Beschimpfungen heftigster Art als "freundschaftliches Spiel"

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    Auch das Schichtenmodell kann man hier nicht unbedingt anführen - das ist doch alles schon so stark durchmischt.


    LG
    Tina


    Richtig, das gängige Modell ist eher das Milieumodell. Und nach diesem kann jemand aus der gleichen Schicht, sich völlig unterschiedlich verhalten und selbst identifizieren.


    @ Mia: Wenn du die ersten zwei Beiträge nochmal durchlesen wirst, würde meine Argumentation etwas schlüssiger. In der Sache sind wir uns einig. Mir ist es nur wichtig, solche gesellschaftliche Prämissen nicht zur Diskussion zu stellen, sondern deren Einhaltung einzufordern.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Hallo,


    damit stimme ich aber auch überein. Lange diskutiert wird bei mir da auch nicht, ich erkläre kurz am Anfang des Schuljahres, warum ich einen bestimmten Ton wünsche und dann wird das gefälligst eingehalten. Wenn nicht, dann Konsequenzen. Das gilt in jeder Situation, in der ich dabei bin, sei es Unterricht, Unterrichtsgang oder Ausflug. In der ersten eigenen Klasse habe ich mich noch darauf eingelassen, eine Liste unterwünschter Wörter zu führen, dann kamen ständig neue, noch blödere von den Schülern. Grundsätzlich wissen die genau, was man will und können es auch.


    Andererseits: Als Klassenleiterin mit 23 Stunden in der eigenen Klasse ist das auch wesentlich leichter durchzusetzen als als Fachlehrer, das muss man auch bedenken.


    LG
    Tina

    Ein Hund denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, sie müssen Götter sein!" Eine Katze denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, ich muss ein Gott sein!"

  • Zitat

    Mir ist es nur wichtig, solche gesellschaftliche Prämissen nicht zur Diskussion zu stellen, sondern deren Einhaltung einzufordern.


    Das ist jetzt fast OT, aber damit hab ich dann wieder ein Problem. Zumindest in Teilbereichen ist es doch gerade das Besondere an der Institution Schule, daß in ihr die gesellschaftlichen Prämissen eben nicht einfach so hingenommen, sondern durchaus thematisiert und ggf. in Frage gestellt werden. (Das Fach Philosophie lebt davon im Grunde - und gilt das nicht auch für den Deutschunterricht?)


    Natürlich heißt das nicht, daß man sich im Stuhlkreis reihum beschimpft. Ganz im Gegenteil, ohne geregeltes Miteinander gibt's auch keinen Unterricht - aber man sollte dabei gleichwohl Bildung/Erziehung und Disziplin/Fürsorge trennen. wolkenstein und meinereiner haben in schönstem Pädagogenkram-Deutsch darüber debattiert - und zwar hier.


    "Bei mir anständig gesprochen - und damit basta!" läßt mich etwas unbefriedigt zurück.

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  • Zitat

    [


    Das ist jetzt fast OT, aber damit hab ich dann wieder ein Problem. Zumindest in Teilbereichen ist es doch gerade das Besondere an der Institution Schule, daß in ihr die gesellschaftlichen Prämissen eben nicht einfach so hingenommen, sondern durchaus thematisiert und ggf. in Frage gestellt werden.


