Heute erschien unangemeldet eine Mutter bei mir (hat sich wohl rumgesprochen, dass ich nachmittags im Klassenzimmer korrigiere). Hatte auch gleich die Nachhilfelehrerin ihrer Tochter dabei (eine Sportlehrerin im Fitnessstudio, wie ich zum Ende des Gespräches herausfand), sie hätten ein dringendes Problem und müssten unbedingt mit mir sprechen.
Naiv wie ich noch bin habe ich mich auch darauf eingelassen und habe recht lange und ausführlich mit den beiden gesprochen. Ihre Tochter schreibt bei mir meist 3er, manchmal auch ne 4, und ich hatte schon den Eindruck, dass diese Leistungen auch ihren Fähigkeiten entsprächen. Die Mutter aber hielt mir vor, dass ihre Tochter in der ersten und zweiten Jahrgangsstufe lauter 1er und 2er hatte, ich aber Prüfungsangst bei ihrer Tochter hervorrufen würde und ihre Tochter deshalb nicht die Leistungen bringt, die sie könnte. (Die Nachhilfelehrerin - die Gymnastiklehrerin! - entwirft ihr auch immer Tests, und in denen hat sie immer einser und zweier).
Als ich nach Hause kam, habe ich in den Zeugnissen der ersten und zweiten Jahrgangsstufe nachgesehen, die Schülerin hat exakt die selben Noten bei mir wie am Ende der zweiten Klasse, nur in einem Fach (Kunst) hat sie sich von einer zwei auf eine drei verschlechtert.
Ärgern tut mich jetzt weniger der Vorwurf, dass ich die Prüfungsangst erzeugen würde (zumal der ja eh darauf begründet war, dass ich die Punktzahl angebe, wie viele Punkte man bei einer Aufgabe erreichen könnte). Ärgern tut mich viel mehr, dass die Mutter denkt, ich wäre so blöd, dass sie mich über die bisherigen Noten ihrer Tochter anlügen könnte. Oder ist die Mutter nur so naiv, dass sie die Noten wieder vergessen hat?
Bin jetzt am Überlegen, ob ich die Mutter nochmal darauf ansprechen soll - zumal ich ja jetzt ein wenig anders vorgehen würde als wie heute - als ich noch von Prüfungsangst der Tochter ausging (hab mich schon gewundert, dass mir das so nicht aufgefallen ist). Außerdem ärgert es mich echt, dass sie mich einfach so angelogen hat (hat mir ja sogar richtig gesagt: In Deutsch hatte sie eine 2 (in Wirklichkeit eine 3), in Mathe eine 2 (in Wirklichkeit eine 4), ...). Würde ihr erklären, dass wir ihrem Kind bestmöglichst helfen wollen und wir daher sachlich die Ausgangslage beachten müssen oder so ähnlich.
Ist es übertrieben, dass ich mich ärgere (vielleicht wird mir sowas in meiner weiteren Laufbahn ja häufiger passieren?) und würdet ihr die Mutter ansprechen?