Ich weiß langsam nicht mehr weiter

  • Hallo liebe Kollegen/innen,


    ich habe folgendes Problem:
    seit dem 1.2. habe ich eine zweite Klasse von einem lieben männlichen Kollegen übernommen und seit dem liegen bei mir jeden Tag die Nerven blank, eigentlich aber nur wegen einem Schüler.
    Er arbeitet kaum mit, muss angeblich ständig aufs Klo, hat nie seine kompletten Sachen dabei. Wenn er etwas abgibt, sieht das aus, als ob da ´ne Nacht draufgeschlafen wurde und morgens Pfannkuchen draufgebacken worden sind.
    Kein Blatt ist zu Ende gemacht worden
    Ich bin ständig nur damit beschäftigt, ihn zu ermahnen, er soll weiterarbeiten, er soll endlich anfangen. Gestern hatte er Pausenverbot bekommen, weil er es nicht geschafft hatte, in 90min, 15 Wörter von der Tafel abzuschreiben. Als er in der Pause alleine mit mir saß, hat er alles in 5min auf Anhieb fehlerfrei abgeschrieben.
    Mittlerweile sitzt er direkt vor meinem Schreibtisch, ich hatte gehofft dass er durch meine Anwesenheit etwas mehr tut, und ich nicht jede paar Minuten ermahnen muss. Falsch gedacht. Es hat nichts gebracht.
    Seine Mutter sagte mir direkt am zweiten Tag, ich habe die Vollmacht alles zu tun, Hauptsache er arbeitet mit. Sie weiß auch nicht mehr weiter, sie kommt bei ihm nicht an, Hausaufgaben macht er nur wenn sie dabei sitzt und ständig schreit.
    Was kann ich da machen? Ich habe noch andere 28 Kinder, einige brauchen auch etwas mehr Aufmerksamkeit als "normale" Kinder.


    Wäre für eure Ratschläge sehr sehr dankbar.
    Viele Grüße, Maya

  • Hallo!


    Wenn der Junge "motivationale Probleme" hat und nicht andere Defizite, die ihm die Mitarbeit erschweren, hilft ihm vielleicht eine Verstärkung bzw. Rückmeldung.
    Meine Spezies in dieser Beziehung haben einen Zettel mit einer Tabelle mit den drei Gesichtern (lachend, weinend und neutral). Am Ende des Vormittags bekommen sie so eine Rückmeldung, wie sie gearbeitet haben. Wenn Zeit ist, besprechen wir es gemeinsam und sie müssen sich selbst einschätzen. Jede Rückmeldung wird mit einer Unterschrift versehen und die Eltern müssen auch unterschreiben.
    Das klappt ganz gut.
    In den Familien wurde dies aufgegriffen und die Eltern geben Belohnungen für 10 Smileys oder so.



    VG

  • Ich weiß nicht, ob ich dir wirklich weiterhelfen kann.



    Hast du ein Gefühl, wo die Ursachen für das Verhalten liegen? Auf alle Fälle würde ich mit deinem Vorgänger sprechen, ob das Problem auch dort vorlag. Vielleicht hat er ja auch Hypothesen für die Ursachen gebildet.


    Wenn die Mutter dir "Vollmacht " gibt, scheint das Problem zu Hause auch zu bestehen. Vielleicht kann dir die Mutter Erklärungen bieten?


    Wenn man mal davon ausgeht, dass das Kind seine Langsamkeit als Strategie anwendet, damit es ihm gut geht, stellt sich die Frage, warum macht es das?


    Tritt die Langsamkeit nur bei best. Aufgaben auf? - Bei zu langweiligen, zu schweren, schriftlichen Aufgaben? - also Vermeidungsstrategie - aus Über- und Unterforderung?

    Ist es eine "Aufmerksamkeitsstrategie"?


    Ist es eine "ich will micht rächen" Strategie? (eher bei älteren Kindern)


    Ist es eine "ich kann das sowieso nicht" Strategie?


