Schüler drohen "nach rechts" abzudriften

  • Guten Abend liebe "Mitstreiter".


    Nach einem absolut aufreibenden Tag muss ich hier mal wieder Rat einholen.


    Bisher war ich mit der Schülerschaft meiner Schule sehr zufrieden. Obwohl es sich um eine "Großstadtschule" in einer Industriestadt handelt, die noch dazu in einem Schulzentrum untergebracht ist, gab es bisher wenig Probleme.


    Seit einiger Zeit nun läuft aber ein Schüler der 9. Klasse herum, als sei er Adolf Hitler persönlich. Er hat sich die Haare schwarz gefärbt, hochrasiert und lässt das Deckhaar akurat und milimetergenau geschnitten etwas länger wachsen; das ganze ist extrem tief rechts angesetzt seitengescheitelt. Die entsprechenden Klamotten sind entweder von den einschlägig bekannten Marken bzw. Eine Kombination aus einem hochgeknöpften schwarzen Hemd mit entsprechendem Kragen und den passenden Hosen. Die Füße stecken in weißgeschnürten Springerstiefeln. Der Schüler marschiert im Stechschritt über die Gänge und wurde kürzlich aus einem Schülerpulk heraus mit dem Hitlergruß gegrüßt (dessen Erwiederung er sich aber verkniff). "Leider" ist der Bartwuchs noch nicht stark genug, das Hitlerbärtchen lässt sich aber schon erahnen. Ich kann das Ganze gar nicht so gut beschreiben, wie es vom Original kopiert wird.


    Bisher wurde seitens der Mittelstufen- und Schulleitung sowie der Klassenleitung mit "schwierigen familiären Verhältnissen" argumentiert (die der "Arme" sicher auch hat) und nichts unternommen.


    Seit heute sitzt in meiner 9. Klasse die genaue Kopie dieses Schülers und ein weiterer ist auf dem besten Weg, sich dem Duo anzuschließen. In der Pause wurden jedenfalls schon Kleidungs- und Stylingtipps ausgetauscht.


    Ich bin fast umgefallen, als ich heute das Klassenzimmer betreten habe und ehrlich gesagt, hat mich das echt aus der Bahn geworfen, obwohl ich die ganze Situation schon seit längerem beobachte und vorausahne. Die Klassenlehrerin hat mich aber mit "ach das sind doch noch Kinder, die wollen nur provozieren" beruhigt.


    Von Mittelstufen- und Schulleitung wurde ich explizit aufgefordert, nichts zu sagen, mit dem Schüler kein Gespräch zu suchen und sein Outfit und Verhalten zu ignorieren. Letzteres fällt mir ausgesprochen schwer. Nach der Stunde hatte ich meine 11er-Lieben, bei denen ich erst mal vorsichtig nach rechten Tendenzen und Reaktionen nachfragen musste und ein "Ach reden sie "vom Adolf"?" und "Wie???? Es gibt jetzt ZWEI DAVON????" erntete. Der entsprechende Schüler ist also schulbekannt, aber die Oberstufenschüler geben sich "mit so einem Deppen" (Originalzitat) natürlich nicht ab und ignorieren ihn ebenfalls.


    Die Schulleitung sagte mir dann, es widerspräche der freiheitlich-demokratischen Grundordung ein solches Outfit und Benehmen zu verbieten. Ihnen seien die Hände gebunden. Man will keine Welle machen und den Schülern weder eine Plattform bieten noch ihnen Aufmerksamkeit schenken.


    Da sich das Phänomen aber vermehrt, empfinde ich dieses Verhalten als Armutszeugnis. Ich kann doch nicht einfach wegschauen, oder?????


    Ganz davon abgesehen, wie sehr mich das ganze persönlich-emotional mitnimmt, sind wir wie gesagt in einem Schulzentrum untergebracht. Fakt ist, dass sich dieses Grüppchen nun mit diversen Türkengangs der Hauptschule (das ist jetzt nicht als Diskreminierung gedacht, sondern entspricht einfach der Selbstbeschreibung der entsprechenden Gruppen) den Pausenhof teilt. Ein kahl rasierter Skin schaut zudem immer mal wieder während der Pause vorbei, bleibt aber wohl wissend vor dem Zaun stehen und ist somit nicht auf dem Schulgelände, auf dem man ihm Hausverbot erteilen könnte. Zoff ist also vorprogrammiert.


