Früher war alles besser...

  • Zitat

    philosophus schrieb am 08.03.2006 23:07:
    Stimmt das überhaupt?


    Wer schmeißt denn ATTAC (ohne jetzt dafür Position beziehen zu wollen)?


    Ich habe gar nicht den Eindruck, dass die Jugendlichen heute unpolitischer seien - sie sind es nur nicht im 'klassischen' Sinne, was man ihnen aber angesichts der Gleichförmigkeit der Politiker beinahe aller Couleur aber nicht verdenken kann.


    Die Aktiven bei Attac sind einige wenige - die bundesrepublikanische Gesamtbelegschaft von Attac würde wahrscheinlich in einer der typischen Demonstrationen der 60er/70er rein mengenmäßig einfach untergehen. Du sagst, du hast nicht den Eindruck, dass die Jugendlichen heute unpolitischer seien - woran misst du das? "Wir machen nichts, weil uns die Politiker anöden" ist nicht gerade ein sicheres Erkennungsmerkmal für eine politische Haltung. Die Erfahrung, dass Schüler erschreckend ahnungslos gegenüber sämtlichen tagespolitischen Vorgängen in der Welt sind, mache ich leider fast jeden Tag - und ich unterrichte junge Erwachsene, keine Kinder. Stefan Raabs "Erstwählercheck" war natürlich eine Showeinlage, welche aber traurigerweise die plakativen Rosinen aus einem realexistierenden Problem herauspickt...


    Aber um mal in das konservativ-kritische Horn zu tuten: kann man die desinteressierte Passivität nicht auch als Erfolg konservativer Bildungsideale buchen? Was haben wir damals über Birne und die geistig-moralische Wende gelacht - aber ist sie nicht tatsächlich über uns gekommen? Mit geilen Konsumgütern läßt sich anscheinend jeder Hals stopfen. Ein konservatives Bildungsideal ist immer ein bürgerliches Bildungsideal und wie Wolkenstein mit dem Hinweis auf die frühmoderne Adelsbildung so richtig ausgeführt hat, steht ein bürgerliches Bildungsideal immer unter dem Vorzeichen der Disziplinierung. De fakto ist die Konsumübersättigung immer noch die beste Disziplinierungsmöglichkeit (Huxley vs. Orwell, evtl. Bakhtin) Reduziert sich die konservative Schule und ihr leistungs- und traditionsorientierter Anspruch also auf einen ideologischen Deckdiskurs und ist ihre eigentliche Aufgabe die Selektion und Reproduktion plutokratischer Eliten? Die momentane Bildungspolitik in NRW spricht zumindest dafür. Wer sind denn eigentlich die jugendlichen Träger von Attac - die Bewohner der Dortmunder Nordstadt, die ich jeden Tag unter meinem Fenster langgehen sehe, wohl nicht. Eher doch junge Gymnasiasten aus besserem Hause, die sich jetzt die Hörner abstoßen, um dann in einigen Jahren von der Aussicht auf gutdotierte Führungspositionen korrumpiert zu werden.




    Nele

  • Zitat

    schlauby schrieb am 08.03.2006 23:13:
    Ich denke, dass wir eigentlich nicht über Unterrichtsmethoden streiten, sondern über die Frage, ob Lehrer noch das Ruder in der Hand haben oder eigentlich nur noch reagieren und ihre Ohnmacht hinter angeblicher Unterrichtoffenheit verbergen. Vielleicht sind wir uns dann ja doch einig.


    Zu zielorientiertem, verantwortlichen Gruppenarbeitsprozessen lohnt sich immer in Blick auf Norm Greens Konzept des kooperativen Lernens:


    http://www.learn-line.nrw.de/angebote/greenline/


    Dieses Konzept bietet funktionierende Ansätze, um das sattsam bekannte Gruppenarbeitsphänomen "alle schwatzen, einer arbeitet" zu überwinden.


