Traumjob oder einsamer Kampf?

  • Hallo,


    dies soll kein Meckerthread werden, doch beim Lesen des folgenden Artikels bin ich ins Grübeln gekommen und würde dazu gerne Meinungen hören:


    http://www.zeit.de/2004/27/B-Schulausflug


    Ein kleiner Ausschnitt weiter unten!
    ok, ich bin ferienreif, und mit den Jahren wird es wohl auch besser werden, aber wenn ich so auf meine 2 Jahre Ref und 1,5 Jahre Lehrerdasein zurückblicke, dann macht mir der Job zwar auch viel Spaß, frage ich mich aber desöfteren, ob ich ihn wirklich mein ganzes Leben machen will, bzw. überhaupt machen kann.
    Er zehrt an den Nerven, man kann selten abschalten, es gibt wenig Lob von oben, und eben: obwohl man ständig mit vielen vielen Menschen zu tun hat, ist man ein Einzelkämpfer. Für richtige Gespräche fehlt meist allen die Zeit. Außerdem hat man nur wenig mit Erwachsenen zu tun, was auf Dauer glaube ich nicht gut tut (wohin entwickelt man sich, wenn man den Großteil des Tages nur von Pubertierenden umgeben ist?). Einem selbst stellen sich vergleichsweise wenige Herausforderungen, man entwickelt sich nur wenig weiter, lernt kaum was wirklich Neues dazu...
    So, vielen Dank fürs Lesen soweit. Vielleicht seht ihr das ja alles anders, könnt mir Perspektiven aufzeigen o.ä. Ich mache den Job wirklich gerne, überlege mir aber, nach vielleicht 1-2 Jahren weiterer Erfahrung auch Alternativen. Im Kollegenkreis siehts ähnlich aus, doch die meisten sind zu alt und sagen nur: ich würds nicht nochmal machen!


    Schreibt mir eure Meinungen, Santiaguino




    17. Tag


    Die Euphorie der ersten beiden Wochen ist verflogen, ich bin erkältet und erschöpft wie schon lange nicht mehr. Ein Burn-out schon nach zwei Wochen? Was macht diesen Job so aufreibend? Die Kinder sind lustig, die Jugendlichen diskursfähig, zum Teil freue ich mich richtig auf sie. Die Stimmung im Lehrerzimmer – und bei den netten Müttern in der Cafeteria – ist freundlich. Was mir als das Anstrengendste erscheint: Lehrer sind ständig umgeben von anderen Leuten, aber obwohl sie permanent kommunizieren, sind sie allein. Eine Aura von Einsamkeit umgibt sie, wenn sie auf den Schulfluren aneinander vorbeilaufen. Kaum reicht die Zeit für mehr als ein Kopfnicken, ein schnelles Hallo.


    18. Tag


    Während ich so viel Rotstift verbrauche, wie ich in meiner gesamten eigenen Schulzeit nicht zu Gesicht gekriegt habe, frage ich mich, ob Lehrer wirklich Sadisten sind. Oder nicht doch eher Masochisten? So viel Hingabe an die Unwissenheit anderer Leute! Diese Sisyphusarbeit! „An deiner Ausdrucksschwäche müssen wir noch arbeiten“, hat Frau Z., die ich vertrete, unter einige frühere Deutschaufsätze geschrieben. Soweit ich erkennen kann, hat sich an diesen Schwächen bislang nur einer abgearbeitet: sie selbst.

    Mit einer Zitrone kann man sich das Leben verbittern oder einen Pisco Sour machen!

  • Also ich würds wieder machen! Und einige meiner fachgleichen Kollegen sehen das genau so. Einige sind schon über 50, fühlen sich aber noch nicht ausgebrannt. Kann ich von mir auch noch behaupten... nicht ausgebrannt... :rolleyes:


    Allerding, 2 Jahre in den Job hab ich es noch nicht so gesehen... ;)

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

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  • @ santiaguino:


    ich bin zwar noch nicht sooo lange dabei (2 jahre ref + viereinhalb jahre), kann mir aber vorstellen, den beruf noch lange auszuüben.
    trotzdem kann ich mir auch vorstellen, irgendwann etwas anderes zu machen...
    darüber nachgedacht habe ich vor allem, als ich das buch "große pause! - nachdenken über schule" von marga bayerwaltes gelesen habe...