    Hat das Kind im Moment andere Probleme, die es am Lernen hindern?


    flip

  • Arme Maya! Ich kann verstehen, dass dich dieser Schüler in den Wahnsinn treibt. Trotzdem: Lass dich davon nicht fertig machen, damit hilfst du weder dir noch ihm. Wie du schreibst, du hast 28 Kinder da sitzen, wenn du dich für eins total aufreibst, kippen die anderen hintenüber. Also erst mal: Druck rausnehmen. Es liegt ja nicht an dir, du hast ja auch schon mit der Mutter gesprochen, es hat wirklich was mit dem Schüler zu tun. Vorschläge ins Blaue hinein:


    - Er schafft es nicht, sich zu organisieren, was bei einem Zweitklässler ja noch ok ist, aber seine Mutter kann ihn ja anscheinend auch nicht unterstützen - sonst sähen die Hausis nicht so aus und der Tornister wäre vernünftig gepackt. Wir haben schon ein paar Mal über "Grundstrukturzettel" - Tornisterpacklisten zum Abhaken usw. - gesprochen, vielleicht wäre das etwas, was man der Mutter an die Hand geben könnte?


    - Was macht er denn eigentlich, wenn er nicht das macht, was er machen soll? Schwatzen? Träumen? Malen? Was denn? Wär vielleicht eine Möglichkeit herauszubekommen, ob er sich unter-/ überfordert fühlt, keinen Zugang zum Thema findet oder wirklich grundlegendere Lernschwierigkeiten hat.


    - Wäremeine nächste Überlegung: Hat schon mal ein Kinderarzt draufgeguckt, ob es einen Verdacht auf besondere Lernstörungen gibt? Gleichzeitig könnte ein Lerntherapeut vielleicht einen Teil der Elternberatung übernehmen, denn allein wird das verdammt viel für dich.


    Lass dich nicht einsperren in den Frustzirkel, in dem Sohn und Mutter ja anscheinend schon drin sind - bei dir hat der Junge eine neue Chance.


    Viel Erfolg
    w.

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

  • Gleich vorweg, ich unterrichte nicht an der Grundschule!


    An deiner Stelle würde ich den Schüler daheim besuchen. Steht da ein Fernseher im Kinderzimmer, gibt es eine Plähstation etc. Vielleicht findest du eine Situation vor, die dir eine Erklärung liefern kann.


    Ist das Kind in einem Sportverein tätig?


    Viel Erfolg,
    Remus

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

  • Ihr habt Recht. Ich werde nochmal das Gespräch mit der Mutter suchen.
    Ich habe das Gefühl, dass weil ich ständig an ihm nörgele, er noch mehr zumacht. Vielleicht hilft irgend ein Belohnungssystem.
    Erkundige mich auch, ob zu Hause besondere Umstände sein Verhalten erklären können.
    Ist es eigentlich möglich einen Schulpsychologen einen Tag in die Schule einzuladen, und das Kind beobachten zu lassen? Ist so etwas überhaupt üblich?


    Gruß Maya

  • Zitat

    Ist es eigentlich möglich einen Schulpsychologen einen Tag in die Schule einzuladen, und das Kind beobachten zu lassen? Ist so etwas überhaupt üblich?


    Ich glaube, dass das schon eine Möglichkeit wäre, um weiterzukommen. Bei uns wäre dazu allerdings unbedingt das Einverständnis der Erziehungsberechtigten nötig. Wobei das ja anscheinend kein Problem wäre, so wie du schreibst.


    Bei uns an der Schule gibt es auch einen Sozialpädagogen, der mit einzelnen Kindern ein Gespräch führt. Das kommt auch sehr gut an und hilft oft weiter.


    Liebe Grüße,
    biene maja

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Maya,
    ich würde der Mutter dringend eine Untersuchung bei einem Kinderpsychologen empfehlen. Die Ursachen könnten z.B. ADS oder Kiss-Syndrom sein. Mit beidem hatte ich schon Schüler, die ähnlich auffällig waren wie du es beschreibst. Das zerrt allen Beteiligten an den Nerven. Hat deine Schule Kontakt zu einer LB-Schule oder einem Sonderschullehrer? Dann würde ich versuchen auf dem kurzen Dienstweg eine Hospitation zu organisieren. Es hilft sehr, wenn ein neutraler Kollege mit entsprechendem Hintergrundwissen sich einen solchen 'Problemfall' mal anschaut.


    LG Talida

    Ein Niederrheiner ist einer, der nix weiß und alles erklären kann.
    Hanns Dieter Hüsch

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