    Tja. Und jetzt? Was würdet Ihr tun, mit wem würdet Ihr reden, würdet Ihr die Eltern einbestellen, oder habt Ihr sonst einen Ratschlag für mich?


    Verzweifelte Grüße
    A.

  • Das ist ja echt schlimm!!!


    Leider weiß ich auch nicht so recht, was man da tun kann. Ich weiß nur, dass bei uns in der Schule (Grund- und Hauptschule) "Gewalt verherrlichende und provozierende Kleidung" durch die Hausordnung verboten ist.
    Ich denke schon, dass der Schulleiter da Grenzen setzen kann und meiner Meinung nach auch muss!
    Denn wie willst du die Kinder erziehen, wenn du so etwas einfach hinnehmen musst?

    • Offizieller Beitrag

    Haalo Acephalopode!


    Ich finde es schwierig, Dir einen Rat zu geben, wenn die ganze Schule sozusagen das Thema unter den Tisch kehren will. Meiner Empfindung nach darf und sollte man so etwas aber keinesfalls unter den Tsich kehren. Mir fällt es nur gerade sehr schwer, Dir konkrete Vorschläge zu machen, wenn die anderen Lehrer nicht hinter Dir stehen und Dich in Deinem Handeln unterstützen. Wahrscheinlich handelst Du Dir da noch eine ganze Menge Ärger ein, wenn Du versuchst auf subtile Art den Schülern zu zeigen, was damals passiert ist und warum man es so weit nicht mehr kommen lassen sollte. Genau so sieht es wohl aus, wenn Du ein Gespräch mit den betreffenden Schülern suchst.


    Ich kann mir schwer vorstellen, daß man Schüler wirklich so rumlaufen lassen muß, um sie nicht in ihrer Freiheit einzuschränken...


    Sorry, daß ich Dir nicht so richtig weiterhelfen kann.


    Liebe Grüße,


    Dalyna

    • Offizieller Beitrag

    Das ist ja krass. Ich wäre an deiner Stelle genauso schockiert! Ja, haben denn diese Jugendlichen NICHTS aber auch gar nichts begriffen?


    Also, die Reaktion deines Schulleiters bezieht sich wohl auf seine (von mir angenommene) Vermutung, dass es die Aufmerksamkeit ist, die sein Hauptziel bei dieser Scharade war.


    Ich fürchte aber fast, dass die Tatsache, dass er die von den Lehrern nicht im Übermaß bekommen wird/soll, nichts daran ändert, dass er sie von den Schülern genug bekommt - und somit rechtfertigt sich für ihn der ganze Spuk. Wie man daran sieht, dass er schon Anhänger gefunden hat. (WEIA!!)


    Außerdem muss man, finde ich, in Betracht ziehen, dass er sich wirklich so eine Denke zugelegt haben könnte (wer weiß, wer/was ihn da auch von außen beeinflusst). Das kann man in Deutschland eigentlich nicht unkommentiert stehen lassen - auch als Zeichen für diejenigen Schüler, die sich dadurch vielleicht angegriffen oder eingeschüchtert fühlen könnten. Die Botschaft für sie wäre dann ja, dass so etwas "in Ordnung" ist: denn sonst wird ja vom Hausaufgabenvergessen bis zu patzigen Antworten auch alles geahndet und kommentiert.


    Bist du Klassenlehrerin? Ich würde zunächst mit dieser und anderen Fachkollegen das Gespräch suchen und gucken, wie ihr als Gruppe dazu steht und ob ihr schon Strategien entwickeln könnt. Die Eltern einzubestellen wäre auch eine Idee um herauszufinden, wo dieses Verhalten herkommt: wer weiß, vielleicht kommt dir dann Adolf 3 als Vater entgegen - dann weißt du wenigstens, dass es richtig schwierig wird.


    Es gibt Beratungslehrerstellen (oder habt ihr selber einen?) wo man anrufen kann, und es gibt auch Stellen, die einen schulunabhängig zu solchen Themen beraten - vielleicht kann man sich da kundig machen.