    habe den zeit-artikel gerade gelesen und kann mir vorstellen, dass das lehrer-image ein anderes wäre, wenn einfach noch mehr leute schulluft schnuppern würden...


    lg,
    grundschullehrerin

  • Deine Gedanken kenne ich!
    Aber - wenn ich ganz genau nachdenke, fällt mir kein Beruf ein, den ich lieber täte....
    und auch in anderen Berufen bist du Ferienreif und gestresst....
    isa

  • ich bin seit fast 40 jahren lehrer, hab meine arbeitsweise vollständig (gegen enorme widerstände) umgekrempelt und arbeite sehr gerne und stressfrei als "lernbegleiter" oder moderator, ohne "unterricht", ordnungsmaßnahmen, strafen.
    mir kann man sozusagen bei der arbeit zuschauen. auf meiner website ist die arbeit der kinder aus den letzten drei jahren dokumentiert.
    in drei wochen höre ich auf. und bin durchaus nicht verschlissen und ausgebrannt.
    das geht. und es ist ganz leicht.
    alles gute

  • Hey, erstmal vielen vielen Dank für die tollen Antworten, ich geh mal auf alle ein:


    @ Remus Lupin + SisterA:
    Ausgebrannt wär übertrieben, aber bei mir sinds jetzt 4 Monate UR am Stück, ohne Schulbücher, heterogene Klassen bis zum geht nicht mehr (Sonderschule bis hochbegabt), fremde Kultur, Privatschule usw. und mir machts auch noch Spaß!!! Ich weiß nur nicht, ob ich den Spaß mit 50 auch noch hätte und dann wirds in der Tat schwierig, sich was anderes zu suchen...deshalb vielleicht früher aussteigen...
    Das schöne am Job ist da, kommt aber oft zu kurz...Einen Bürojob kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen..


    @ Grundschullehrerin:
    Das Buch steht auf meiner Einkaufsliste für den Dt.-Urlaub :)


    @ Robischon:
    JAAAAA, so stell ich mir das vor und ich weiß auch aus eigener Erfahrung, das das sogar gut klappt (www.endres.de). Doch ich mache im Moment das genaue Gegenteil....deshalb ja teilweise auch der Frust. Das System Schule ist zu starr, der 45Min. Rhythmus für gar nichts gut, den Schüler und Lehrern wird der Spaß am lernen regelrecht ausgetrieben und und und. Wenn ich aussteigen sollte, dann will ich eben auch nicht im Büro oder sonstwo landen. Arbeit mit Kids und Lernen solls schon sein, doch vielleicht eher freiberuflich. Daher mal eine Frage an dich, du hast doch da bestimmt Kontakte und Infos:
    Gibt es solche Modelle auch bei weiterführenden Schulen (ich kenne nur die Bielefelder..). Wie siehts in Zukunft aus? Welche Unternehmen springen in diese Nische und brauchen Vollzeitkräfte? Wie hast du es geschafft, die sicherlich enormen Widerstände zu überwinden???


    Vielen Dank, ich hoffe die Diskussion geht weiter!!

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo,
    bin jetzt auch erst seit 1,5 Jahren Lehrerin (nach dem Ref)- finde meinen Job aber immer noch schön! Hab zwar zwei sehr korrekturintensive Fächer, aber gerade das Fach Deutsch gibt einem immer wieder Gelegenheit zum "Ausbüchsen" (z.B. mach ich mit meiner 5 im Moment ein Hörspiel) und gerade das macht für mich den Job so interessant und schön.
    Ab und zu mal bin ich auch ganz schön erschöpft, aber die Aussicht auf Ferien oder auf ein neues Thema, das mir mehr liegt, bauen mich wieder enorm auf. Ich könnte mir keinen anderen Job so richtig vorstellen!
    Lg, Hermine

