Der Schüler, das defizitäre Wesen?

  • Hallo,


    etwas in Überschneidung mit diesem thread
    http://www.lehrerforen.de/oldforum.php?topic=100778728399
    aber vor allem aus Beobachtungen der letzten Zeit:
    Lehrergespräche drehen sich meiner Erfarung nach zu einem großen Teil um die Defizite der Schüler, insbesondere im Hinblick auf die jetzige Schülergeneration. Ich halte das doch zu einem gewissen Teil für problematisch, weil man schnell in den Bann der selbsterfüllenden Prophezeiung kommt. Mich würde deshalb interessieren:
    1. Welche Defzite hat eures Erachtens nach die heutige Schülergeneration besonders im Hinblick zu früher.
    2. Welche Ursachen vermutet ihr?
    3. Wie ist das allgemeine Schülerbild in eurem Kollegium, das nach Außen getragen wird? (Es geht mir nicht darum, was gedacht, sondern was tatsächlich gesagt wird!)
    4. Inwieweit seht auch ihr das Problem der selbsterfüllenden Prophezeiung?
    Ich hoffe, ihr antwortet zahlreich; dem Ganzen liegt ein Kollegengespräch in einer Hohlstunde zugrunde, das mit Brecht endete:
    Nun stehen wir und sehen betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen ;)

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Zu 1.:
    Mir kommen meine Schüler wesentlich fleissiger vor als meine Mitschüler...


    2:
    Nicht mehr so viele Weltrevoluzzer unterwegs...


    3: Welches "Aussen"?

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

    Einmal editiert, zuletzt von Remus Lupin ()

  • Mit Nachaußentragen meine ich ganz schlicht:
    Wie reden Kollegen vor Kollegen, Eltern, Schülern,... über ihre Schüler im Allgemeinen.
    Wie gesagt, ich habe jetzt 2 Wochen lang zu oft gehört, was die Schüler alles nicht können...


    [edit: kompletter Beitrag neu verfasst]

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Zu 1:
    Mir kommt es so vor, dass ihre Aufmerksamkeitsspanne und Frustrationstoleranz geringer ist als bei uns damals. Vermutlich täusche ich mich dabei und gehe von einer ungeeigneten Vergleichsgruppe aus (mir und meinen Freunden damals). - Übrigens habe ich neulich in alten Tagebüchern geblättert und festgestellt, dass ich selber auch öfter blau gemacht habe, als ich gedacht hatte.
    Ganz sicher waren wir in der Oberstufe nicht so notengeil. Hauptsache Abi, der Rest war nicht so wichtig. Heute wird um jeden Punkt gefeilscht und die Schüler beklagen sich über 12 Punkte bei einem Referat. Ich sehe das als Defizit.


    Ansonsten stimme ich Remus zu: Weniger Revoluzzer. Ich hätte das vielleicht zu Punkt 1 geschrieben. Den der Jugend zugeschriebenen Ehrgeiz und den Glauben, alles besser machen zu können und zu wollen als die Elterngeneration, sehe ich nicht.


    Zu 3: Ich weiß nicht, was mit Außen gemeint ist. Die Schüler selber? Freunde und Ehepartner?


    Insgesamt schränkt die Fragestellung etwas ein; neben Defiziten, zu denen mir sicher noch etwas einfallen wird, sehe ich auch Punkte, wo mir die Schüler heute besser gefallen als wir damals. Die gehören zu dem nach innen/außen/mit sich herum getragenen Bild der Schüler und eventueller selbsterfüllender Prophezeiung dazu.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Zitat

    Herr Rau schrieb am 15.04.2005 18:22:
    Ansonsten stimme ich Remus zu: Weniger Revoluzzer. Ich hätte das vielleicht zu Punkt 1 geschrieben. Den der Jugend zugeschriebenen Ehrgeiz und den Glauben, alles besser machen zu können und zu wollen als die Elterngeneration, sehe ich nicht.


