Simulation

  • Ich bin mit meinen Berufskollegiaten (2. Jahr nach Mittlerer Reife, schließen in diesem Jahr mit der FH-Reife ab) gerade beim Thema Globalisierung und Sicherheitspolitik. Ursprünglich hatte ich vor, wichtige Akteure (UN, EU, Bundeswehr, verschiedene Nationen) anhand eines aktuellen Konfliktes in arbeitsteiliger Gruppenarbeit vorstellen zu lassen. Nun ist es (Gott sei Dank) gerade sicherheitspolitisch etwas ruhiger, Konflikte wie mit dem Iran und Nordkorea sind etwas außerhalb des medialen Interesses gerückt.
    Meinen problemorientierten Ansatz möchte ich aber trotzdem beibehalten und dachte deswegen an eine Simulation:
    Ausgangslage ist die Annahme, dass sich im Jahr 2006 die Situation im Irak nicht verbessert hat und die USA und Irak zu einer Konferenz einladen, um endlich eine stabile Nachkriegsordnung im Irak zu etablieren. Vertreten sein sollen:
    - die Regierungen des Irak und der USA
    - der deutsche Verteidigungsminister als Vertreter der Bundeswehr (und der dt. Regierung)
    - der UNO-Generalsekretär
    - der EU-Außenbeauftragte
    - evtl. noch der Iran als Nachbarstaat
    Ziel ist es, eine von allen getragene Lösung für den Irak zu finden, die
    - die die innere Sicherheit des Iraks und die äußere der Nachbarn garantiert,
    - den wirtschaftlichen und weiteren demokratischen Aufbau des Irak fördert
    - konkrete Aussagen über finanzielles und militärisches/polizeiliches Engagement trifft.


    Der grobe, geplante Unterrichtsablauf:
    1. Erarbeitung der Positionen und Ziele der Akteure (auch der Möglichkeiten und Grenzen des Engagements)
    2. Präsentation mittels eines Plakates (im Deutsch- und Projektunterricht wird dazu das Handwerkszeug wiederholt/beigebracht; die Präsentation und das Plakat geben eine Deutsch- und eine Gemeinschaftskundenote im Wert einer KA)
    3. Simulation der Konferenz


    Mich würde interessieren,
    - was ihr prinzipiell von diesem Vorhaben haltet,
    - wo Schwierigkeiten liegen könnten,
    - wie lange die Simulation laufen soll (ich hätte maximal sechs Stunden am Stück, unterbrochen durch eine Mittagspause und auch einen adäquaten Konferenzraum)
    - welche Tipps ihr evtl. aus euren Erfahrungen mit Simulationen geben könnt.


    Gruß


    Timm, der sich auf zahlreiche Rückmeldungen freuen würde, auch von nicht Gemeinschaftskundekollegen

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

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  • Hallo,


    ich finde, das klingt extrem spannend und dürfte für alle Beteiligten ein großer (und hoffentlich lehrreicher ;) ) Spaß werden... Ist aber doch sicher mit viel Aufwand verbunden!


    Je nachdem, wie sehr Du den Aufwand steigern willst, finde ich allerdings, dass Dein Teilnehmerpanel vielleicht noch etwas problematisch ist. Es fehlen ein paar Terroristen ;) . Nein, ernsthaft: Wären nicht eventuell noch Vertreter der Religionsgruppen zu berücksichtigen, die sich durch die "offizielle" Regierung nicht vertreten fühlen? Ich kenne mich hier nicht aus, meine aber, gehört zu haben, dass ein Problem gerade darin besteht, dass die Regierung wenig Akzeptanz hat. Religiöse Vertreter scheinen mir jedenfalls realitätsnäher als Vertreter des Iran!


    Oder hinke ich der Entwicklung hinterher?


    Grüße
    Unter uns


  • Hi,
    vielen Dank für die Rückmeldung; tut gut etwas bestätigt zu werden, denn das Projekt hat schon einen größeren Rahmen erreicht.
    Die Idee, religiöse Vertreter aufzunehmen, habe ich mir lange durch den Kopf gehen lassen. Den (teils indirekten) Einfluss religiöser Gruppen auf die Weltsicherheitspolitik kann man nicht hoch genug einschätzen. Problematisch ist es für mich aber, die Gruppen in das Teilnehmerpanel mitaufzunehmen, denn diese stehen ja keineswegs monolithisch da, so dass ich befürchte, das Ganze wird durch die Komplexität gesprengt.
    Ich werde jetzt der Irakgruppe die Aufgabe geben, die religiösen und ethnischen Gruppen in ihrer Verhandlungsposition zu berücksichtigen. Dazu kommt, dass die Vertreter des Iran als Schiiten und Mitglieder eines theokratisch geprägten Staates (vor allem durch den neuen Präsidenten Ahmadinedschad) ja schon deutlich religiöse Interessen miteinbringen werden.
    Aber danke nochmal für den interessanten Gedanken.

