• hallöchen! ich unterrichte seit einigen wochen in einer siebten klasse, in der ich nach den sommerferien hospitiert habe. nun rutschen viele schüler in die pubertät: sie wollen cool sein, provozieren, schwärmen für klassenkameradInnen, rangeln die ganze zeit mit ihrem nachbarn etc. es gehört zur pubertät, stört aber den unterricht massiv. am ende jeder stunde versuche ich mit ihnen über ihr verhalten zu sprechen, mal mehr oder weniger verständnisvoll. sie wollen selbstbestimmt arbeiten, sich in selbstdisziplin üben etc. regeln, die sie sich gegeben haben, wirken auch nicht mehr.
    ich will nun auch keinen scharfen Strafmaßnahmenkatalog auffahren, um die klasse zu bändigen.
    problematisch ist, dass ich auch gerade selbst auf der suche nach meiner lehrerpersönlichkeit bin. d.h. sowohl die klasse als auch ich selbst haben mit einem gewissen unsicherheitsfaktor zu kämpfen.
    solange der klassenlehrer im raum ist, geht es einigermaßen. verlässt er ihn, bricht der zirkus los.
    ich suche derzeit etwas frustriert tipps und kniffe, wie ich selbst an coolness gewinnen kann und die klasse auch dadurch etwas zur ruhe kommt. zumal mir am montag ein unterrichtsbesuch ins haus steht und ich mir schon grauenvolle szenen ausmale...... 8o
    an sich ist die klasse eigentlich sehr offen und nett, wenn sie nicht gerade pubertären stürmen ausgesetzt ist. schade finde ich halt, dass sie wenig rücksicht auf die anderen schüler nehmen, die vielleicht wirklich mal aufpassen wollen, um etwas zu verstehen.


    danke fürs frust-abladen-dürfen
    gruß,
    schrumpeldei

  • tut gut, frust abladen zu können?
    diese 7. klasse halte ich für eine gruppe, die ich "gelenkte" klasse nenne. wenn der klassenlehrer dabei ist, klappt die lenkung. wenn er außer sicht ist, wird freiheit geprobt. und die ist für diese kinder ungewohnt.
    ich hatte es leichter, weil ich mit kindern vom kindergarten an zu tun hatte.
    ob es in der 7. klasse noch geht, die drei verbote und drei erlaubnisse an die wand zu hängen und darauf zu bestehen?
    nach drei jahren konnte ich reduzieren auf ein verbot. die drei erlaubnisse sind wahrscheinlich von meiner nachfolgerin gekappt worden.
    dabei sind die so wichtig für kinder die selbstständig sein möchten und anerkannt und respektiert und gemocht.