    Interessant!!!
    In der Tat gibt es doch seit dem Erschlaffen der Friedens- und Umweltbewegung nichts mehr, was man als "Projekt" der Jugend bezeichnen könnte.
    Insofern halten uns die Schüler den gesellschaftlichen Spiegel vor: Sie sind reine Pragmatiker.
    Dazu passt ja:

    Zitat


    Ganz sicher waren wir in der Oberstufe nicht so notengeil. Hauptsache Abi, der Rest war nicht so wichtig. Heute wird um jeden Punkt gefeilscht und die Schüler beklagen sich über 12 Punkte bei einem Referat. Ich sehe das als Defizit.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Timm,


    Deinen Ansatz, das nur-negativ-Gerede in Frage zu stellen, begrüße ich sehr.


    Lass mich Deinem Fragenkatalog hinzufügen:


    5. Worin zeigen sich Schüler heute stärker ? (Computer ?)


    6. Was gefällt uns - besonders den älteren Lehrern - ganz generell besser an ihnen als Schülern vor 20 Jahren oder unserer eigenen Schülergeneration der 50-er und 60-er Jahre?


    (Wir waren zu 32 in der Abiturklasse - nur 8 davon hatten das Gymnasium in 9 Jahren durchlaufen - nur 1/4 !")


    Fragen nach Positivem und Bewußtsein von Positivem sind wichtig.


    Nicht wie bei einer katholischen Beichte, wo man sich nur auf Sünden konzerntrieren soll. Sicherlich wäre es auch dort gerade für Kinder gut, aufzuzählen, was ihnen in der letzten Zeit besonders gut gelungen ist.


    Viele Grüße, Georg Mohr

    Glückliche Kinderaugen machen glücklich !
    "Lehren" = beim Lernen unterstützen + "Erziehen" ist noch wichtiger als "Stoff" vermitteln.

  • tu dem feilschen um noten will ich als erst küzrlich aus der bildungsanstalt entlassene au mal was loswerden.
    und zwar hab ich selber das gefühl dass is heute auch viel mehr nötig.
    früher galt das abi noch was heute isses auf vielen andren wegen halt doch noch leichter zu erreichen und ich behaupte jeder der motiviert is (oder jedenfalls fast jeder) kann es erreichen da gewinnt der schnitt und jeder einzelne punkt halt doch an bedeutung (ich bin um einen leidigen punkt am 1, schnitt gescheitert hät ich vielleicht doch mehr feilschen sollen).
    versteht mich bitte net falsch ich finds ja schön wenn mehr leute s abi erreichen können und studierene wenn sies interessiert au wenn sie als jugendliche den sprung auf gymi net geschafft ham.
    aber ne ex-klassenkameradin von mir die das klassenziel immer nur mit mühe oder nicht erreicht hat und jetzt ihre fh-reife mit 1, macht und mir damit echte konkurrenz fals ich au auf die fh wöllte des macht mich scho manchmal stinkig.
    und ich denke dieses konkurrenzdenken/zukunftsangst lässt einen um jeden punkt feilschen.
    hauptsache abi zählt halt heut nimmer.

  • Zitat

    die Schüler scheinen weniger aufmerksam über längere Strecken, was nicht unbedingt ihre Schuld ist (Fernseh-Generation - ein Bild= 2-8 Sekunden - das kann kein Lehrer "ersetzen") und weniger geduldig


    Ich habe in meiner Zeit am Gymnasium eine Hand voll Schüler erlebt, die dieser Beschreibung spotten, die eine unglaubliche Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit hatten und die extrem leistungsfähig waren. Diese Schüler hatten alle eines gemeinsam NICHT: Einen Fernseher!


    Gruß, Remus

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

  • Die Antwort fällt mir auch deshalb schwer, weil die Klassen und Schüler so verschieden sind. Ich habe gerade eine Klasse, die ich mag, und in der ich gern unterrichte, mit der ich sehr gut zurecht komme, und die mich mag - aber die sind wesentlich gemeiner und beleidigender zueinander, als wir das waren. Dafür sind sie sehr leistungswillig.