    Dann hole ich auch einmal etwas aus: Eine Diskussion muss für mich in einem möglichst "herrschaftsfreien" Raum und unter möglichst Gleichgestellten mit prinzipieller Ergebnisoffenheit laufen.
    Es gibt viele Sachen, die die Schüler diskutieren können und die annährend ergebnisoffen sind (in Gkde gibt es nur den Rahmen der FDGO), das kann vom Ziel einer Klassenausfahrt (so sind wir in einer Brauerei gelandet :D ) bis zu politischen Diskussionen gehen (habe nach einer Diskussion zum Irakkrieg in einer 11ten Klasse meine Meinung wirklich verändern müssen).
    Es kann aber (in diesem Fall) keine ergebnissoffene Diskussion über gesellschaftliche Prämissen geben. Denn niemand von uns ist im Ernst bereit, die Konsequenzen aus einem unerwünschenten Ergebnis zu ziehen.
    Oder ums mit der politischen Philosophie zu halten: Ändere ich die Prämissen (besser: Axiome) eines Gesellschaftsmodells, wird die Gesellschaft anders aussehen (ich verweise auf die modernen Vertragstheoretiker). Wer von uns ist bereit, eine Gesellschaft zu akzeptieren, in der Freundlichkeit keine Vorassetzung mehr ist?
    Jetzt nochmal zum Pädagogischen: Heranwachsende brauchen ein "umzäuntes Feld" und jemanden, der sie mahnt und notfalls einfängt, wenn sie ausbrechen (ohne sie in ihrer Person in Frage zu stellen). Freilich werden die Umzäunungen begründet; sie stehen aber prinzipiell nicht zur Diskussion. Aufgabe der Jugendlichen ist es, in diesem Feld ihre Freiräume zu finden.
    Wenn gewisse Umzäunungen obsolet erscheinen, muss deren Verschiebung erkämpft werden (siehe 68er Bewegung).
    Eine Friede-Freude-Eierkuchendiskussion im Stuhlkreis mit Erwachsenen, die ehrlich nie zu einer Veränderungen bereit sind, trägt höchstens zu einem gegenseitigen Ekelgefühl bei.
    Natürlich macht jeder einmal einen Fehler, sich auf Diskussionen einzulassen, die nach meiner Definition keine sein können. Aber es gibt ganz bestimmte Lehrer-/Erziehertypen, zu deren wichtigsten "Erziehungsmittel" diese "Methode" gehört und die dann auch noch im Betroffenheitsjargon die Jugendlichen diskreditieren (obwohl ihr eigenes erzieherisches Versagen mitausschlagebend ist). Und diesen Erwachsenen gilt meine professionelle Verachtung - sorry, ich kann es nicht freundlicher formulieren, ohne unehrlich zu werden.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

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  • Hallo,


    ähnlich denke ich mir das auch. Wie kann ich über etwas diskutieren, wenn das Ergebnis der Diskussion von vorne weg fest steht und von mir bereits festgelegt ist? Das ist doch keine Diskussion. Dann könnte ich auch darüber diskutieren, ob man zum Unterricht erscheint oder seine Hausaufgaben macht. Maximal kann ich es etwas ausführlicher begründen, aber ernsthaft diskutieren kann ich das nicht. Wenn einer Mitschüler beleidigt, diskutiert man da doch nicht drüber.


    LG
    Tina

    Ein Hund denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, sie müssen Götter sein!" Eine Katze denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, ich muss ein Gott sein!"

  • Ich habe wenig Neigungen, mich in diese teilweise akademische Diskussion einzumischen, aber eins steht für mich fest:
    Ich bin während der Schulzeit, im Unterricht, in den Pausen Teilnehmer und Teilhaber an der Kommunikation, die zwischen den SuS stattfindet. Ich höre, ich kann nicht nicht hören.
    Es gibt Ausdrücke, die mich verletzen; ich muss gar nicht Adressat dieser Ausdrücke sein. Wenn dem so ist, dann mach' ich meinen Mund auf und misch' mich ein. Nix FriedeFreudeEierkuchen; ich sag' ganz klar, dass mich das stört und ich das in der Schule nicht haben will. Es ist erstaunlich, die SuS reden nach wie vor mit mir und miteinander auch, wenn ich in der Nähe bin. Und sie versuchen, sich dran zu halten.
    Wenn sie sich mit Begriffen belegen, die sie persönlich anders übersetzen als ich, wenn das Ausdruck ihrer "Kommunikationskultur ist", sei's drum, wahrscheinlich kann ich daran nichts ändern, aber in der Schule kann ich dafür sorgen, dass sie sich anders ausdrücken.
    Das ist im Übrigen auch eine Frage, wie die anderen Kolleginnen und Kollegen damit umgehen - da sollte es einen Konsens geben, und wenn der nicht da ist, dann muss er hergestellt werden.
    Wegsehen/Weghören dürfen die Verantwortlichen an der Schule nicht.
    Ich arbeite an einer Hauptschule...