  • hallo santiaguino
    nein ich weiß keine weiterführende schule die so arbeitet.
    aus der laborschule bielefeld kommt ab montag eine junge frau aus dem oberstufenkolleg zu mir ins praktikum, für meine drei letzten schulwochen überhaupt.
    ob die auch keine andere schule wissen? bielefeld ist 600 kilometer von hier entfernt.
    wie ich das geschafft hab mit den widerständen?
    zuerst konnte ich mir gar nicht vorstellen dass jemand diese arbeitsweise ablehnen könnte, habs erlebt und bin lebensgefährlich krank geworden für 12 tage.
    das ist jetzt 14 jahre her. die ständigen überprüfungen und kontrollen danach hab ich einfach überlebt. mir ist ja nichts vorzuwerfen. und schließlich fing es an der kontrollierenden schulrätin die alle sechs wochen kam (vorher waren es immer kommissionen von zwei bis drei leuten aus zwei schulbehörden) zu gefallen. sie hat sich wohlgefühlt.
    ach ja, damals hatte ich ernsthaft erwogen ein antiquitätengeschäft zu übernehmen (war mir angeboten worden).
    hilfreich war vielleicht auch dass ich verschiedene weitere tätigkeiten ausübe als autor, cartoonist, flohmarkthändler und in der teddybärensammlerszene.

  • Hallo Rolf,


    wenn die Bielefelder noch weitere Schulen kennen, dann gibt mir bitte Bescheid, ja? Bielefeld liegt vom mir zwar im Moment mehrere tausend Kilometer entfernt, ist aber nach meiner Rückkehr durchaus eine Option!
    Das mit den 12 Tagen hört sich ziemlich heftig an und ich glaube auch, dass, wenn man wirklich etwas ändern und bewegen will, zumindest zu einem gewissen Teil gesundheitliche Risiken dabei eingeht. Um so wichtiger sind dann halt gute Hobbies und Freunde. Als Alternative schwebt mir zwar kein Antiquitätengeschäft vor, aber selbstständig machen dann schon. Vielleicht Bereich Tourismus, Exkursionen und sowas. Da gibts hier vor Ort tolle Möglichkeiten...
    Ich denke aber, dass ich dem Job treu bleiben werde, aber man muss sich glaube ich auch immer hinterfragen. Das gehört irgendwie dazu. Schließliich kann ich schlechte Stunden nicht auf die schwache Konjunktur schieben :D
    Vielen Dank jedenfalls, deine Page hat mir viel Mut gegeben, dass selbst an öffentlichen Schulen was geht!!


    LG, Santiaguino

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  • Moin!


    Zum Thema 'alternativer' Schulen gibt es schon noch einiges, z.B. eine andere Versuchsschule als die Bielefelder ist z.B. die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden (bin ich gerade wegen des Buches "Schule kann gelingen" oder so ähnlich, von Enja Riegel, ehemalige Schulleiterin, darauf gestoßen). Versuch doch einfach mal, unter google oder so den Begriff Versuchschule einzugeben. Versuchschulen sind Schulen, die vom Land gefördert werden, um neue Konzepte auszuprobieren (wie eben Laborschule bzw. Helen-Lange-Schule). Ansonsten gibt es ja auch noch die 'bekannten' Alternativen wie Montessori, die nicht nur den Primarbereich abdecken, und Waldof und mit Sicherheit auch noch jede Menge 'normale' Regelschulen, die zumindest im Rahmen ihrer Möglichkeiten einiges ausprobieren.
    Viel Erfolg bei der Suche (kannst uns ja mal auf dem Laufenden halten, was du so findest)!


    Einen schönen Tag wünscht
    Katta

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Weil ich mal wieder von meiner sehr lauten Klasse genervt bin, frage ich mich heute auch mal wieder, ob man das auf Dauer durchstehen kann. Ständig zu sanktionieren zehrt sehr an meinen Nerven und liegt überhaupt nicht in meiner Natur. Heute hatte ich tatsächlich das Gefühl: Die haben alle keine lustauf UNterricht und wollen nur provozieren, und ich mache mich da vorne zum Affen. Ich glaube doch langsam immer mehr, man muss dazu geboren sein, bzw. den richtigen Charakter haben, SuS zu erziehen. Ich dachte, ich könnte es noch lernen, aber ich spüre immer wieder, dass ich viel zu nett bin. Ich denke, dieser Job ist nur für absolut charakterfeste Leute richtig, sonst wird man zerfetzt. Man muss anscheinend auch gnadenlos sein können.


    Deshalb denke ich: Wer in diesem Job richtig ist, merkt es, wer dort falsch ist, merkt es wohl auch .... nur ... - wann?