    Guckst du hier:
    http://www.schau-hin.info/index.php?id=236


    Die schreiben übrigens Folgendes :
    Sympathisanten der rechten Szene
    Man darf die Demokratie nicht in Sicherheit bringen, bloß weil es plötzlich Probleme gibt, warnen die Experten vor voreiliger Ausgrenzung. Wenn zum Beispiel an einer bisher völlig unauffälligen Schule plötzlich rechte Tendenzen unter den Schülern bekannt werden. Der „Mantel des Schweigens“ hilft nur kurzfristig und ist auch nur reine Kosmetik, wissen erfahrene Jugendarbeiterinnen und -arbeiter. In dieser Situation raten sie zu niedrigschwelligen Angeboten, wie zum Beispiel einfach eine Treffmöglichkeit, für deren Nutzung es keine Vorbedingungen gibt. Wichtig dabei: es darf keine Berührungsängste geben. Nutzen wird vor allem in langfristiger Jugendarbeit gesehen, zum Beispiel durch die gezielte Förderung von Hobbys, die den Heranwachsenden immer wieder Erfolgserlebnisse beschert.




    http://www.schau-hin.info/index.php?id=8&no_cache=1


    Mit dem Schulleiter gemeinsam noch einmal das Gespräch zu suchen halte ich auch für sehr sinnvoll - die Wegschaupolitik scheint hier nicht sehr vielversprechend.


    Mannohmann...


    bemitleidet dich
    Heike

  • Ich kann mich meinen Vorschreibern/innen nur anschließen. Man, da kann einen die Wut packen. Von wegen Zivilcourage und Hinguck-Mentailität!
    Wenn jetzt einige Schüler mitziehen, dann vielleicht auch nur um zu "schocken", aber gerade der Schüler, von dem der ganze Spuk ausgeht, muss angesprochen werden.
    Habt ihr einen Schulsozialarbeiter? Warum kann man ihn nicht fragen, warum er sich so kleidet und so gibt? Um dann auf gewisse Parallelen zu der "Mode" von vor 60/70 Jahren hinzuweisen. Und dass es Übereinstimmungen gibt, liegt, wie Du schon geschildert hast, klar auf der Hand.
    Trägt er denn noch weitere eindeutige Zeichen, wie z.B. LONSDALE-Klamotten oder "Pittbull" (okay, das sind eher Skin-Klamotten)?
    Ich finde es auch empörend von Seiten der Schulleitung, da so wenig drauf zu reagieren.


    Jaja, und dann heißt es irgendwann wieder in der BILD: "Junge Nazis an deutschen Schulen! Machen die Lehrer gar nichts mehr?"
    (Ich will auch mal pauschalisieren dürfen!)


    Kopf hoch! Und versuch ihn nicht zu verlieren!
    Ganz liebe Grüße
    N.

    Ich denke schneller als ich schreibe...

  • Ohne einen Tipp für deine Situation zu haben: sehr viel Anziehungskraft hat die illegale Skinmusik, die junge aggressive Männer musikalisch anspricht und durch die Illegalität zusätzlich an Attraktivität gewinnt. Und über das Anhören ist dann auch für Leute, die damit nichts zu tun hatten, schnell ein Identifikationspunkt gefunden. Mit den entsprechenden mp3s oder CDs wird auch gern geworben, bzw. In- und Outsider definieren sich darüber. Falls ihr euch also für eine Vorgehensweise im Team entscheidet, haltet ein Auge darauf. Ganz nebenbei habt ihr euren Direx auf eurer Seite, wenn ihr derlei beschlagnahmt; über indiziertes verfassungswidriges Material könnte er nicht hinwegsehen und müsste dann reagieren.
    Wenn der junge Mann allerdings so geschniegelt herumläuft wie beschrieben ist er vielleicht auch an Kreise der neuen intellektualisierten Rechten geraten, aber für einen in der 9 ist das eigentlich noch zu früh.


    Grüße und viel Glück,
    JJ

  • Also ich als Schüler finde dies auch erschreckend und bin sicher unsere Schule (Rheinland-Pfalz) würde sowas nicht dulden.Ich denke einige einige andere finden das auch sehr schnell toll und machen es ebenfalls nach.Wo endet es dann??


    Aisha

    Träume nicht Dein Leben,lebe Deinen Traum

  • Hallo,


    wirklich ziemlich irre.


    Zitat

    es widerspräche der freiheitlich-demokratischen Grundordung ein solches Outfit und Benehmen zu verbieten.