    Ich habe gerade festgestellt, dass die Informationsseiten auf dem Learnline-Server Murks sind. Hier ist etwas besseres auch mit konkreten Methodenangaben (z.B. unter "KLassenraum" und "Lehrerzimmer"


    http://www.kooperatives-lernen.de/


    Nele

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Gut, dann mal zur Gruppenarbeit und dem Phänomen "Einer arbeitet, der Rest quatscht."


    Das Thema habe ich in einen extra thread verschoben, damit nicht dieser hier (Früher...) gestört wird.

  • Zitat

    schlauby schrieb am 08.03.2006 23:13:


    Die Lautstärke ist auch für mich immer wieder Reibungspunkt bei der Reflektion meiner Unterrichtsphasen. Es ist tatsächlich so, dass es bei alternativen Methoden oftmals deutlich lauter ist. Wo es unnötig ist, spreche ich Schüler direkt an, ansonsten bespreche ich mich regelmäßig mit meinen Schülern, wie ihre Empfindung waren und ob sie sich Veränderungen wünschen. Außerdem stelle Ich räumliche Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung, die die Schüler gerne nutzen. Ich versuche ganz genau zu beobachten, ob der Lärm thematischer oder chaotischer Natur ist und schreite notfalls ein. Manchmal muss ich mich dabei wirklich sehr zusammenreißen, weil ich eher zu schnell das Gefühl habe, es wäre nur noch Chaos (was objektiv nicht stimmt). Wenn ich Stillarbeit verordne, kann ich diese per Ritual einfordern und es klappt.


    Nun bin ich mir nicht sicher, was du genau unter "laut" und "chaotisch" verstehst; da meine Unterrichtserfahrungen noch sehr gering sind, bin ich mir in dieser Frage ja selber noch unsicher. Ich erlebe allerdings auch die positiven Aspekte dieses vermeintlichen Chaos ... und ich erlebe, wie sich die Klasse auf solche Formen immer besser einspielen kann.


    Nur mal meine two cents dazu: Obwohl ich anscheinend bei vielen Schülern als ziemlich streng gelte und auch durchaus Frontalphasen in meinem Unterricht vorkommen (je nach Fach sogar regelmäßig), sind die sog. modernen Unterrichtsformen (sooo neu ist das alles ja nun auch nicht mehr) bei mir Standard - ich halte z.B. Projektunterricht (inklusive der dazugehörigen Freiräume) in HS-Klassen oftmals für geeigneter als reinen 'Tafel-und-Kreide'-Unterricht. Insofern sehe ich auch überhaupt keinen Widerspruch zwischen beidem, 'es muss halt passen'.
    Allerdings mit einem ABER: Bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten, und dazu gehört für mich mit als erstes, in einer Lautstärke kommunizieren und arbeiten zu jönnen, die den anderen 25 - 30 Anwesenden selbiges nicht verunmöglicht, müssen vorher da sein bzw. erworben werden und werden von mir (und immer öfter auch von den Mitschülern) auch rigoros eingefordert. Zuverlässiges Erledigen der übernommenen Aufgaben, verantwortungsvoller Umgang mit Freiräumen (z.B. vier SuS arbeiten im Schulgarten, die anderen in der Holzwerkstatt: dann muss ich mich darauf verlassen können, dass draußen keiner Blödsinn macht, raucht, etc.) und Kooperationsfähigkeit auch mit 'ungeliebten' Mitschülern gehören ebenso dazu.
    Ein bischen provokant würde ich es vielleicht so formulieren: Viele offene Arbeitsformen setzten eine gewisse Autorität voraus, zumindest, bis diese von der intrinsischen Motivation (weil es doch Spaß macht so zu arbeiten, Stolz auf das gemeinsam erstellte Produkt etc.) zum Teil oder ganz ersetzt wird.


    carla

    Nehmen Sie die Menschen so wie sie sind.
    Es gibt keine anderen

    Einmal editiert, zuletzt von carla ()

  • Ich finde, hier wird ein einfacher, aber gravierender Fehler gemacht. Viele arbeiten mit einer Holzhammerdialektik. Die sieht so aus, dass zu einem Zeitpunkt X (positiv) Vorhandenes einem zum Zeitpunkt Y Fehlendes gegenübergesetzt wird. Die nicht zu erstaunende Conclusio: Es fehlt zum Zeitpunkt Y etwas.


