Zitatphilosophus schrieb am 08.03.2006 23:07:
Stimmt das überhaupt?
Wer schmeißt denn ATTAC (ohne jetzt dafür Position beziehen zu wollen)?
Ich habe gar nicht den Eindruck, dass die Jugendlichen heute unpolitischer seien - sie sind es nur nicht im 'klassischen' Sinne, was man ihnen aber angesichts der Gleichförmigkeit der Politiker beinahe aller Couleur aber nicht verdenken kann.
Die Aktiven bei Attac sind einige wenige - die bundesrepublikanische Gesamtbelegschaft von Attac würde wahrscheinlich in einer der typischen Demonstrationen der 60er/70er rein mengenmäßig einfach untergehen. Du sagst, du hast nicht den Eindruck, dass die Jugendlichen heute unpolitischer seien - woran misst du das? "Wir machen nichts, weil uns die Politiker anöden" ist nicht gerade ein sicheres Erkennungsmerkmal für eine politische Haltung. Die Erfahrung, dass Schüler erschreckend ahnungslos gegenüber sämtlichen tagespolitischen Vorgängen in der Welt sind, mache ich leider fast jeden Tag - und ich unterrichte junge Erwachsene, keine Kinder. Stefan Raabs "Erstwählercheck" war natürlich eine Showeinlage, welche aber traurigerweise die plakativen Rosinen aus einem realexistierenden Problem herauspickt...
Aber um mal in das konservativ-kritische Horn zu tuten: kann man die desinteressierte Passivität nicht auch als Erfolg konservativer Bildungsideale buchen? Was haben wir damals über Birne und die geistig-moralische Wende gelacht - aber ist sie nicht tatsächlich über uns gekommen? Mit geilen Konsumgütern läßt sich anscheinend jeder Hals stopfen. Ein konservatives Bildungsideal ist immer ein bürgerliches Bildungsideal und wie Wolkenstein mit dem Hinweis auf die frühmoderne Adelsbildung so richtig ausgeführt hat, steht ein bürgerliches Bildungsideal immer unter dem Vorzeichen der Disziplinierung. De fakto ist die Konsumübersättigung immer noch die beste Disziplinierungsmöglichkeit (Huxley vs. Orwell, evtl. Bakhtin) Reduziert sich die konservative Schule und ihr leistungs- und traditionsorientierter Anspruch also auf einen ideologischen Deckdiskurs und ist ihre eigentliche Aufgabe die Selektion und Reproduktion plutokratischer Eliten? Die momentane Bildungspolitik in NRW spricht zumindest dafür. Wer sind denn eigentlich die jugendlichen Träger von Attac - die Bewohner der Dortmunder Nordstadt, die ich jeden Tag unter meinem Fenster langgehen sehe, wohl nicht. Eher doch junge Gymnasiasten aus besserem Hause, die sich jetzt die Hörner abstoßen, um dann in einigen Jahren von der Aussicht auf gutdotierte Führungspositionen korrumpiert zu werden.
Nele