ZitatAlles anzeigenSpargelstecher in der Schule
Das Land hat zum Schuljahresende befristet eingestellte Lehrer in die Arbeitslosigkeit geschickt, um sie nach den Ferien wieder einzustellen. - Lehrerverbände kritisieren: Das ist Sparen zu Lasten der Sozialkassen und Schüler
DÜSSELDORF Alle Jahre das gleiche traurige Bild: Das Land schickt zum Schuljahresende befristet eingestellte Lehrerin in die Arbeitslosigkeit, um sie nach den Sommerferien wieder einzustellen. So stieg von Juni auf Juli die Zahl arbeitsloser Lehrer in NRW um satte 45,6 Prozent auf 7392, wie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit auf Anfrage berichtet. Bald erwartet die Behörde den deutlichen Rückgang. Das Muster - vor den Ferien raus, nach den Ferien rein - kennt sie seit Jahren. So stieg zu Ferienbeginn 2003 die Zahl arbeitsloser Lehrer um 2365, im Herbst 2003 ging sie um 2167 zurück.
„Das Land löst einen Teil seiner Finanzprobleme zu Lasten der Sozialkassen", kritisiert Udo Beckmann, Landeschef des Lehrerverbandes VBE. Denn über die Sommerferien stehen viele befristet eingestellte Pädagogen nicht auf der Lohnrolle des Landes, sondern der Arbeitsagenturen. Diese müssen dafür allein in NRW fünf Millionen Euro zahlen. Damit mache Schulministerin Ute Schäfer den Lehrerberuf noch unattraktiver, so Beckmann. „Das passt auch überhaupt nicht mit der Imagekampagne für den Beruf zusammen, für die das Land Millionen ausgibt."
„Dieses Hire and Fire ist eine pädagogische Zumutung für Schüler", da sie immer wieder den Wechsel von Vertretungslehrern Erlebten, sagt Norbert Müller, Vize-Landeschef der Gewerkschaft GEW. Entsprechend gebe es Elternproteste. „Lehrer werden beschäftigt wie Saisonarbeiter. Da zeigt sich die Spargelstecher-Mentalität im Denken der Landesregierung", so Müller. Besonders kritisiert er, dass manchen Pädagogen der Urlaubsanspruch ganz verweigert wird. Wer etwa nach den Osterferien eingestellt und zum Schuljahresende entlassen wird, habe Anspruch auf anteiligen Jahresurlaub, sprich: bezahlte Sommerferien. Doch längst nicht immer würden die gewährt, so Müller. Bei der Bezirksregierung Düsseldorf hieß es dazu nur: „Das ist eine strittige Frage."
Manche Lehrer, so die GEW, müssen das Rein-Raus-Spiel mehrere. Jahre mitmachen. Das ist durchaus legal, wie Esther Endres, Arbeitsrechtlerin in der Düsseldorfer Kanzlei Hoffmann Liebs Fritsch erläutert. Grundsätzlich dürfen befristete Arbeitsverträge nur drei Mal und auf insgesamt zwei Jahre verlängert werden. Doch bei „Vorliegen eines sachlichen Grundes" sind Verlängerungen beliebig oft und über zwei Jahre hinaus möglich.
Solche sachlichen`Gründe reklamiert die Schulministerin für sich. „Befristete Verträge gibt es nur für Lehrer, die wir zur Vertretung von kranken Lehrern einstellen, nicht aber für Planstellen", betonte ihr Sprecher Ralph Fleischhauer. Und da es in den Sommerferien keinen Unterricht gebe, mache es auch keinen Sinn, Vertretungslehrer über die Ferien zu beschäftigen. Zumal zu Schuljahresende nicht absehbar. sei, welchen Vertretungsbedarf es im neuen Jahr gebe. Den Vorwurf, die Sozialkassen zu belasten, weist er zurück. Die befristete Einstellung arbeitsloser Lehrer entlaste sogar den Arbeitsmarkt.
Das lassen die Lehrerverbände nicht gelten. VBE und GEW fordern die Rückkehr zur Regelung von vor 1994. Damals hatte jede Schule eine feste Lehrerreserve von vier Prozent. Doch diese schmolz das chronisch klamme Land ab. (Quelle: Rheinische Post, 1.9.2004)