    Das nach außen getragene Bild: Es gibt ein paar Kollegen, die grundsätzlich jammern. Über Schulleitung, Kultusministerium, wenig über Eltern, mehr über Schüler. Gejammert wird hauptsächlich: Dass die Schüler nicht arbeiten wollen, dass sie ihre Hausaufgaben nicht machen, dass sie sich nichts merken können. (Für eine eventuelle Verteidigung der Schüler und Angriffe auf diese Lehrer schlage ich einen eigenen thread vor. :) ) Bei zu fällenden Entscheidungen (Vorrücken, Sonderregelungen, Schulaufgabenschwierigkeit) sind aber auch diese Lehrer lammfromm zu den Schülern.


    Der Großteil im Kollegium gehört aber nicht zu den Jammerern. Über einzelne Schüler wird geklagt, aber nicht über die ganze Schülergeneration. Man erzählt sich von Problemen in einer Klasse (auch wenn das zu wenig und bei zu wenigen Lehrern geschieht), aber bezogen auf konkrete Situationen.


    Von Schülern höre ich gelegentlich immer noch, manche Lehrer hätten sie als die schlechteste oder schlimmste Klasse dieses Jahrgangs bezeichnet. Ich bin mir nicht sicher, ob die Lehrer das jeweils wirklich so gesagt haben, aber so scheint es anzukommen, und das halte ich für grundfalsch. Das wäre in ganz falsches Nach-Außen-Tragen.


    Ich selber erzähle bei jeder Gelegenheit davon, was meine Schüler alles können, oder wie nett sie sind. Aber immer bezogen auf konkrete Situationen. (Auf meinem Blog gibt es die Kategorie "Was Schüler können".)


    Heike, die Technikfreundlichkeit gibt's an meiner Schule noch nicht. In der Unter- und Mittelstufe ja, aber darüber gibt es noch viel Technikscheu.
    Ansonsten gebe ich dir bei fast allem recht. Es wird viel gelesen, aber von weniger Schülern als zu meiner Schulzeit. Bei dem größeren Weltvertrauen bin ich mir nicht sicher. Gut, ich war die No-Future-Generation, aber Vertrauen in die Zukunft hatte ich doch.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,
    ich möchte diesem Thread gerne etwas hinzufügen- aber das ist richtig schwer auszudrücken, denn ich möchte nicht pauschalieren. Beispiel: Ich habe zwei neunte Klassen, eine in Deutsch, eine in Französisch.
    Während in meiner eigenen Deutschklasse der Klassengeist quasi nicht vorhanden ist, ist die andere Klasse auch pubertär, aber fairer, netter zueinander, lustiger, einfach besser drauf.


    Was viele Schüler jetzt meiner Ansicht nach besser können als wir damals:
    - Umgang mit modernen Medien
    - Sich besser in Szene setzen (kann bei Referaten etc. sehr von Vorteil sein)
    - besser diskutieren (wenn das Thema interessant genug ist)
    - in Einzelfällen: engagiert sein und helfen (es ist unglaublich, wieviel Zeit manche Schüler noch nachmittags mit Wahlkursen an der Schule verbringen)
    - eine gewisse Rafinesse (kann sich gut oder schlecht auf den Unterricht auswirken)


    Was schlechter geworden ist:
    -die Konzentration
    - es gibt sehr zum meinem Leidwesen eine große "Ellenbogenmentalität" auch schon bei den Kleinen (gerade bei einer Klasse geht so gut wie kein Spiel ohne dass es Streit gibt)
    - weniger Klassengeist, dafür mehr Grüppchen
    - Egoismus bzw. Mobbing unter den Schülern.
    - die, ich nenn es jetzt mal "Kleinkariertheit"- die Schüler kennen und wissen angeblich alles, was ich als Lehrer darf und nicht darf und pochen da auch massivst drauf (wäre ja auch okay und rechtens, wenn nicht bei genaueren Nachbohren rauskommen würde, dass es von jemandem gehört wurde, der es von jemandem gehört hat, der es von jemandem gehört hat- und es dann oft gar nicht so stimmt, wie es wiedergegeben wurde. ) Uns war das oft ganz egal.