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  • Hallihallo,



    finde den Vorschlag auch insgesamt recht interessant. Allerding würde ich überlegen, ob die inhaltliche Ausarbeitung nicht schon in eigenständiger Vorbereitung beginnen sollte. Hängt aber vom generellen Arbeitsverhalten der Lerngruppe ab.


    Wenn ich die Funktion des Plakats richtig verstanden habe, soll sie den anderen Schülern einen Überblick über die Position dieser Gruppe bilden und die Gruppe selber zu einer Bündelung bringen. Finde ich sinnvoll und notwendig. Kannst Du noch mal näher auf den Ablauf der Konferenz eingehen. Eventuell würde ich noch pausen zum absprechen von strategischem Vorgehen machen. Denn erstens entspricht das der realen Situation und zweitens stehen so die strategischen Überlegungen neben den inhaltlichen, was eventuell für die Reflexion wichtig ist.


    Die Reflexion sollte auf jeden Fall noch in Dein Modell integriert werden, wenn sie bei Simulation der Konferenz mit drin ist, weil die Schüler aus frischen Eindrücken noch das gehaltvollste herausholen können (wobei nicht gesagt ist, dass sie keine Bearbeitunszeit zum sammeln benötigen)


    Naja, wie dem auch sei, ich wünsche Dir viel Erfolg und schreib mal wie es gelaufen ist.

  • So, heute war die Simulation. Und ich bin immer noch ganz ergriffen, so toll haben meine Mädels und Jungs gearbeitet.


    Nachdem kurz vor den Weihnachtsferien die Plakate vorgestellt und bewertet wurden (der Anteil, der in die Deutschnote einging, ergab einen Klassenschnitt von 2,1; der andere, der in Gemeinschaftskunde einging, 1,7 :) ), wurden am Dienstag die Rollenkarten verteilt und in einer Doppelstunde bereiteten sich die Gruppen vor und erarbeiteten eine Tagesordnung.


    Heute begannen wir um elf Uhr. In der ersten halben Stunde wurde die Geschäftsordnung unter meiner Regie aufgestellt, d.h. Tagesordnung, Verfahrenweisen (z.B. auch bei benötigten Pausen) und Wahl des "chairman" aus dem Kreis der Teilnehmer.


    Um 11.30 Uhr begann dann die eigentliche Konferenz. Tagesordnungpunkt 1 war die militärische Sicherheitslage im Irak. Konkret wurde über die Stellung/den Abzug von Truppen und den Oberbefehl verhandelt.


    Um 12.30 Uhr wurde dann mit dem Wiederaufbau des Irak (wirtschaftlich inkl. Finanzierung, politisch, religiös) fortgefahren.


    Um 13.20 Uhr wurde unterbrochen und eine einstündige Mittagspause (Pizzaservice vor Ort) eingelegt.


    Weiter ging es um 14.20 Uhr. In der letzten viertel Stunde wurde noch die regionale Einbindung des Iraks besprochen.


    Um 15.00 Uhr habe ich als Protokollant die Ergebnisse zusammengefasst und von den Teilnehmer bestätigen lassen.


    Zwischen 15.15 und 15.30 Uhr haben die Akeure ihre Pressemitteilungen verfasst und in den nächsten 20 Minuten präsentiert.


    Nach einer 10minütigen Reflexions- und Entlastungsphase habe ich die Schüler ins Wochenende entlassen.


    Zum Rahmen: Wir waren in unserem großen Tagungsraum der Schule; dem Anlass entsprechende Kleidung war Pflicht und das Drumherum habe ich entsprechend gestaltet (Getränke, Kaffeegebäck, Stelltafel mit den Plakaten zur schnellen Info).

    Am Dienstag wird alles noch mit einem Fragebogen ausgewertet.


    Die Schüler waren echt eine Wucht. Ich hatte schon etwas Bammel, 5 Stunden schülerzentriert und fast ohne mein Mittun arbeiten zu lassen. Der Bammel war völlig unnötig. Der gewählte Tagungsleiter war hochklassik, die Schüler diskutierten in den Pausen in den eigenen und mit den anderen Gruppen weiter...