    Gruß Anna ... die heute die Nase voll hat....

  • Zitat

    Deshalb denke ich: Wer in diesem Job richtig ist, merkt es, wer dort falsch ist, merkt es wohl auch .... nur ... - wann?


    Hi Anna,


    hab mich mittlerweile wieder einigermaßen entspannt, die Noten stehen, die Sonne scheint - trotz Winter! - und man kann herrlich mit den Kids auf dem Rasen liegen und bis zu 24 Grad geniessen. DAS ist doch mal was :D:D


    Um aber auf dein Statement zurückzukommen. ICh habe ähnliche Probleme und mir geht das ewige sanktionieren bisweilen ziemlich auf den Keks und das hatte ich mir eben auch anders vorgestellt. Daran krankt ja irgendwo auch das System Schule: die Kids kommen neugierig und voller Fragen rein, müssen dann aber nur Fragen beantworten und gehen gelangweilt wieder raus. Ums erträglich zu machen, wird halt viel Unfug getrieben und man läßt mal den, mal den Lehrer platzen...ich hab mir jetzt jedenfalls fürs nächste Halbjahr vorgenommen, statt auf methodische und didaktische Finessen (die kann ich zumindest theoretisch schon, der Rest kommt mit der Zeit), mal mehr auf Disziplin und Gesprächsmoderation zu achten. Wenn man dort konsequent ist und die Schüler die Grenzen kennen, hat man irgendwann glaube ich mehr Ruhe und kommt vom Aufpasser weg...bei einigen Klassen klappt das bei mir auch so, die lernen, auch wenn ich grad nochmal losmuss, was kopieren....bei anderen ist danach der Teufel los....
    Wenns nach dem nächsten Halbjahr nicht besser wird, dann halt eben Versuchsschule oder was anderes. Denn viele merken es glaube ich zu spät und wer stellt dann schon einen gescheiterten Lehrer ein? Mit rechtzeitigem Absprung ist man in der Wirtschaft mitunter noch recht gefragt...


    immer noch rat- aber nicht hoffnungslose Grüße, Santiaguino

    Mit einer Zitrone kann man sich das Leben verbittern oder einen Pisco Sour machen!

  • Zitat

    Weil ich mal wieder von meiner sehr lauten Klasse genervt bin, frage ich mich heute auch mal wieder, ob man das auf Dauer durchstehen kann. Ständig zu sanktionieren zehrt sehr an meinen Nerven und liegt überhaupt nicht in meiner Natur


    Sorry, wenn ich mich hier einfach so einmische, aber das trifft ziemlich gut das, was ich zur Zeit - bin allerdings erst seit einem halben jahr dabei - als das für mich größte Problem ansehe: Unterrichten an sich macht mir spaß, jedenfalls wenn es mit den und nicht gegen die Schüler stattfindet, aber die Organisation von Schule (nicht nur das Lernen als Zwang, sondern auch, dass sie oft mehr von einer Verwaltungsinstanz als von einem Lebensraum hat) finde ich so problematisch, dass ich mir z.Zt. ganz und gar nicht sicher bin, ob es das für mich auf Dauer sein kann. (Und ich meine damit nicht die spezielle Situation als Referendarin, denn trotz UB-Stress und Unsicherheitskrisen läuft das Ref bei mir im Großen ganzen sehr gut)
    So einigermaßen schaffe ich es inzwischen zwar, mich auch in lauten Klassen zu behaupten, aber das ist einfach nicht das was ich wirklich will (sich halt irgendwie durchsetzten), bzw. was ich mir unter Arbeiten (und ja irgendwie auch Leben) mit den Kids vorgestellt habe. Und - obwohl ich eine ganze Reihe sehr einfallsreicher, motivierter Kollegen sehe und deren Verzweifelung über die 'Renitenz' der SuS gut nachvollziehen kann - letztere kann ich auch häufig sehr gut verstehen:

    Zitat

    Ums erträglich zu machen, wird halt viel Unfug getrieben und man läßt mal den, mal den Lehrer platzen..