    ...da hat die Schulleitung formaljuristisch wahrscheinlich recht. Allerdings ist etwa das Zeigen des Hitler-Grußes, so weit ich weiß, strafbar ("zeigen verfassungsfeindlicher Symbole"). Allerdings ist die Bestrafung auf Dauer wenig effektiv, da die rechte Szene natürlich alternative Ausdrucksformen entwickelt hat. Immerhin könnte man Schüler ggf. darauf hinweisen.


    So wie Justus Jonas könnte ich mir auch einen Kontakt zur "intellektualisierten" (parteilich organisierten?) Rechten vorstellen.


    Ich denke, es wäre schon ein Erfolg, wenn Du das Auftreten von Klonen verhindern könntest
    ;) . Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, hier einzugreifen, ohne gleich das Thema Rechtsextremismus in voller Breite mit zu verhandeln? So nach dem Motto: Wer bin ich und sollte ich herumlaufen wie die Kopie eines anderen, oder so. Könnte mir vorstellen, dass Schülern dazu einiges einfällt?


    Jedenfalls würde ich das Streben nach Coolness und Aufmerksamkeit nicht unterschätzen und nicht allen Nachahmern sofort eine gefestigte "Gesinnung" unterstellen.


    Grüße
    Unter uns

  • Bei uns gibt es Kleiderordnung für Lehrer seit diesem Jahr (keine kurzen Hosen),warum dann nicht auch für Schüler?Eine kurze Hose im Sommer bei großer Hitze finde ich nicht schlimm,besonders bei Sportlehrern nicht aber auch sonst nicht.Lehrerinnen dürfen ja auch Röcke tragen.Bauchfrei bei Schülerinnen wird auch abgelehnt,was verständlich ist.Mir würde es nicht gefallen Hitlerverschnitte in meiner Klasse zu haben aber ich denke,wir die Schüler,würden auch darauf ansprechen und sagen wie wir darüber denken.


    Aisha

    Träume nicht Dein Leben,lebe Deinen Traum

  • Ich fand NerDs Idee sehr hilfreich - gibt es einen Lehrer, der einen guten Draht zu dem Schüler hat und ihn schlicht und einfach mal darauf ansprechen kann, was er mit seiner Kleidung sagen will? Gerade weil das Papageienhafte hier so auffällig ist, kann ich mir vorstellen, dass es wirklich erst einmal um Provokation geht, und dass es eher schaden würde, die große Keule rauszuholen. Erst mal nachfragen...


    w.

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

  • Hallo,


    das wundert mich, dass das toleriert wird!


    Ein Freund meines Sohnes (in einer anderen Schule) musste zum Klassenlehrer in einer "ernsthaften Angelegenheit".


    Er trug einen ganz normalen sportlichen Pulli (aus einem bekannten Warenhaus mit 2 Buchstaben) mit der Zahl "82" drauf. Das wäre ein verstecktes Symbol für Hitler, weil "H" der 8. Buchstabe im Alphabet sei. Er soll den Pulli nicht mehr in der Schule tragen.



    lg,


    füchsle

  • Mmmh, da war wohl jemand übereifrig: "88" ist so ein Code (Zweimal der 8. Buchstabe, also "H H" -> Hitlergruß), seltener kommt auch "18" vor (Initialen).
    Eine 82 ist mit noch nicht untergekommen, HB? Bremen? Oder illegale Raucher? ;)
    JJ

  • ich kann die hysterie nicht teilen. die auch hier sichtbaren sich selbst bestätigenden gutmenschlichen betroffenheitsbekundungen, pc-konform verpackt, sind maßlos übertrieben. an unseren schulen treiben sich in zahlreichen klassen punkartig "gestylte" schüler herum, die sich so selbst als wertlos bezeichnen. leider habe ich in diesem zusammenhang noch nie einen aufschrei der entrüstung gehört. ebenso verleihen in überfremdeten schulklassen ausländische schüler ihrer z.b. islamistischen gesinnung unverhohlen ausdruck, zumal in ganz anderen größenverhältnissen als im vorliegenden fall. sicherlich mag man einwenden, dass dies kein hinderungsgrund sei gegen die im vorliegenden fall feststellbaren tendenzen vorzugehen. dazu stehe ich auf dem standpunkt, dass in der schule politische propoganda nicht zu dulden ist und dagegen vorgegangen werden muss. natürlich heisst bedeutet dies aber auch, dass ich nicht nur aus psyschologischen gründen die politische grundeinstellung von heranwachsenden akzeptiere, selbstverständliche auch die leider oben sehr undifferenziert verwendete bezeichnung "rechts". politische propganda muss jedoch aus den schulen verbannt werden, nicht jedoch das herausbilden einer politischen einstellung.