  • Zitat

    Herrschaftsfreie Räume gibt's bei Habermas - in der Schule, da können wir uns die Luft sparen - nicht. Und das gilt ja dann nicht nur für die Schüler... auch für uns.


    Nein Heike, das sehe ich anders. Natürlich bekommen wir keinen herrschaftsfreien Raum, wie ihn Habermas gerne gehabt hätte. Aber etwas Ähnliches:
    In den 70iger Jahren hatten viele konservativ geführte Bundesländer die Befürchtung, die eherer linke (Jung-)Lehrerschaft könne die Schüler "negativ" beeinflussen. Deswegen gab es Ende der 70iger den so genannten "Beutelsbacher Konsens":


    I. Überwältigungsverbot. Es ist nicht erlaubt, den Schüler - mit welchen Mitteln auch immer - im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der "Gewinnung eines selbständigen Urteils" zu hindern . Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der - rundum akzeptierten - Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.


    2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muß auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten. Zu fragen ist, ob der Lehrer nicht sogar eine Korrekturfunktion haben sollte, d. h. ob er nicht solche Standpunkte und Alternativen besonders herausarbeiten muß, die den Schülern (und anderen Teilnehmern politischer Bildungsveranstaltungen von ihrer jeweiligen politischen und sozialen Herkunft her fremd sind.
    Bei der Konstatierung dieses zweiten Grundprinzips wird deutlich, warum der persönliche Standpunkt des Lehrers, seine wissenschaftstheoretische Herkunft und seine politische Meinung verhältnismäßig uninteressant werden. Um ein bereits genanntes Beispiel erneut aufzugreifen: Sein Demokratieverständnis stellt kein Problem dar, denn auch dem entgegenstehende andere Ansichten kommen ja zum Zuge.


    3. Der Schüler muß in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, ,sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen. Eine solche Zielsetzung schließt in sehr starkem Maße die Betonung operationaler Fähigkeiten ein, was aber eine logische Konsequenz aus den beiden vorgenannten Prinzipien ist. Der in diesem Zusammenhang gelegentlich - etwa gegen Herman Giesecke und Rolf Schmiederer - erhobene Vorwurf einer "Rückkehr zur Formalität", um die eigenen Inhalte nicht korrigieren zu müssen, trifft insofern nicht, als es hier nicht um die Suche nach einem Maximal-, sondern nach einem Minimalkonsens geht.
    http://www.lpb.bwue.de/beutels.htm


    Die Frage nach einer "richtigen" Diskussion in der Schule ist keine philosophische, sondern eine didaktische.


    Ich wehre mich als Gemeinschaftskundelehrer deswegen explizit gegen "Diskussionen", die letztlich nur die Meinung des Lehrers antizipieren sollen.


    Versuche mal, im Gemeinschaftskundeunterricht (aber auch sonst) herauszubekommen, welche politisch-moralischen Vorstellungen Schüler haben, wenn sie jahrelang von pseudolibertären (Spät-)68ern bearbeitet wurden. Da wird einiges zerstört und eben das Problem sehe ich bei der "Diskussion" über "richtige" Sprache auch.


    Wir als Vertreter der (Erwachsenen-)Gesellschaft wollen gewisse Verhaltensweisen und begründen sie natürlich. Wenn ich den Schülern das Thema unbedingt näher bringen will, lass ich sie einen Text bearbeiten und die Gründe heraussuchen, aber nicht erlernen, wie man den Lehrerwillen antizipiert.


    Nochmals: Das sind für mich didaktisch-pädagogische Fragen und keine philosophischen!

