... muss doch mal unsere Forenmeister bitten, so ein Icon für "generelle politische Diskussionen" einzubauen...
Ihr Lieben,
im Moment lerne ich an Berufskolleg u. dgl. die andere Seite des Lebens kennen, von der man am Gymnasium einiges hört, mit der man aber wenig zu tun hat. Während sich unsere hochverehrten Oberstudienräte weiter in diversen Kommittees für viel Geld um die Feinheiten der Rechtschreibreform streiten, sitzen nun vor mir die Hauptschulabsolventen, bei denen die Schreib- und Lesefähigkeit an Analphabetismus grenzt.
Sorry, ich muss mal Wut auf dieses System loswerden, weil ich mir das vorher so einfach nicht vorstellen konnte. Ich verteile am Gymnasium eine Sechs, wenn in der Oberstufe eine Arbeit in der Fremdsprache einen Fehlerquotient von 7 und mehr hat. Hier schaffen es 18jährige in 15 Minuten so gerade, einen zwischen 15 und 54 Wörtern langen freien Text (Thema: Beschreibe einen Mitschüler, also nix Wildes) in der Landessprache zu verfassen, der Fehlerquotient schwankt zwischen 15 und 33.
Viele, keineswegs alle, Ausländer. Einige, keineswegs viele, ein bisschen dumm. Soweit ich aus den ersten Texten schließen kann, keine LRS-Leute im engeren Sinne. Sondern lauter Vernachlässigte, Herumgereichte, nicht rechtzeitig und lang genug Deutsch Gelernte, zu oft Geschwänzte, nie Arbeitshaltung Erworbene. Keine "Asis" - sie sind sogar wirklich lieb. Zwei Drittel sind nicht in der Lage, die grundlegenden Aussagen eines Kommentars in der Lokalzeitung zu verstehen. Die Textform "Personenbeschreibung" ist ihnen fremd, der Perspektivenwechsel "Beschreibe jemand anderen so, dass man ihn erkennen kann, auch wenn man ihn zum ersten Mal sieht" fällt den meisten sehr schwer. Und die Jungs sollen wählen gehn ????????
Ich halte es für ein Verbrechen, Millionen für eine Rechtschreibreform auszugeben, bei der es letzten Endes um Formalien geht (einzig die Getrennt- und Zusammenschreibung berührt die Verständnisebene, und ausgerechnet da ist die neue Lösung sehr unübersichtlich), wenn hier gleichzeitig einer ganzen Bevölkerungsschicht die Fähigkeit zur schriftlichen Kommunikation flöten geht. Und wenn's "nur" auf sprachlicher Ebene wär... aber das eingeschränkte Vokabular, der Verlust von Nebensatzkonstruktionen (nach dem, was die Kollegen mir erzählen, auch in der Sprache ihrer Eltern - bilingual halbsprachlich oder wie das heißt) usw., macht die Sache mit dem abstrakten Denken verdammt schwierig.
Wahrscheinlich sitzen jetzt die Kollegen von der Hauptschule da und wundern sich, warum ich so einen alten Hund ausgrabe, das sagen sie bestimmt schon seit Jahren. Ich frage mich, wie man die Gymilehrer dazu kriegen könnte, das Geliche zu sagen (und dafür auf etwas Geld und ein paar "Spitzen" im heren Gymnasium zu verzichten). Was haltet ihr von folgenden Thesen:
1. Alle Lehrer durchlaufen zumindest in Form eines mehrwöchigen Praktikums sämtliche Schulformen.
2. Sprachkompetenz (im Sinne von Textverständnis und Kommunikationsfähigkeit, bugger the Rechtschreibung) wird zum "sine-qua-non" - Schüler nehmen erst dann am regulären Unterricht teil, wenn hier die Grundlagen gesichert sind.
3. Sämtliche Gremien, Arbeitskreise usw. zur Rechtschreibreform werden sofort aufgelöst, stattdessen gehen alle Gelder in die frühe Sprachförderung.
4. Und - jetzt bin ich gespannt, woher ich Prügel krieg - kein Wahlrecht ohne Nachweis einer grundelgenden Medien- und Politikkompetenz (den Wählerführerschein müssen natürlich alle ablegen...)
Sich erst mal beruhigen müssend,
w.