    Suum cuique!


    Um Vorwürfen vorzubeugen,
    gilt bei allen meinen Beiträgen mitzudenken:
    BSE:
    (BETROFFENHEIT SORGE ERSCHÜTTERUNG)

  • Zitat

    politische propganda muss jedoch aus den schulen verbannt werden, nicht jedoch das herausbilden einer politischen einstellung.


    Einen solchen Satz halte ich angesichts der Beschreibung im Ausgangsposting für - sorry - reichlich naiv und überdies für ein Zeugnis einer inakzeptablen Geschichtsvergessenheit. Zudem hat die angesprochene Provokation kaum etwas mit politischer Meinungsbildung zu tun. Sollte dies doch der Fall sein, so ist es nach KMK-Erlass Auftrag der Schule, aufklärerisch derartigen Tendenzen entgegen zu wirken (steht als einziges Geschichtsthema extra in der BASS: Verpflichtung).
    Aus diesem Grunde lässt sich auch über pseudopolitische Linkstendenzen in Richtung Punk leichter hinwegsehen. Einen islamistischen Schüler habe ich noch nicht kennen gelernt, obwohl 20% an meiner Schule dieser Religion angehören.
    JJ

  • So, hier das neueste update:


    "mein Adolf" war gestern "krank", der andere hat Mitgliedsanträge für die NPD verteilt sowie Aufkleber mit "Multikulti - Nein danke!"


    max287 ist das für dich noch die Manifestierung einer "politischen Grundeinstellung", die sich der Schüler gerade zulegt, oder schon politische Propaganda? Falls ersteres der Fall ist, rätst du mir noch immer, das zu akzeptieren? Was muss auf den Stickern stehen, dass ich mir vielleicht doch mal echte Sorgen machen kann und nicht "hysterisch" reagiere????
    Also entschuldige mal, aber meine Frage bezog sich direkt auf DIESE Schüler. Ihr Verhalten damit zu entschuldigen, dass sie sich halt gerade eine politische Meinung bilden und es das andere Extrem an Schulen ja genauso gibt (an meiner nicht!), ist doch keine Rechtfertigung dafür, dass man Extreme oder auch nur angedachte Extreme bzw. Extremgefahren billigen muss!!!
    Mal ganz von JJs Argumenten abgesehen, die ich voll unterstreichen kann.


    Im übrigen bin ich mir der "rechts-links"- Problematik sowie der "undifferenzierten" Verwendung der Begriffe durchaus bewusst und habe "nach rechts" auch in Anführungszeichen gesetzt.


    @ alle
    Die Schulleitung hat sich nach einer Klage von Schülerseite (ich glaub, meine 11er, die auch noch einige 12er mitgenommen hatten) und dem empörten Anruf einer Mutter dazu entschlossen, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die in den nächsten Tagen ein Konzept vorstellen soll, wie wir im Kollegium "einheitlich" und "an einem Strang ziehend" mit den entsprechenden Schülern umgehen. Es bewegt sich jetzt also doch was und das Thema ist zumindest auf der Tagesordung für unsere Konferenz. Puh. Mal gespannt.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Die Schulleitung hat sich nach einer Klage von Schülerseite (ich glaub, meine 11er, die auch noch einige 12er mitgenommen hatten) und dem empörten Anruf einer Mutter dazu entschlossen, eine Arbeitsgruppe einzurichten


    Das ist erfreulich. So hat der ganze Spuk, den dein "Adolf" da inszeniert, doch sein Gutes gehabt: und zwar genau das Gegenteil von dem, was er sich erhofft hat: nämlich eine politische Bewusstseinweckung unter einigen Schülern und zwar gegen das, was er optisch vertritt. Das nennt man praktisches Lernen. Ich bezweifele, dass viele PoWi-Lehrer mit noch so gutem Material dasselbe Engagement erzielen können....


    Hoffen wir, dass es Wirkung zeigen wird. Den jetzt nachdenkenden Schülern tut es jedenfalls gut.