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

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  • Timm, Deine Ausführungen in allen Ehren, ich habe sie verstanden und finde sie plausibel.
    Sie unterschlagen allerdings einige Aspekte, die ich an dieser Stelle - auch um meine Statements zu unterstreichen - anführen möchte. Es geht mir nicht um Indoktrination; ich verbiete den jungen Menschen ihre Sprache nicht, die sie untereinander pflegen. Aber: ihre Kommunikationskultur ist die ihre, nicht die meine. In dem Moment, in dem sie mich an ihrer teilhaben lassen, gewollt oder ungewollt, kann es passieren, dass ich mich in meiner Würde verletzt fühle, weil ich einfach bestimmte Ausdrücke anders interpretiere als sie (Hurensohn, Wichser, Kanake u.v.m.) Das muss ich nicht aushalten, dazu schweige ich nicht.
    Die Folge ist, dass sie sie in meiner Gegenwart nicht verwenden, sie nehmen Rücksicht auf mich, tolerieren meine Maßstäbe und achten meine Würde.
    Und noch eins: meine SuS wollen gar nicht mit mir altem Kerl über ihre Sprache diskutieren, erwarten (und wollen) auch nicht, dass ich mich damit auseinandersetze und schon gar nicht akademisch. Sie sind sehr empfindlich gegenüber allen Versuchen von Erwachsenen, sich in ihre Gewohnheiten, ihre "Kultur" einzumischen. Darauf nehme ich Rücksicht, und das finden sie gut.

  • @ Heike: Mit oben aufgeführten Zitat am Anfang meines Beitrags bezog ich mich auf dein Statement, es gebe keine herrschaftsfreien Räume und man könne die begriffliche Klärung des Diskutierens ins Philosophische beiseite schieben. Auch hat mich etwas irritiert, dass du die Begründung von gewissen Verhaltensweisen als "Spiel" und "Diskussion" benannt hast.
    Aber wenn wir d'accord sind: wunderbar!


    @ Hannes: Ich habe ziemlich von Beginn an angeführt, dass ich eine nähere Erörtung oder vertiefte Begründung für widersinnig halte. Alles, was du sagst, kann ich also unterschreiben (insbesondere den Aspekt, sich nicht in ihre "Kultur einzumischen") mit einer kleinen Klarstellung: In klar erkennbare, nicht gegenseitig provozierende Privatgespräche außerhalb meines Unterrichts (Pause, Ausfahrten,...) habe ich mich m.E. nicht einzumischen. So viel Freiraum und weghören muss sein. Aber meistens werden sie eh rot, wenn ich zufälligerweise neben ihnen stehe und sie bemerken, dass ich die drastischen Wörter wohl gehört haben muss :D

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Zitat


    @ Hannes: ... Alles, was du sagst, kann ich also unterschreiben (insbesondere den Aspekt, sich nicht in ihre "Kultur einzumischen") mit einer kleinen Klarstellung: In klar erkennbare, nicht gegenseitig provozierende Privatgespräche außerhalb meines Unterrichts (Pause, Ausfahrten,...) habe ich mich m.E. nicht einzumischen. So viel Freiraum und weghören muss sein. Aber meistens werden sie eh rot, wenn ich zufälligerweise neben ihnen stehe und sie bemerken, dass ich die drastischen Wörter wohl gehört haben muss :D


    Seh' ich auch so, ich mische mich ein, wenn sie mir keine andere Chance lassen :D.
    Schöne Grüße von
    Hannes

  • Hallo,


    ich stimme dem zu, daß es, besonders in einem gewissen Alter, normal ist, einen besonders krassen Umgangston an den Tag zu legen. Allerdings hört der Spaß bei Beschimpfungen wie "Sau-Jude" , "Nigger" o.ä. auf! Man sollte vielleit nicht das allgemeine Verwenden von Schimpfworten thematisieren (das hat eh keinen Zweck) sondern eher die "richtige Wahl" der Wörter. Schimpfen, Lästern und was sonst noch dazu gehört will gelernt sein

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