    Interessanter wäre es mal zu diskutieren, was konnten Schüler früher gut bzw. was lief in Schulen früher gut und was läuft heute in den Schulen bzw. bei den Schülern gut. Man könnte dann wirklich zu einer interessanten Synthese kommen. Das heißt nicht, dass wir von gestern (z.B. das Auswendiglernen aller Flüsse Deutschlands mit mehr als 3cm Tiefe ;) ) oder heute (z.B. die "Behütungspädagogik) alles übernehmen, was gut war/ist, aber dass wir uns damit auseinandersetzen, was uns für unsere Schüler helfen kann.


    Als Historiker möchte ich Geschichte nicht als Vehikel sehen, um auf ideologischem oder gar Kneipenniveau aktuelle Missstände anzuprangern. Wen heute etwas stört, der möge dies ohne den instrumentalisierten Rückgriff auf die Vergangenheit begründen.


    So benutzt Nele z.B. sehr unrefektiert (und bestimmt ungewollt) das Credo der 68er, die im Lebensrückblick die 60er/70er zu einer politischen Zeit deuten, um dann in das Klagen über das Apolitische der heutigen Zeit/Jugend zu verfallen. Der banale Denkfehler ist der, dass politisches Engagement auf einem Stand der 60/70er definiert wird. Mir würde dazu als Historiker einiges einfallen, was ich an dieser Art des Engagements zu kritisieren hätte (neben all dem Lobenswerten).


    Ebenso wird hier ein Kampfbegriff der 60/70er Pädagogen benutzt, die die 50er Jahre mit quasi faschistoider, zumindest autoritärer Nachkriegspädagogik verknüpfen.


    Wenn wir uns wirklich unterhalten wollen, sollten wir erstmal die Kampfbegriffe beiseite legen und ein reflektiertes, schattiertes Bild dieser Zeiten zeichnen.
    Ansonsten schmeißen wir uns nur Schablonenvorstellungen um den Kopf, ohne weiterzukommen.


    Ich reiße hier vieles nur an. Aber wenn man ein paar positive Punkte aus den (schon willkürlich gebildeten) Dekaden aufführen könnte:


    50er/60er: Wertschätzung einer guten Orthografie; Erlernen von Regeln und Aneignen von "Sekundärtugenden"; stetiges Üben als wichtiges Mittel zum Vertiefen des Gelernten


    60/70er: Kritisches Hinterfragen, auch der Institutionen und ihrer Vertreter; Entwerfen von Utopien und Glaube an Veränderung; Befreiung von repressiven Vorstellungen (z.T. gegossen in Gesetze: Kuppeleiparagraf)


    80er: Medieneinsatz; Umwelt- und Nachhaltigkeitsgedanke in der Schule; fortschreitende Umsetzung des früher teils nur theoretisch existierenden Emanzipationsgedankens


    90er: Methodeneinsatz; Friedens- und Antirassismusengagement; Öffnung der Schule und des Unterrichst


    So, jetzt wäre es spannend zu betrachten, ob sich aus den teils schwer vereinbaren Punkten, die natürlich wesentlich ergänzt werden müssen, eine neue Memoranda für die Bildung bauen ließe...

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Zitat

    neleabels schrieb am 08.03.2006 23:53:


    Mit geilen Konsumgütern läßt sich anscheinend jeder Hals stopfen.