  • Liebe Schrumpeldei,


    ein paar Gedanken:
    - grundsätzlich ist in der 7. einfach viel los, man braucht schon ein dickes Fell, um das nicht persönlich zu nehmen. Es braucht etwas Zeit, bis die SuS sich an dich gewöhnt und deine Grenzen ausgetestet haben. Geduld, Klarheit und freundliche Konsequenz waren die Dinge, mit denen ich auf Dauer am besten gefahren bin.
    - ich hatte in meinen Klassen und in denen, in denen ich hospitiert habe, den Eindruck, Unruhe entsteht am ehesten dann, wenn die Schüler sich langweilen - weil der Lehrervortrag so lang ist, weil der Lehrer im Gespräch mit einem einzelnen oder einen wenigen Schüler(n) ist, weil sie von der Aufgabe über- oder unterfordert sind (oder weil's ein besonderes Ereignis gab, dazu gleich). Daraufhin habe ich gerade in solchen Klassen versucht, den Unterricht erst mal leichter verdaulich zu machen: Nur sehr kurze Frontalphasen, Reduktion meines Redeanteils, eher Partner- oder Einzel- als Gruppenarbeit, starke Differenzierung und einen Vorrat an Zusatzmaterialien, Knobelaufgaben u. dgl. (Kopiervorlagen gibt's z.B. bei Cornelsen und Klett, fachbezogen oder allgemein), die sich die Schüler dann holen können, wenn sie die allgemeine Aufgabe schon erledigt haben, usw. Das Material sollte weitgehend selbstkorrigierend sein, aber du machst natürlich trotzdem deinen Haken dran, schließlich sind die SuS auch stolz auf das, was sie geschafft haben. Mir fiel auf, das am Anfang sehr schnell "Versteh ich nicht, kann ich nicht" kam, in der Hoffnung, ich würde ihnen die Arbeit abnehmen, was natürlich auch wieder Unruhe schuf. Nicht vorkauen, sondern zurückspiegeln ("Wie könntest du das denn herausbekommen?") - der Stolz auf die eigene Leistung ist nachher umso größer.
    - bei Gruppenarbeiten waren Projekte, die ein sehr greifbares Ergebnis hatten (z.B. eine Ballade aufführen), gut geeignet, um die SuS zu motivieren und zur Konzentration auf die Sache zu bewegen - das Ergebnis sollte etwas sein, das termingerecht fertig sein muss, auf das sie aber auch stolz sein können, was sich also wirklich gut und ansprechend gestalten lässt.
    - Gespräche über Sozialverhalten vorsichtig dosieren - meist wird viel zu oft, viel zu viel drüber geredet, wie "man" sich verhalten "sollte", wobei viele schon auf Durchzug schalten, und in der konkreten Situation klappt's mit der Umsetzung nicht, weil Schüler eben nicht aus dem Kopf, sondern aus dem Bauch heraus reagieren (ich auch). Wenige, aber klare Regeln (ich mag Robischons Vorschlag mit den "Erlaubnissen") sind besser - und die Konsequenzen ebenso klar, reduziert und konsequent. Einzelfälle können in Maßen schon thematisiert werden, wenn's grad ansteht - obwohl ich nach Klassenkeile oder Füllerkaputtmachen ein Rollenspiel mit mögliclhen Handlungsalternativen oder -fortsetzungen auch besser finde als ein Gespräch "über" den Vorfall. Ansonsten nicht reden, sondern handeln.
    - die Stunde nach dem Geräuschlevel planen; grundsätzlich erst anfangen, wenn wirklich Ruhe ist (schweigenden, beziehungsvollen Blick auf die Uhr, die durch Lärm verschwendete Zeit wird als Nachspielzeit angehängt); schon bei der Begrüßung/ dem Einstieg kann man durch Stimmspiele von laut nach leise führen, mit einer Phantasiereise Ruhe schaffen und zum Thema lenken, mit einer Runde Streck- und Dehnübungen die Verspannungen lösen (natürlich finden das die Schüler lustig - Lachen entspannt auch ganz wunderbar). Wochen- und Tageszeit mit einbeziehen (morgens und in der Wochenmitte ist Konzentration leichter als montags, freitags und in der 6. Stunde, in den Phasen also noch bewusster die Verfassung der SuS mit einbeziehen - Phantasiereisen z.B. haben freitags in der 6. Stunde kaum eine Chance) Wenn vorher ein "Ereignis" war, das alle aufgeregt hat (Klassenarbeit, Streit, Chaos im Stundenplan), hilft auch ein Sprint auf der Stelle (oder, wenn bei euch möglich, einmal ums Gebäude) - erst bewegen, dann zur Ruhe kommen. Bei Aktionen, die notwendigerweise mit Unruhe verbunden sind - z.B. Umsetzen zu Gruppentischen - hab ich mit Schweigeminuten gute Erfahrungen gemacht, also niemand sagt in dieser Zeit irgendwas, alle Anweisungen finden gestisch statt. Ähnlich Ruhe schafft das Schreibgespräch, bei dem sich 2-3 Schüler schriftlich auseinandersetzen und erst am Ende ihre Ergebnisse mündlich vorstellen.
    - "Störzentren" durch Auseinandersetzen schnell entschärfen (ich warne einmal vor, danach auf jeden Fall umsetzen, die Diskussion "Wir sind auch jetzt ganz lieb" stiehlt nur kostbare Zeit), auch bei gezielten Provokationen nicht ausdiskutieren, sondern schnell reagieren (z.B eine Weile zur Beruhigung vor die Tür schicken). Vielleicht bin ich irgendwann mal cooler als die Schüler und kann auf jede Provokation eine passende Bemerkung setzen - bis dahin mache ich für die Klasse die Provokation als Provokation sichtbar und breche das Gespräch erst mal ab/ entferne den Störer.
    - Mir ist aufgefallen, das viele Schüler selbst schnell genervt sind, wenn beim Unterricht nichts herumkommt und nur Stress und Chaos ist. Wenn du das unterbindest, bist du nicht gemein, sondern tust der Mehrheit der Klasse einen Gefallen. Wenn sie den Unterricht als interessant, unterhaltsam und ergebnisreich empfinden, "glättet" sich das Sozialverhalten von selbst.


    Viele schlaue Sprüche, ich weiß - frag nach, wenn du noch was genauer wissen willst.


    Hals- und Beinbruch,
    wolkenstein

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

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  • danke für die tipps!
    ich denke, dass mit den geboten und verboten in reduzierter zahl werde ich mal versuchen. den schülern und mir einen klaren handlungsrahmen verschaffen und eine basis, bei störungen angemessen zu reagieren.


    wolkenstein:
    ich glaube nicht, dass die unruhe in einem zu hohen frontalunterrichtsanteil liegt. die schüler arbeiten im unterricht meist in gruppen oder mit einem partner. die form wähle ich meist nach arbeitsbedarf, so dass keiner das handtuch werfen muss in richtung "das schaff ich nicht". für die schnelleren schüler bemühe ich mich derzeit, geeignete zusatzaufgaben anzubieten. ich fange jetzt erst langsam mit einer binnendifferenzierung an, da ich auch erst ein bisschen zeit brauchte, um die möglichkeiten der schüler einzuschätzen.
    ich versuche viel zu visualisieren etc.
    dienstag war übrigens ein balladenabend. die vorbereitungsstunden dafür liefen fast genauso laut ab - allerdings nicht unter meiner regie, sondern unter der des lehrers. ;)
    an bewegungsspielchen habe ich auch schon gedacht. danke für die anregung, es auch mal wirklich in die tat umzusetzen. :)
    hast du einen literaturtipp für fantasiereisen? ich kenne nur welche, die zu kindlich wären - und auch einfach zu lange dauern.

  • hallo schrumpeldei,
    mir ergeht es ganz ähnlich mit einer siebten klasse - nur mit dem unterschied, dass ich die ganz allein "an der backe" habe. ein rezept habe ich auch noch nicht gefunden... aber was ich dir sagen will: um den unterrichtsbesuch musst du dir vermutlich gar keine gedanken machen. bei mir waren sie super! zumindest in der stunde hat mal alles leise und schnell geklappt (sogar gruppenarbeit!!!) und sie haben sich alle ganz toll zusammengerissen (O-ton eines schülers in der folgestunde: "Das haben wir nur für Sie gemacht!"). gut, das hilft dir zwar nicht wirklich für die zukunft, aber nimmt dir vielleicht etwas von dem grauen wegen des unterrichtsbesuchs...
    *daumen drück*


    gruß von heike.

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