    Ich schau mal, dass ich gelegentlich ein paar Bilder hochlade.


    Summa summarum: Ein pädagogischer "Orgasmus" über 5 Stunden, wobei das hauptsächlich an der Leistung der Schüler lag, dabei wird die Klasse - freundlich formuliert - als mittelmäßig aktiv bezeichnet....

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  • Hallihallo,


    freut mich für Dich, dass es so gut geklappt hat. Da steckt ja sicher auch von Dir ne ganze Menge Arbeit dahinter. Viel interessanter als Fotos fände ich noch Unterrichtsmaterialen.


    Zitat

    dem Anlass entsprechende Kleidung war Pflicht


    wie sah die denn bei den religiösen Gruppierungen aus?? ;)

  • Stelle die Unterlagen online. Kann nur etwas dauern, ich poste dann in diesem thread wieder.


    @Weasley: Auf Kostümierung habe ich verzichtet (wir hatten drei Frauen in der Irakgruppe, wie das wohl ausgesehen hätte...), aber den Iranern sagte ich, sie sollen auf Krawatte verzichten, so etwas haben deren Vertreter realiter ja auch nie an ;)

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  • Link AB 1


    Link AB 2


    Das erste AB ist die erste Stunde zum Thema. Die Zeitungsmeldung ist gefaked, allerdings passierten wenig später ähnlich krasse Geschehnisse. Ich war mit dem Uploaden etwas zu schnell. In der Tabelle der Akteure fehlt die NATO.


    Das Material für die einzelnen Gruppe stammte aus diversen Schulbüchern und Zeitungsartikel, die ich nicht eingescannt habe. Das war allerdings nur die Basis. Die Schüler hatten jede Stunde internetfähige Rechnerarbeitsplätze, um die Recherche zu vervollständigen.
    Parallel wurde im Projektfach und Deutsch die Gestaltung eines Plakates und die zugrundeliegenden Bewertungskriterien durchgenommen. Gestaltungstipps haben die Schüler selbst an alten, weniger gelungenen Plakaten erarbeitet.


    Das zweite Arbeitsblatt wurde dann in der Doppelstunde vor der Simualtion ausgeteilt.


    Noch ein paar Bilder (aus rechtlichen Gründen sind "personale" Merkmale entfernt worden)...


    Tagesordnung, die von den Teilnehmern selbst ausgehandelt wurde:
    [Blockierte Grafik: http://www.gemeinschaftskun.de/internet/bild1.jpg]
    Verhandlungsergebnis:
    [Blockierte Grafik: http://www.gemeinschaftskun.de/internet/bild3.jpg]
    In der Pause wurde weiterdiskutiert und die vorhandenen Plakate nochmal zur Information herangezogen:
    [Blockierte Grafik: http://www.gemeinschaftskun.de/internet/bild4.jpg]
    Diskussion im Plenum I
    [Blockierte Grafik: http://www.gemeinschaftskun.de/internet/bild5.jpg]
    Diskussion im Plenum II
    [Blockierte Grafik: http://www.gemeinschaftskun.de/internet/bild6.jpg]

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  • Noch kurz etwas zur Auswertung der Fragebögen:


    Benotet wurde das Ganze mit 1,76, alle Schüler waren der Auffassung, dass sie sowohl in der Projektphase als auch in der Simulation gleich viel oder mehr als im normalen Unterricht gelernt haben.


    Besonders interessant fand ich aber:


    [Blockierte Grafik: http://www.gemeinschaftskun.de/internet/haeufigkeit.bmp]


    Ich hoffe, robischon liest mit:


    Nur eine kleine Mehrheit der Schüler wünscht mehr projekthaftes Arbeiten. Der andere Teil wünscht gleich viel, aber nicht mehr... (das hieße pro Schulhalbjahr ein größeres Projekt; meins ging über etwa 4 Wochen).

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  • stark
    so stell ich mir das vor.
    wenn die jugendlichen oder jungen erwachsenen erleben, dass sie so viel mehr, vielseitiger und nachhaltiger lernen als durch lehrervortrag, dann arbeiten sie schließlich gar nicht mehr anders, wenn man sie lässt.
    herzlichen glückwunsch timm

  • Passt besser in den "immer wenn es..."-Thread, aber dort mein Kommentar zu dir.

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