    Ja, aber nicht nur junge „Hälse“ – für die alten trifft das wohl ebenso zu.
    Nur haben wir, so denke ich jedenfalls, eine junge Generation, die von Anfang an in einer Gesellschaft aufgewachsen ist, in der „Konsum“, und zwar sowohl im engeren als auch im weitesten Sinne, auf Platz 1 der Prioritätenliste steht. Konsum ist das Credo dieser Gesellschaft. Man kriegt es jeden Tag von früh bis abends um die Ohren gehauen. Da kann es nicht ausbleiben, dass eine Konsumentenhaltung entsteht, die sich halt auch auf die Politik erstreckt und somit auch eine passive Einstellung zur Demokratie erzeugt („Die da oben sollen mal machen; wir haben sie ja gewählt!“)

    Gruß


    Animagus

  • OT: nur kurz zur Info, ich habe meinen letzten Beitrag hier gelöscht, eine Antwort darauf war noch nicht zu verzeichen. Aber da eine ähnliche Aussage anderen Ortes schon reihenweise zu Missverständnissen führte, ziehe sie zurück, weil ich der Überzeugung bin, dass das Gros der Leute hier es Leid ist, die Streitigkeiten von 3 oder 4 Leuten zu lesen.

    ...nur an Blumen fehlts im Revier, ich putze mein Motorrad dafür...

    Einmal editiert, zuletzt von iche ()

  • Ich frage mich, wann denn genau dieses "früher" gewesen sein soll.


    Die Schulzeit meiner Großeltern wünscht sich vermutlich niemand zurück. Einfach schon, weil damals Schule für die meisten Kinder nur sehr rudimentär angeboten wurde. Bei der Generation meiner Eltern fiel die Schulzeit in den Krieg. Da kann man nichts auf die heutige Zeit übertragen. Da war bestimmt nichts "besser".


    Meine eigene Schulzeit unterscheidet sich nicht besonders von der meiner Kinder. Es sind zum Teil sogar noch dieselben Lehrer am Werke.


    Als ich in die Grundschule ging, gab es bereits Kampagnen zur Verbesserung der Rechtschreibung. "Jede Stunde soll eine Deutschstunde sein," hieß es zum Beispiel. Mein Vater als Mathelehrer besuchte damals entsprechende Fortbildungen. Wir waren vermutlich ruhiger als die Schüler heute. Wenn nicht, gab es Prügel mit dem Rohrstock. Das war damals auch schon verboten. Wurde aber von etlichen Lehrern praktiziert. Ob wir mehr geübt haben, weiß ich nicht. Aber wir hatten in der Freizeit ein ganz anderes Umfeld. Nur wenige Mütter arbeiteten. Die meisten hatten Opas oder Omas, die mit im selben Haus lebten und deutlich mehr Geschwister als heute. Wir waren draußen, wenn es irgendwie ging. Dort traf man andere Kinder, baute Hütten im Wald und störte niemanden.


    In meiner Gymnasialzeit gaben dann schon nur noch ältere Lehrer Ohrfeigen. Meistens gab es darüber Stress. Die Eltern nahmen das nicht mehr hin. Die Schüler auch nicht. Es fiel viel Unterricht aus. Der, der gegeben wurde, war häufig recht provisorisch. Quereinsteiger. Viele Lehrer waren Kriegsheimkehrer und brachten entsprechende Beeinträchtigungen mit. Daneben hatten wir viele junge Lehrer. Die 68er traten an. Auswendiglernen mussten wir eher nicht. Das war verpönt. Geschichtszahlen mussten wir zum Beispiel nicht wissen. Meine Kinder pauken die wieder. Die müssen auch alle Berge samt genauer Höhe lernen, die höher als 3 cm sind.


    Unser Fremdsprachenunterricht war nicht besonders toll. Die Lehrer waren entweder noch nie in dem entsprechenden Land gewesen und konnten die Sprache nicht wirklich überzeugend oder sie waren quereingestiegene Muttersprachler, die nicht unbedingt als Lehrer geeignet waren. Meine Kinder sprechen und schreiben ihre Fremdsprachen heute mit großer Geläufigkeit. Natürlich haben sie auch reichlich an Austauschfahrten teilgenommen. Die gab es damals in dem Umfang noch nicht.


    Ich frage mich, ob zu meiner Schulzeit auch schon soviel Einsatz der Eltern erwartet wurde, wie das heute der Fall ist. Meine Mutter meint nein. Sie sei nie auf einem Elternabend gewesen und auch nie auf einem Elternsprechtag. Unsere Hausaufgaben hätten wir allein gemacht. Meine Schwiegermutter ist der gleichen Meinung.