  • Hallo Ace,


    damit ist doch schon mal vieles geklärt. Auch wenn es viel zu lange gedauert hat, finde ich es sinnvoll, dass man sich im Kollegium zunächst abspricht.


    Auch wenn ich mit Maxens Wortwahl z.T. nicht glücklich bin, finde ich doch, dass er einige gültige Argumente auf den Tisch gebracht hat, auf die ich auch noch einmal eingehen möchte:


    Ausgangspunkt ist die ideologische Schieflage an den deutschen Schulen, die von Schule zu Schule sehr unterschiedlich ist. Im Kleinen haben wir's vermutlich auch mit einem Generationskonflikt zu tun - ich freu mich über den kleinen Punk, der den Aufstand probt, und betrachte den Zackig-gescheitelten mit Misstrauen, der ältere Kollege macht's umgekehrt. Soweit menschlich und kaum vermeidbar.


    Was Max jedoch als "Betroffenheitskult" bezeichnet, sehe ich genauso als Schwierigkeit, im Lehrplan angelegt und durch tradierte Verhaltensweisen verstärkt - ich habe einmal einen Deutschkurs 12 erlebt, der nicht in der Lage war, ein v. Schirach-Gedicht (Hitlerjugendlied) anständig zu analysieren, weil sich alle mit Unterstützung des Lehrers in Ekelbekundungen ergehen mussten. Der einzige Schüler, der versuchte, überhaupt auch nur das Gemeinte zu verstehen, wurde als Nazi-Sympatisant niedergebrüllt. Diese Art von Geschichtsvermittlung kann nur zu undifferenziertem Moralisieren auf der einen Seite und provozierendem Trotz auf der anderen Seite führen.


    Dann kommen verleugnete gesellschaftliche Probleme hinzu - ein Geschichtslehrer sollte sich an dem Wort "überfremdet" die Finger verbrennen, aber dass unser Schulsystem nicht in der Lage ist, gemischten Schülergruppen mit vielfältiger ethnischer und sozialer Herkunft gerecht zu werden, ist mittlerweile offensichtlich. Glücklicher Justus - an den Gymnasien toben eher nur die "deutschen" Rechts- und Linksextreme, an den anderen Schulen gerade im Großstadtbereich kommen meiner Erfahrung nach die moslemischen und osteuropäischen dazu. Verbote und Sanktionen sind hier wichtig, damit die Schule nicht zum rechtsfreien Raum wird, aber als einzige Maßnahme reichen sie nicht aus. Ich kann Justus Forderung nach "Aufklärung" nur unterstreichen - aber wie macht man das?


    Ich finde die Trennung zwischen "Propaganda" und dem "Herausbildung einer politischen Einstellung" sehr schwierig, gerade für Leute in einem Alter, in dem man seine politische Einstellung noch nicht im Hobbykeller aufhebt, sondern noch überzeugt davon ist, die Welt zu verändern. Ich versuche, mich in die Situation deiner Adolfs zu versetzen - sie sind der Meinung, etwas gefunden zu haben, was ihre Probleme löst, nebenher (oder hauptsächlich?) die verhassten Lehrer zum Quiken bringt und ihnen jede Menge Aufmerksamkeit verschafft. Sie schwimmen mutig und stark gegen den Strom, haben endlich Kameraden, auf die sie sich verlassen können bzw. die sie anerkennen, und ihr Handeln ist nicht mehr belangloser Teenykram, sondern hat eine tiefe gesellschaftliche Bedeutung (damit niemand das missversteht: das hier ist ein Versuch, ihre Gefühle zu paraphrasieren, kein Ausdruck meiner eigenen Meinung). Soweit die Ferndiagnose - alles andere, wieweit das Zuhause mitspielt, wie weit der Rest der Klasse (Systemtheorie -> auffällige Schüler sind Symptome des Systemfehlers in der Klasse/ Schule) usw. ist, kann nur jemand sagen, der mit den Schülern gesprochen hat. Hier könnten sich weitere Interventionsmöglichkeiten ergeben. Trotzdem, bei allem Verständnis: Was tun?