    Gleich geblieben: die ewig gleichen uralten Streiche (warum fällt denn keinem mal was Neues ein?) und die Dinge, die Heike bereits erwähnt hat.


    Was bei uns nach außen dringt: Nichts!


    8o Es gab sogar beim Elternsprechtag strikte Anweisung, dass man den Eltern möglichst nicht erzählen solle, dass die zweite Fremdsprache ein Jahr nach der ersten Fremdsprache vielleicht doch ein wenig früh ist. Außerdem ist bekannt, dass unsere Schule im Vergleich zu anderen Schulen im Umland notendurchschnittsmäßig ziemlich schlecht ist- und im Lehrerzimmer wird darüber auch heiß diskutiert- nach außen dringt jedoch wirklich gar nichts.


    Liebe Grüße, Hermine

  • Zitat

    Heike schrieb am 15.04.2005 19:27:
    dass in der "Philologenecke" unseres Lehrerzimmers immer nur Jammertöne und Geläster über Schüler zu hören ist und mir das so endlos auf den Keks geht.


    entschuldige die Nachfrage, Heike: Philologenecke - meinst du das jetzt verbandspolitisch oder fächerbezogen? :D


    mfg
    der unbekannte Lehrer

    "Get thee back into the tempest and the Night´s Plutonian shore!...
    Take thy beak from out my heart, and take thy form from off my door!"
    Quoth the raven: "Nevermore." (E.A.Poe,The Raven)

  • Zum Thema "Weltrevoluzzer" bzw. Pragmatismus


    Eine ähnliche Diskussion hatte ich letztens im Uni-Seminar, wo der Pädagogik-Professor erzählte, er und viele seiner Kollegen hätten vor allem aus einer Gesellschaft-verändern-wollen-Motivation heraus Pädagogik studiert und es würde bei ihm den EIndruck machen, heutige STudenten hätten das eben nicht mehr - wo er natürlich im Groben recht hat. ABER (was ich ihm dann auch sagte): das heißt noch nicht, dass SChüler/ STudenten sich nicht mehr engagieren. Das Handlungsfeld hat sich geändert. Ich (und ich denke, dass geht vielen meiner groben Altersgruppe so - bin 26 Jahre) glaube tatsächlich nicht daran, die Gesellschaft revolutionieren zu können, dieser 70er (?) Jahre Antrieb ist defintiv weg. Dafür habe ich und auch jede Menge anderer trotzdem in dem Maße, wo ich direkt Ergebnisse sehe, mich engagiert, sei es Jugendarbeit oder mit der Greenpeace-Ortsgruppe die Hecke entmüllen.


    Will also sagen, auch da schlägt der Pragmatismus durch: Ich tue was da, wo ich die Ergebnisse auch sehen kann und versuche nicht, in einer Partei (oder APO oder was auch sonst) aufzusteigen, um die Gesellschaft zu revolutionieren.


    Viele sehen nämlich diese Schlagwörter Politikverdrossenheit oder eben mangelnder Weltrevoluzzer :D und denken, die interessieren sich für gar nichts. Das stimmt halt nicht, meiner Meinung nach. Es ist nur in überschaubarerer Bereiche abgewandert.


    Okay, und Utopien funktionieren nicht mehr. WIr haben schließlich gesehen, dass die alle gescheitert sind.


    Ansonsten kann ich zur heutigen Schülergeneration nicht so viel beitragen. Ich staune immer nur über die Sicherheit in der Klamottenfrage: bei uns war das Jeans (möglichst löchrig), T-Shirt, Docs oder Chucks.
    Und heute laufen schon elfjährige in hochhackigen Schuhen rum (was ich heute noch kaum mag, meine Füße tun nach einer Stunde fürchterlich weh - wie machen die das bloß?? ?( ), stilsicher (zumindest meistens) und sind total schwer altersmäßig einzuschätzen...