    Grüße Enja

  • Zitat

    Enja schrieb am 11.03.2006 14:14:
    Ich frage mich, ob zu meiner Schulzeit auch schon soviel Einsatz der Eltern erwartet wurde, wie das heute der Fall ist. Meine Mutter meint nein. Sie sei nie auf einem Elternabend gewesen und auch nie auf einem Elternsprechtag. Unsere Hausaufgaben hätten wir allein gemacht. Meine Schwiegermutter ist der gleichen Meinung.


    Grüße Enja


    Ich weiß nicht genau, was du damit sagen willst. Aber ist es nicht so, dass nicht nur die Eltern mehr Einsatz bringen sollen/müssen, sondern sie sich auch eigenständig mehr selber einbringen oder sie sich - das kann man positiv und negativ auffassen - mehr einmischen? Ist es nicht auch sinnvoll, die Eltern mit einzubinden, schließlich geht es ja um ihre "Brut", so dass es ihnen auch wichtig ist/sein sollte, dass buchstäblich kooperiert wird?

  • Ich beziehe mich damit auf die Pisa-Erkenntnis, dass die wichtigste Voraussetzung für einen guten Bildungsabschluss Eltern mit demselben sind. Und das resultiert doch wohl daraus, dass die Eltern sich als Nachhilfelehrer betätigen.


    In meiner Schulzeit allerdings war meine Gymnasialklasse eine praktisch reine Mittelstands-Angelegenheit. Andere Kinder galten als total exotisch. Es gab in unserem Landkreis immer wieder Projekte, Nicht-Akademiker zu überreden, ihre Kinder bei entsprechenden Leistungen auf das Gymnasium zu schicken. Das galt nämlich unter denen als unüblich.


    Grüße Enja

  • Zitat

    Enja schrieb am 11.03.2006 14:14:
    Ich frage mich, wann denn genau dieses "früher" gewesen sein soll.


    Ein ausgezeichneter Denkansatz...


    Zitat


    Meine eigene Schulzeit unterscheidet sich nicht besonders von der meiner Kinder. Es sind zum Teil sogar noch dieselben Lehrer am Werke.


    Empfinde ich eigentlich auch so, nur die Lehrer von vor 35 Jahren werden nicht mehr unterrichten und wenn dann vielleicht doch irgendwie anders.


    Zitat


    Ich frage mich, ob zu meiner Schulzeit auch schon soviel Einsatz der Eltern erwartet wurde, wie das heute der Fall ist.


    Auch damals war die "Nachhilfe" schon erfunden worden. Jedefalls hatte ich mal welche kurz vor'm großen Latinum. Also wird es auch Eltern gegeben haben, die ihren Kindern den Stoff selbst vermitteln mussten.


    Okay, der PISA-Schock hat vielen (bildungsnahen) Eltern klargemacht, dass man den damaligen Floskeln der Kultuspolitiker, dass das klassische deutsche Schulsystem das Mass aller Dinge ist, je nach Neigung mit Engangment oder auch Hohn und Spott begegnen kann.


    Und was sollen eigentlich Lehrer-Eltern auf einem Elternabend? Das ist ja in der Praxis keine Diskussionsforum für den besten Unterricht sondern eine Möglichkeit für Eltern, sich erklären zu lassen, wie die Schule bzw. die Lehrer so ticken. Da schadet Fachwissen m.E. eher, früher wie heute...



    - Martin

    Acht Semester mitlesen ersetzt das Lehramtsstudium. ;)

    Einmal editiert, zuletzt von oh-ein-papa ()

  • Zitat

    oh-ein-papa schrieb am 11.03.2006 20:06:
    Auch damals war die "Nachhilfe" schon erfunden worden. Jedefalls hatte ich mal welche kurz vor'm großen Latinum. Also wird es auch Eltern gegeben haben, die ihren Kindern den Stoff selbst vermitteln mussten.