    Mich würde interessieren, was passiert, wenn man die Schüler der Klasse zur offenen politischen Debatte einlädt, vernünftigen Diskursregeln folgt und sie ihre Positionen offen und klar darstellen lässt. Schon als Schüler habe ich die Verbieterei nicht verstanden; wenn diese Positionen so dumm und unmenschlich sind, sollen sie sich doch an ihren eigenen Widersprüchen aufhängen. Dabei geht's nicht darum, die entsprechenden Schüler vorzuführen, sondern die politische Debatte wieder in den Klassenraum zu holen, anstatt sie auf die Korridore und Schuleingänge zu verdrängen. Ist das irgendwie vorstellbar?


    Muss los, mehr später,
    w.

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

    Einmal editiert, zuletzt von wolkenstein ()

  • Zitat

    Glücklicher Justus - an den Gymnasien toben eher nur die "deutschen" Rechts- und Linksextreme, an den anderen Schulen gerade im Großstadtbereich kommen meiner Erfahrung nach die moslemischen und osteuropäischen dazu.


    ...aber das hat erst einmal nichts mit Politik zu tun, sondern mit mangelnder Integration. Oder verkenne ich da etwas - gibt es islamistische Jugendbewegungen? Ich habe davon noch nix mitbekommen - außer dass Schüler aus dem arabischen Kulturkreis noch religiös sind und ihre Religion praktizieren. Wir haben an unserem Gymi eine Migrantenquote von 40%, aber natürlich trotzdem eine halbwegs intakte soziale Klientel, verglichen mit der benachbarten Hauptschule. Aber politische Auswirkungen hat das nicht.


    Zitat

    "Betroffenheitskult"


    Na da triffst du ins Schwarze. Das Problem besteht darin, dass die Schule zwar versucht aufzuklären, aber das tun größtensteils (sorry) historische Laien, die auch ganz andere Oberziele verfolgen als die historische Bildung. In Deutsch ist es besonders verbeitet, da kommt das rosa Kaninchen oder Damals Friedrich etc. pp., in Reli macht man Ausschwitz und stellt fest wie schrecklich alles ist, sogar ein Biolehrer hat mich schon nach Material gefragt... weitere Fächer streifen das Thema Nationalsozialismus auch. Gern auch Exkursionen usw.


    In der 10 mache ich dann in Geschi erstmals (!) NS-Zeit, und die Schüler verwehren sich, behaupten alles schon zu wissen und es kommt heraus, dass sie regelmäßig mit betroffen machendem Bröckchen und Ausschnitten zugeschüttet wurden, aber über Entstehung und Ursachen und die Dynamik des Nationalsozialismus nur sehr schwammig reden können. Statt dessen haben sie einen Schuldkomplex eingeprägt bekommen, der für sie unangenehm ist, das Interesse ersterben lässt und sehr schwer zu überwinden ist. Gerade beim Thema NS ist gut gemeint noch längst nicht gut gemacht, und ich wäre glücklich, wenn es in der Unter- und Mittelstufe weniger unterrichtet würde.


    Grüße,
    JJ

  • Erstmals ein dickes Lob für die etwas quergebürsteten Meinungen von Wolkenstein und max. Auch aus Justus' letzten Beitrag ist einiges dabei, was ich unterschreiben kann. Ein paar grundsätzliche Dinge möchte ich aber noch zu bedenken geben:


    1. Die schon angesprochene Betriebsblindheit der Deutschen auf dem linken Auge ist hinzuzufügen, dass viele Punks durchaus eine geschlossene, aggressive Meinung gegenüber dem Staat haben. Dies findet Ausdruck in so "tollen" Texten wie "Haut die Bullen glatt wie Stullen, haut ihnen ins Gesicht, bis dass der Schädel bricht" (Text von einer hier sehr bekannten und noch aktiven Punkband "Normahl"). Regelmäßig sehen wir das Gewaltpotential der Linken bei "Demos" wie am 1. Mai und die RAF ist wohl das beste Beispiel eines geschlossenen gewaltbejahenden linken Weltbildes (-> Konzept der Großstadtguerilla). Desweiteren behandelt kaum ein Lehrer die kommunistischen Verbrechen, obwohl u.a. mit dem "Schwarzbuch des Kommunismus" in der neueren historischen Forschung wichtige Erkenntisse manifestiert wurden.
    Auch bewegt es die meisten deutschen Intellektuellen meist nur zu einem müden Gähnen, dass heute immer noch in der linkspartei.pds eine kommunistische Plattform tätig ist, die sich (mindestens) zu stalinistischen Versatzstücken bekennt.


