmunternd zu hören, dass es woanders (bzw. in anderen Bereichen) noch einigermassen läuft.


    Zitat

    Viele der anspruchsvolleren Ausbildungsberufe - vor allem wenn sie noch in der Industrie sind - sind nur mit Mittlerer Reife erreichbar. Durch die Werkrealschule oder die zweijährigen Berufsfachschulen stehen aber auch Hauptschülern diese Berufe offen. Eine gute Ausbildung und vielleicht später noch den Techniker dazu, ist in unserer Region immer noch beste Voraussetzung für einen guten und halbwegs sicheren Job.


    Tja, siehste. Genau darin liegt bei uns das Problem.
    In der Region sieht's
    1. im Moment in unserem Bereich (Elektrotechnik) überhaupt nicht gut aus und
    2. ist für elektrotechnische Berufe immer noch der Hauptschulabschluss Zugangsvoraussetzung


    Das führt dazu, dass die stärkeren Hauptschüler in Berufe mit höheren Chancen abwandern und nur noch diejenigen zu uns kommen, die bei diesem Wettbewerb auf der Strecke bleiben.


    Komischerweise ist für elektrotechnische Berufe immer noch der Hauptschulabschluss als Zugangsvoraussetzung ausreichend. Ich denke, da fasst sich jeder an den Kopf der schon mal über das ohm'sche Gesetz hinaus sich mit der Elektrotechnik befasst hat. Knapp 90% der Schüler, die zu uns kommen haben ein erbärmliches Abstraktionsvermögen. Ok ... wenn man das nicht kann, könnte man sich mit sturem Anwenden von Formeln durchmogeln. Aber dort scheitert genau der selbe Prozentsatz an Schülern beim Formelumstellen oder Rechnen mit 10er Potenzen. (Es gibt natürlich auch viele Realschüler, die das auch nicht können.) Insgesamt ist es aber m.E. zu spät, wenn man diese Kompetenzen erst in der Berufsfachschule oder Berufsschule erwirbt.


    Na ja ... was bringt's sich deswegen die Haare auszureissen. Vielleicht sollte die Schule einfach das machen, wozu sie da ist: Die Perspektiven aufzeigen, die's wirklich gibt und nicht welche die lediglich eine Wunschvorstellung vieler Eltern oder vielleicht sogar des Schulleiters sind ...


    -- Drew

    Until he extends his circle of compassion to include all living things, man will not himself find peace.
    Albert Schweitzer 1875-1965

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