    Aber ich vermute mal fast, dass das jede frühere Generation über die nachkommende gedacht hat, oder?


    Es ist ein eigenartiges Gefühl, wenn man auf einmal feststellt, dass man auf den Weg ist erwachsen zu werden und man gelegentlich den Kopf über "die Jugend" zu schütteln beginnt (z.B. beim Thema bauchfrei oder bei knapp unter o°C ohne Schal und mit halboffener Jacke den eigenen Ausschnitt präsentiert - möglichst viel Haut, versteht sich - brrr)...:D


    Ich hoffe, ich bin nicht zu sehr abgeschweift.


    Liebe Grüße
    Katta

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

    Einmal editiert, zuletzt von katta ()

  • Zitat

    5. Worin zeigen sich Schüler heute stärker ? (Computer ?)


    Zumindest was Computer angeht, würde ich das verneinen. Heutzutage ist der Computer für die meisten Schüler eine Black Box. Sie können ihn benutzen, verstehen aber vom Innenleben wesentlich weniger, als ich so naiv angenommen habe. Das ist keine Bastelgeneration mehr, weil es an vielen Fertigprodukten schlichtweg nichts mehr zu basteln gibt. Wir "Greise" hatten noch Geräte, die man aufschrauben und reparieren oder endgültig zerstören konnte, wie Plattenspieler, Tonbandgeräte etc. Aber was will man bei einem MP3-Player noch erforschen...?


    Gruß, Remus


    Edit: Meine Weltrevolution ist ja auch abgeschlossen: Reagan ist nicht länger Präsident, Thatcher nicht länger PM. Die Mauer ist weg, der Präsident von Südafrika ist schwarz, der amerikanische Aussenminister zusätzlich noch weiblich, der Warschauer Pakt ist Geschichte, die Grünen sind in der Regierung incl. Aussenminister, der Ausstieg aus der Kernkraft ist beschlossen, man sieht den Horizont vor lauter Windmühlen nicht mehr, ... und ich werde nicht mehr ständig wach, weil ich vom 3. Weltkrieg geträumt habe!


    Kurzum, dies ist eine andere Welt geworden. Es hat seit den 70iger Jahren eine Weltrevolution stattgefunden. Gut, bis Irland oder Nordkorea ist sie noch nicht vorgedrungen, aber das ist nicht wirklich mein Problem... denn irgendwoher habe ich die positive Überzeugung, dass auch diese Orte sich dem Wandel nicht auf Dauer entziehen können.

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

    Einmal editiert, zuletzt von Remus Lupin ()

  • Danke für die zahlreichen interessanten Beiträge.


    Zitat

    Remus Lupin schrieb am 16.04.2005
    Edit: Meine Weltrevolution ist ja auch abgeschlossen: Reagan ist nicht länger Präsident, Thatcher nicht länger PM. Die Mauer ist weg, der Präsident von Südafrika ist schwarz, der amerikanische Aussenminister zusätzlich noch weiblich, der Warschauer Pakt ist Geschichte, die Grünen sind in der Regierung incl. Aussenminister, der Ausstieg aus der Kernkraft ist beschlossen, man sieht den Horizont vor lauter Windmühlen nicht mehr, ... und ich werde nicht mehr ständig wach, weil ich vom 3. Weltkrieg geträumt habe!


    Kurzum, dies ist eine andere Welt geworden. Es hat seit den 70iger Jahren eine Weltrevolution stattgefunden. Gut, bis Irland oder Nordkorea ist sie noch nicht vorgedrungen, aber das ist nicht wirklich mein Problem... denn irgendwoher habe ich die positive Überzeugung, dass auch diese Orte sich dem Wandel nicht auf Dauer entziehen können.