    2. Wolkenstein hat sehr richtig angemerkt, dass hier ein junger Mensch erst einmal ein sehr schweres Los auf sich genommen hat: Er rebelliert gegen alles Etablierte. Dem sollte man - unabhängig der Ideologie - erst einmal Respekt entgegen bringen. Wenn ich dann "armer" Mensch in Anführungszeichen lesen, kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass hier das "Gutmenschentum" zur graduellen Entmenschlichung führt.


    3. Das Terrain ist äußerst heikel und ich habe es in der Schule nur selten betreten müssen(aber ich habe es!): Einerseits ist es unsere Aufgabe die Schüler in den Gedanken an die FDGO zu erziehen. Andererseits schreibt der Beutelsbacher Konsens seit den 70iger Jahren das Kontroversitätsgebot und Überwältigungsverbot vor. D.h. wir müssen uns argumentativ mit solchen Schülern auseinandersetzen, ohne dabei auf manchen Gebieten Wahrheiten ex cathedra zu verkünden (Ausnahmen sind z.B. das Gebot der Gewaltfreiheit oder die Anerkennung des Holocaust). Wichtig ist aber, diese Schüler (auch prinzipiell argumentativ) nicht zu diskreditieren.


    4. Der Mensch muss auch weiterhin im Vordergrund stehen. Ich kenne keine statistische Erhebungen, aber Einzelfälle aus den Medien und dem persönlichen Bereich: Alle diese Aussteiger hatte Bekannte als eine Brücke in die "normale" Welt gehabt. Lasst uns diese Brücke bauen, auch wenn wir es wohl nicht oft erleben werden, dass sie beschritten wird.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Zitat

    Justus Jonas schrieb am 08.10.2005 11:13:


    ...aber das hat erst einmal nichts mit Politik zu tun, sondern mit mangelnder Integration.


    :D Wie bitte würdest du Politik anders definieren als das Aushandeln des gemeinsamen sozialen Lebens ein- oder ausschließlich von Integration? Wie war das bei Papa Marx mit dem Sein und dem Bewusstsein?


    Davon ab kann ich dir nur zustimmen: Das Thema 3. Reich/ 2. Weltkrieg gehört im Lehrplan gnadenlos zusammengestrichen bzw. es geht darum, den lieben Deutsch-, Religions- und notfalls auch Biolehrern zu sagen, bitte etwas konzertierter vorzugehen. Wenn die lieben Schülerlein in der Grundschule Rosa Weiß lesen, in der Fünf "Als Hitler das rosa Kaninchen stahl", in der 6 in Deutsch "Damals war es Friedrich" und in Religion Auszüge aus dem Tagebuch der Anne Frank, in der Sieben dann "Der gelbe Vogel", in der Acht "Das Leben der Sophie Scholl" und in der Neun dann den Ausflug nach Buchenwald, und das alles, bevor irgendwas an geschichtlicher Grundlage gelegt wurde, kann nur Abwehrhaltung entstehen. Wäre das nicht mal ein Thema für die Fachkonferenz? Aber wie soll man's machen? Wann ist das eigentlich "historisch" wirklich dran und für die Schüler zu verpacken?


    Davon ab meine ich, dass es genug Aktuelles gibt, an denen man sich als Betroffenheitslehrer austoben kann, um die Politik wieder in den Klassenraum zu holen. Ein paar Vorschläge: Thema Licht- und Schattenseiten der multikulturellen Gesellschaft ja, aber als Diskussion im Hier und Jetzt (gute Jugendliteratur zum Fremd-Sein in Deutschland, zum Thema Rechtsradikalismus usw. gibt's mittlerweile viel, gelesen wird immer noch "Friedrich"). Besprechung der Programme aller Parteien (auch der rechts- und linksradikalen) im Politikunterricht. Kooperationsprojekt Deutsch/ Musik zum Thema Polit-Musik von Punk bis Radikalenrap. Und, abgestimmt auf's Umfeld: Stärkere Angebote von Russisch und Türkisch (sowohl muttersprachlich als auch als Fremdsprache) an den Schulen, staatlich abgesegneter muslimischer Religionsunterricht, Eid auf die FDGO (für eine Akü!) anstatt Kopftuchverbot, und Deutschtests für alle. Und zu Weihnachten hätt ich gern ein Pony.


    Sehnsüchtig,
    w.

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

    Einmal editiert, zuletzt von wolkenstein ()

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