    Mein Vater (Jg. 36) hat als Oberstufenschüler auch Mittelstufenschülern Nachhilfe gegeben und meine Mutter musste als älteste Schwester einen Blick auf die Hausaufgaben ihrer Geschwister werfen. So what? Das "beweist" wie alle persönlichen Erfahrungen hier natürlich nichts :D

    • Offizieller Beitrag

    Ich finde es schön, dass hier so eifrig diskutiert wird.
    Aber, wer sich den Thread, den ich erwähnt hatte, durchgelesen hat: Die Diskussion ist zwar sehr anregend, aber wird aller Voraussicht nach zu keinem echten Ergebnis kommen, denn ich denke nicht, dass ausgerechnet wir die Lösung eines Jahrtausende alten Problems finden werden.
    Eigentlich wollte ich mit dem Verweis auf diesen Thread nur zeigen, dass es nicht die Patentlösung sein kann, immer nach "Früher war alles besser" zu schreien. Und nachdem dieses Problem schon immer existent war, gibt es wohl auch keine genaue Angabe für "früher".
    Vielleicht waren "wir" im sturen Auswendiglernen besser, aber die Zahl der Analphabeten war z.B. nicht niedriger, sondern nur nicht so bekannt. Dies nur als ein Beispiel von vielen.
    Klar gibt es auch noch genügend asoziale Kids, aber ich kenne einen Haufen, die sich politisch und ehrenamtlich mit großer Freude und viel Begeisterung engagieren.
    Ich kenne aber leider auch einen Haufen Erwachsener, die lieber unausgegorene Patentlösungen propagieren, anstatt sich mal auf die Jugendlichen einzulassen (nein, ich meine damit weder "Kuschelpädagogik" noch "Wenn ich gleich auf den Tisch haue, dann trauen sie sich schon vorneweg gar nichts mehr.", sondern Diskussionen, gemeinsames Erleben z.B. beim Schulausflug oder im Landschulheim- wer der Meinung ist, ich hätte hier zu idyllische Vorstellungen, dem sei gesagt, dass ich zehn Jahre ehrenamtliche Jugendarbeit in einem sozialen Brennpunkt in Bayern hinter mir habe und nicht einfach so jemanden "wieder auf die Straße setzen" konnte, weil sich um den dann wirklich gar niemand mehr gekümmert hätte- und der nächste Dealer wartet schon um die Ecke) und ein bisschen an der coolen "Fassade" zu kratzen. Das Ergebnis hat mich schon oft erstaunt. Und- es war äüßerst selten negativ.
    Lg, Hermine

  • Hallo,


    in den Klassen meiner Kinder sind etwa ein Drittel der Eltern Lehrer. Natürlich kommen die auch zu den Elternabenden. Dort wird nicht erklärt, "wie Schule geht", sondern es werden Dinge besprochen, die diese spezielle Klasse angehen.


    Lehrer-Eltern von anderen Schulen (und das ist die Mehrheit), werden genauso behandelt wie die anderen Eltern auch. Man erklärt ihnen, dass sie keine Ahnung haben und sich doch - bitteschön - aus den Schulangelegenheiten raushalten sollen. Das fällt ihnen sichtlich schwerer als uns Normal-Eltern.


    Lehrer-Eltern derselben Schule werden dagegen wie Ehrengäste behandelt. Davon profitieren wir dann alle.


    Grüße Enja

    • Offizieller Beitrag

    Äh, Enja, vielleicht stehe ich gerade auf dem Schlauch- aber: Was hat das mit dem Thema zu tun???
    Bist du der Meinung, dass das Geklüngel früher nicht so stark war?
    Darüber kann ich nur lachen, denn meine Tante war vor 40 Jahren Junglehrerin und ist vor drei Jahren in Pension. Und gerade damals wurde unter den Schulen schon ganz übel "zusammengearbeitet" oder eben unter den Schularten "gemobbt".
    Daran hat sich nicht allzuviel verändert, außer dass die Eltern jetzt viel mehr Transparenz über diese Vorgänge eingeräumt bekommen haben. Früher lief das vielmehr hinter verschlossenen Türen ab.
    Lg, Hermine

  • Zitat

    Ich beziehe mich damit auf die Pisa-Erkenntnis, dass die wichtigste Voraussetzung für einen guten Bildungsabschluss Eltern mit demselben sind. Und das resultiert doch wohl daraus, dass die Eltern sich als Nachhilfelehrer betätigen.