    Nun ist es ja so, dass die ältere Generation quasi nur Anbieter von weltverändernden Ideologien sein kann, wie dies z.B. Marcuse oder Adorno waren, jedoch selbst die Bewegungen nicht auslöst.
    Zündstoff sehe ich allerdings genug und ich finde es erstaunlich, dass sich bei den Jungen noch wenig Widerstand regt. Die Globalisierung und die zunehmende Partikularisierung des Individuums in Verbindung mit dem Zurückdrängen gesellschaftlicher Normen hat schon erste Gegenbewegungen wie ATTAC oder in den USA die fundamentalistischen Sekten/Kirchen (Stichwort: Evangelikale) geschaffen. Ob das Pendel nun nach Links oder Rechts schlägt, wird sich noch zeigen.


    Zu Heikes Ausführungen ist wenig hinzuzufügen. Nur in einem Punkt muss ich widersprechen:

    Zitat


    - die Schüler haben weniger Angst vor der Zukunft, ein größeres "Weltvertrauen" (manchmal naiv, aber wenigstens mit positiver Grundstimmung)


    Die Angst vor der Zukunft sehe ich sehr wohl; mal glaube ich sie nur zu spüren, mal sehe ich sie handfest: Jugendliche, die erst durch das allgemeinbildende Schulsystem gereicht worden sind und nun schon einige Jahre im beruflichen auf dem Buckel haben, fragen sich ängstlich, wohin die Reise geht. Dabei spreche ich nicht von den Dummen oder Unmotivierten, sondern von denen, die irgendwann einmal aus einer Schublade gefallen sind und jetzt versuchen, wieder Halt zu bekommen.


    Zitat


    5. Worin zeigen sich Schüler heute stärker ? (Computer ?)


    6. Was gefällt uns - besonders den älteren Lehrern - ganz generell besser an ihnen als Schülern vor 20 Jahren oder unserer eigenen Schülergeneration der 50-er und 60-er Jahre?


    M.E. sind die Ängste gegenüber der Technik stark gesunken. Nicht alle Schüler bringen (vor allem bei den bildungsferneren Schichten) Computerkenntnisse mit; viel mehr als zu meiner Zeit gehen sie aber vorurteilsfrei/positiv an die Technik und speziell den Computer heran.


    Auch das selbstätige und selbstorganisierte Arbeiten über längere Phasen beherrschen viele Schüler besser. Wird das Ganze aber zu lang, müssen klare Hilfestellungen und Kontrollen erfolgen.


    Letztlich: Die Fähigkeit, Informationen und sich optisch und rhetorisch zu präsentieren, ist bei allen Schüler wesentlich stärker ausgeprägt als früher. Fast ausnahmslos schaffe es auch schwächere Schüler, drei bis vier Minuten vor der Klasse zu stehen.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Hallo,


    wir haben das gerade neulich mal verglichen.


    Meine Kinder kommen zumeist um 4 Uhr völlig ausgelaugt aus der Schule und bringen dann noch eine Riesenmenge Hausaufgaben mit. In der Schule werden sie ununterbrochen benotet und müssen ständig Höchstleistungen erbringen. Beinahe täglich bekommen sie Noten mitgeteilt. Einfach mal so lernen, ist nicht mehr vorgesehen.


    Wenn sie sich überlegen, was sie einmal werden wollen, steht bei den allermeisten Fachrichtungen gleich dabei, dass der Erwerb dieser Qualifikationen völlig brotlos ist. Wirklich gute Berufsaussichten gibt es fast gar nicht mehr. Wenn es ihnen dann doch gelingt, etwas zu finden, was ihnen gefällt, können sie das zumeist doch wieder knicken. Die Noten, auf die man dann bauen muss, sind äußerst wacklig. Da muss man jede Minute drum kämpfen und kann noch in der letzten Minute verlieren. Die harten NC-Fächer sind so eine Art Lotterie. Die anderen werden allerdings auch immer mehr dazu. Überall wird an eigenen und speziellen Zulassungsverfahren herumgeschraubt. Wenn man sich da bewirbt, weiß man meistens nicht einmal, worauf es ankommt.


    Jetzt will ich mal versuchen, meine eigene Schulzeit zu beschreiben.