    Und leider sehe ich zur Zeit, außer bei den wenigen Versuchsschulen, bei aller Reformwut wenig Ansätze, dieses lern- und lebensfeindliche Klima in den 'normalen' Schulen zu verbessern ?(?(


    carla

    Nehmen Sie die Menschen so wie sie sind.
    Es gibt keine anderen

    Einmal editiert, zuletzt von carla ()

  • Ich bin jetzt zwei Jahre Ref plus sechseinhalb Jahre fertiger Lehrer. Ich glaube, ich kann den Job auf Dauer durchstehen - er macht mir jedenfalls immer noch enorm viel Spaß.


    Mit der Zeit geht es auch leichter. Ich unterrichte in diesem Jahr zum ersten Mal Informatik, und hab das nur recht mäßig gut getan. Das halte ich aus, weil ich mich erinnere, dass mein erstes Jahr Deutsch (vor allem im Referendariat in der Einsatzschule) auch nicht so besondes war. In Deutsch bin ich mit den Jahren zufriedener mit meiner Leistung geworden; ich hoffe, dass das in Informatik auch so sein wird.


    Sehr gerne würde ich mal ein oder zwei oder auch fünf Jahre etwas anderes machen (Betrieb, Erwachsenenbildung, Ausland.) Es ist halt schwierig, oder zumindest wird es einem nicht leicht gemacht, danach wieder in den Beruf in Deutschland zurückzukehren.


    Was mir hilft - neben den Gesichtern der Schüler - sind meine Frau, bei der ich mich ausjammern kann, und meine Kollegen. Wir kämpfen immer noch zu einsam, aber wir laden uns oft gegenseitig zum Essen nach Hause ein oder gehen ins Café oder abends in die Kneipe. (Diejenigen jedenfalls, die in München wohnen.) Da wird auch nur über Schule und Schüler gesprochen, aber das stört uns nicht. Und nach der Schule fahren wir gemeinsam S-Bahn oder sitzen noch ein bisschen herum, anders als allerdings die meisten Kollegen, die gleich nach Hause eilen.


    Am meisten frustriert uns das bayerische Schul- und Noten
    system. Allerdings wissen wir, dass wir uns die Arbeit auch innerhalb dieses Systems noch einfacher machen könnten, und die Hoffnung, das auch noch mal zu verwirklichen, gibt uns Auftrieb. Immerhin sind meine Schulaufgaben jetzt schon kürzer geworden, und wir haben uns ein paarmal gegenseitig im Unterricht besucht oder Deutsch-Grund- und Leistungskurs, die parallel stattfinden, auch gemeinsam unterrichtet doer uns Schüler für Referate ausgeliehen. (Ein guter Grundkurs-Referent gleich noch mal zur Wiederholung in den Leistungskurs.)
    Das fördert Zusammenhalt und erleichtert uns die Arbeit ein bisschen.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • ...kann mich dem Tenor "Ich habe einen anstrengenden Traumjob" nur anschließen; so kurz nach dem Ref (6 Monate fest dabei) wurmt mich ein bisschen die mangelnde Zeit innerhalb der Schule und der geringere Bezug zu den Schülern, von denen einige mir zu sehr zu anonymen Nummern werden.


    Was mich mal interessieren würde, wäre: Wie würde diese Frage wohl beantwortet, wenn sie nicht in eine der stressigsten und heißesten Phasen des Schuljahres (NOTEN!) gefallen wäre, sondern auf einen Haufen ganz entspannte LehrerInnen mit 6 Wochen Sommerferien im Rucksack... noch mehr Traumghaftigkeit?


    Grüße,
    JJ

  • Hallo Justus,
    ich kann für mich nur feststellen, dass ich mit jedem Jahr entspannter in die Sommerferien gehe. Heute ist mein erster Ferientag. Früher hab ich die ersten Tage bis in den späten Vormittag geschlafen, so K.O. bin ich gewesen. Jetzt ists noch nicht mal 8 Uhr, und der Schulrithmus tickt einfach weiter. Die letzten zwei Wochen waren eigentlich schon Ferien, und auch die Zeit davor war ertragbar. Wenn ich die Zitate von Carla etc. lese, dann bin ich dankbar, das es mich aufs Land verschlagen hat. Die SuS hier sind einfach nur nett. Selbst die schlimmsten sind nur etwas mürrisch. Ich kann euch nur raten, auch aufs Land zu gehen, wenn ihr eine Schülerschaft mit wenig Problemen haben wollt. Freiwillig wäre ich nicht so schlau gewesen, sondern wäre lieber in der Großstadt geblieben. Heute würde ich nicht mehr zurück wollen!