    Ein gängiger Fehlschluss. Im Gegenteil, von den Kindern mit guten Bildungsabschlüssen haben die wenigsten (elterliche) Nachhilfe nötig, obwohl die Eltern sie aufgrund ihres tatsächlich vorhandenen guten Abschlusses leisten könnten.


    Diese Eltern verfügen meist über ein hohes Maß an (Selbst-) Disziplin und Konsequenz, denn ohne diese Zutaten kommt man nur schwer an gute Abschlüsse. Diese Eigenschaften werden oft im Rahmen der Erziehung weitergegeben.


    Würde es gelingen, diese Qualitäten auch in anderen Schichten zu verbreiten, so würde die Korrelation mit der Elternbildung deutlich abnehmen.


    Gruß,
    Remus



    Edit: Wortwiederholung

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

    Einmal editiert, zuletzt von Remus Lupin ()

  • Zitat

    Remus Lupin schrieb am 12.03.2006 18:19:
    ....Diese Eltern verfügen meist über ein hohes Maß an (Selbst-) Disziplin und Konsequenz, denn ohne diese Zutaten kommt man nur schwer an gute Abschlüsse. Diese Eigenschaften werden meist im Rahmen der Erziehung weitergegeben.


    Würde es gelingen, diese Qualitäten auch in anderen Schichten zu verbreiten, so würde die Korrelation mit der Elternbildung deutlich abnehmen.


    Gruß,
    Remus


    Ja, Remus. Genauso sehe ich es auch. Und daraus kann man ableiten: "Früher war (all)es besser."


    Jetzt aber die Frage: Was müssen WIR tun, "diese Qualitäten auch in anderen Schichten zu verbreiten"?
    Meine Antwort ist, dass WIR die betreffenden, uns anvertrauten Kinder "nacherziehen" müssen, wenn es schon deren Eltern nicht schafften.
    Ich meine, dass WIR es schaffen können, wenn WIR wollen.

  • Zitat

    Ja, Remus. Genauso sehe ich es auch. Und daraus kann man ableiten: "Früher war (all)es besser."


    Ich glaube nicht, dass es in den letzten Jahrzehnten in Deutschland je anders war. Zu meiner Schulzeit galt jemand, der immer gute Noten hatte und auch dafür gearbeitet hat, bereits als Streber. Das hat sich bis heute nicht geändert.


    Wer übrigens glaubt, das sei in allen Ländern so, unterliegt einem fundamentalen Irrtum!


    Gruß,
    Remus

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Und daraus kann man ableiten: "Früher war (all)es besser."
    Jetzt aber die Frage: Was müssen WIR tun, "diese Qualitäten auch in anderen Schichten zu verbreiten"?


    Ohne jemanden damit auf den Schlips treten zu wollen:
    Wie wäre es denn, wenn man erstmal Posts der anderen vorher liest, bevor man hier den Holzhammer auf den Tisch haut und die Diskussion beendet- was viele, viele andere vor uns nicht hinbekommen haben, ist für uns eine Kleinigkeit, die man in einen Satz packen kann?
    Ich denke, jeder sollte erst mal vor der eigenen Türe kehren, statt Kinder "nachzuerziehen".
    In der Jugendarbeit habe ich nie Kinder "nacherzogen"- (man glaubt es kaum, mit Kindern kann man auch erstmal vernünftig sprechen und diskutieren!) es sind trotzdem sehr verantwortungsvolle und liebenswerte Erwachsene daraus geworden.
    Ich empfehle übrigens den Herrn in meiner Signatur als Lektüre- der hatte es nicht nötig Kinder nachzuerziehen- sie machten lernten ganz von selbst, aus eigenen Antrieb
    Lg, Hermine

Werbung