    Bis zum Abitur war ich eigentlich täglich von 14 - 20 Uhr auf dem Reiterhof. Nach der 6. Klasse habe ich keine Hausaufgaben mehr gemacht. Einsen zu schreiben und sich in der Schule ab und zu mal zu beteiligen, reichte für gute bis beste Noten. Wir hatten noch Samstags-Unterricht. Da ging ich nicht hin - Leistungssport. Etwa ein Drittel meiner Klasse hielt das auch so.


    Es fiel viel Unterricht aus. Lehrermangel. Viele unserer Lehrer waren Seiteneinsteiger und hatten keine Ahnung, wie sie mit uns Schülern umgehen sollten. Von ihrem Fach manchmal auch nicht. Unsere Französisch-Lehrerin war zum Beispiel eine Kanadierin von der Westküste.


    Politisch engagiert waren wir fast alle. Hatten Hobbys. Waren sozial engagiert. Dazu hatten wir auch viel Zeit. Eigentlich so viel, wie wir wollten.


    Den NC gab es schon. Er war aber noch relativ neu und wir konnten uns nicht so wirklich etwas drunter vorstellen. Die meisten hatten auch noch keinerlei Idee, was sie mal machen wollten. Insofern blieb da der Stress aus. Die meisten, denen nichts einfiel, schlugen übrigens die Lehrerlaufbahn ein......


    Grüße Enja

  • Zitat

    Enja schrieb am 19.04.2005 07:07:


    Meine Kinder kommen zumeist um 4 Uhr völlig ausgelaugt aus der Schule und bringen dann noch eine Riesenmenge Hausaufgaben mit. In der Schule werden sie ununterbrochen benotet und müssen ständig Höchstleistungen erbringen. Beinahe täglich bekommen sie Noten mitgeteilt. Einfach mal so lernen, ist nicht mehr vorgesehen.


    Hm, ich weiß ja nicht, wann das bei dir war. Aber wir hatten in den 80igern in der 11. Klasse Gymi mit Latein AG 40 Wochenstunden. Stressfrei war das nicht, aber trotz allem hatten wir noch genug Freizeit, obwohl wir regelmäßig lernen oder zum Schulbesuch erscheinen mussten.


    Mit dem NC stimme ich dir aber voll zu. Die Engagierten haben heute ein ganzes Portfolio an Zukunftsplänen, weil sie wissen, wie schwer es ist, sich festzulegen. Dass dann andere nicht wissen, wohin der Zug fährt, ist mir schon in gewisser Weise verständlich!

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,
    ich habe gerade gestern nachmittag mit meiner Mutter über das Problem um vier Uhr heimkommen und noch Hausaufgaben (Wann das allerdings jeden Tag so ist, dann gebe ich dir Recht- da läuft was quer) geredet- erstauntes Augenbrauen-Hochziehen: "Du hast auch oft bis spät abends da gesessen, wenn was nicht gleich klar war! Gespielt hast du halt dann am Wochenende!"
    Nach Ansicht meiner Ma hatten wir deshalb mehr Zeit, weil wir dann nicht noch für Judokurs, Tennisstunden, Fußballverein und Klavierstunden verplant waren, eins davon musste reichen.
    Es gibt übrigens auch einige, die planlos ein Lehramtsstudium angefangen haben und dann doch noch engagierte Lehrer wurden (weiß ich aus eigener Erfahrung
    ;) )
    Lg, Hermine

  • Hallo Hermine,


    ich meinte das nicht wertend. Manche rutschen zufällig rein und werden tolle Lehrer. Manche verwirklichen ihren Herzenswunsch und bekommen trotzdem nichts hin.


    Freizeitmäßig habe ich eher mehr getan als meine Kinder. Hatte ja mehr Zeit. Die Auswahl war geringer. Heute kann man praktisch jedes Instrument lernen und damals musste man nehmen, was kam.


    Ich weiß nicht, wieviele Wochenstunden ich hatte. Es war aber bis zum Abi inklusive AGs nie eine 7. Stunde dabei. Samstags hatten wir vier. Aber da war ich definitiv praktisch nie.


    Grüße Enja

Werbung