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

  • @ Remus Lupin


    Zitat

    Wenn ich die Zitate von Carla etc. lese, dann bin ich dankbar, das es mich aufs Land verschlagen hat. Die SuS hier sind einfach nur nett.


    das Problem sind meiner ansicht nach nicht unbedingt die SuS, zumal ich es hier, obwohl an einer großstadtschule, überwiegend ebenfalls mit netten Exemplaren zu tun habe (Ausnahmen gibts immer) und keinesfalls mit dem, was man an einer 'Brennpunktschule' erwarten würde (Umfeld ist halt so gemischt-großstädtisch). was mich in 'schwachen momenten' an dem Job, bzw. meiner Eingnung dafür zweifeln läßt, ist vielmehr der umstand, dass ich das Gefühl habe, diesen SuS (den netten und den weniger netten) bei allen bemühungen um guten unterricht niht gerecht werden zu können: es fehlt an zeit (viele Lerngruppen sehe ich exakt einmal die Woche für 45 Minuten)

    Zitat

    ... von denen einige mir zu sehr zu anonymen Nummern werden

    und an - räumlichem wie organisatorischem - 'Platz', den SuS auch mal außerhalb von Ausnahmen wie (seltenen) AGs oder Projekten die Möglichkeit zu geben, die Schule (die ja immer wieder als 'ihre' Schule bezeichnet wird) als etwas anderes als eine Lernvollzugsanstalt zu erleben: Als etwas, das sie mitgestalten können und wo sie sich vielleicht auch mal außerhalb der vorgeschriebenen wochenstundenzahl gerne aufhalten...... (und mag sein, dass ich den bedarf an solchen Orten hier als stärker empfinde als 'auffem Land' - bin übrigens selber 'nen Landei)


    carla

    Nehmen Sie die Menschen so wie sie sind.
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    Einmal editiert, zuletzt von carla ()

  • Zitat

    Wenns nach dem nächsten Halbjahr nicht besser wird, dann halt eben Versuchsschule oder was anderes. Denn viele merken es glaube ich zu spät und wer stellt dann schon einen gescheiterten Lehrer ein? Mit rechtzeitigem Absprung ist man in der Wirtschaft mitunter noch recht gefragt...


    Hallo Santiaguino, würdest du das wirklich so schwarz sehen?
    Oft ziehe ich aus dem Umstand, dass man noch etwas anderes machen könnte, wenn alles schiefgeht, eine gewisse Hoffnung, die mir hilft, weiterzumachen.


    Was glaubst du, ab wie lange der Absprung zu spät ist? Ich behalte mir nämlich auch noch vor, nach dem Ref etwas anderes zu machen. Kennst du Erfahrungswerte, z.B. geglückte iNtegration in die Arbeitswelt? Oder "gescheiterte Lehrer", die beim Sozialamt landeten? (Hoffentlich keine Erfahrungswerte) Würde mich interessieren, ab wann man wie ein "gescheiterter Lehrer" wirkt vor potentiellen Arbeitgebern....


    Ich hoffe auf jeden Fall, dass mich trotzdem noch jemadnhaben will, wenn das mit der Schule nicht hinhaut....


    8o?(


    Liebe grüße Anna

  • moin moin,
    es ist geschafft, ENDLICH Ferien, wurd jetzt aber auch wirklich Zeit....


    anna:
    Erfahrungswerte hab ich überhaupt keine, ist mehr so eine Einschätzung meinerseits. Die Ausbildung durch Studium und Referendariat bringt einem zwar nicht viel als angehender Lehrer, ist aber im Vergleich zu vielen anderen Akademikern doch eine recht umfassende und eben durchaus gefragt! Da man sich im Job aber vor lauter "dringend" zu erledigender Aufgaben insgesamt eher zurückentwickelt, ist halt die Frage, wie lange man noch gefragt ist, glaubwürdig erklären kann, warum man nicht mehr Lehrer sein will, und ab wann man eben als "unfähig" eingestuft wird, bzw. aufgrund des Alters nicht mehr so attraktiv als Quereinsteiger ist...
    Je mehr ich über das System Schule nachdenke, desto mehr muss ich mich Carla´s Ausführungen anschliessen, insbesondere:


    Zitat

    So einigermaßen schaffe ich es inzwischen zwar, mich auch in lauten Klassen zu behaupten, aber das ist einfach nicht das was ich wirklich will (sich halt irgendwie durchsetzten), bzw. was ich mir unter Arbeiten (und ja irgendwie auch Leben) mit den Kids vorgestellt habe. Und - obwohl ich eine ganze Reihe sehr einfallsreicher, motivierter Kollegen sehe und deren Verzweifelung über die 'Renitenz' der SuS gut nachvollziehen kann - letztere kann ich auch häufig sehr gut verstehen:
    Zitat:
    Ums erträglich zu machen, wird halt viel Unfug getrieben und man läßt mal den, mal den Lehrer platzen..


    Und leider sehe ich zur Zeit, außer bei den wenigen Versuchsschulen, bei aller Reformwut wenig Ansätze, dieses lern- und lebensfeindliche Klima in den 'normalen' Schulen zu verbessern


    Jeden Tag durch Architektur und Einrichtung der 70er zu schlendern, die durch Müll und Grafiti dekoriert wird, kanns irgendwie auch nicht sein. Den meisten Schulen fehlt der Stil, der Wohlfühlfaktor, oder was auch immer. Jedenfalls verbringt der Großteil der Lehrer und Schüler eben nur soviel Zeit wie nötig dort.
    Aber schwarz sehen tu ich auch nicht, es gibt ja auch die schönen Seiten, aber es gibt eben auch andere Jobs über die ich mir Gedanken mache...


    so, jetzt aber packen und Ferien geniessen

    Mit einer Zitrone kann man sich das Leben verbittern oder einen Pisco Sour machen!

  • Zitat

    Jeden Tag durch Architektur und Einrichtung der 70er zu schlendern, die durch Müll und Grafiti dekoriert wird, kanns irgendwie auch nicht sein. Den meisten Schulen fehlt der Stil, der Wohlfühlfaktor, oder was auch immer.


    Da muss ich dann doch mal meinen Senf zugeben. Was du da beschreibst, klingt nach einem Klischee. Selbstverständlich gibt es diese Schulen, das will ich gar nicht abstreiten. Und sie sind insbesondere dort verbreitet, wo die Spezialdemokraten in den 70igern ihre Schulpolitik in Beton gegossen haben. Lieb gedacht, schlecht gemacht. (Gut, dass die immer aus ihren Fehlern lernen). In NRW, Bremen und anderen Hochburgen findet man diese Schulen zuhauf, und sie sehen tatsächlich aus, wie du sie beschreibst.
    Es zwingt dich aber niemand dort hin. Es gibt auch wunderschöne Schulen, ganz ohne Schmierereien, ohne den Betonguß und ohne Bunkercharakter oder Müllberge. Schulen mit viel Wohlfühlcharakter! Und ob du es glaubst oder nicht, Typen wie du und ich wollen da nicht hin. Diese Schulen suchen händeringend nach Leuten, aber immer wieder springen welche ab, und gehen lieber an die von dir geschilderten baugeschichtlichen Sondermülldeponien.


    Die besagten Schulen liegen am Ende der Welt, aber nicht in Argentinien oder Hogwards, sondern eben weit draussen auf dem Lande. Und wenn mein Schicksal es nicht mal wieder besonders gut mit mir gemeint hätte, dann wär ich jetzt Bunkerwart in so einer atombombensicheren Schule, denn ich wäre wohl nie so weit raus gegangen, wenn bessere Angebote dichter an der Stadt gewesen wären. Und mir wäre die Stadt wichtiger gewesen als der Job. Was natürlich eher dumm ist, denn ich arbeite täglich ca. 6 Stunden an meiner Schule, aber ich nutze das Angebot der Stadt bei weitem nicht mehr so oft.


    Will sagen: Jobs an den schönsten Schulen sind leicht zu kriegen! Man muss sich nur durchringen und sie annehmen, und nicht im U-Boot Bunker um die Ecke anheuern.


    Gute Reise!

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

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