Sehr seltsam!

  • So lange wir Lehrer die "faulen Säcke" der Nation sind und viele Schüler die Schule nur als lästige Unterbrechung der Freizeit ansehen, werden wir mit einer hohen Frustrationstoleranz leben müssen.


    Das Anspruchsdenken vieler Eltern, die uns Lehrer "für die Arbeit mit ihren Steuergeldern bezahlen" ist sehr hoch. Ich bin mittlerweile beinahe froh, NICHT an einer Grundschule unterrichten zu müssen, sondern an der Hauptschule zu arbeiten. Dann bleibt mir wenigstens das Geschiebe ums Grundschulabitur erspart.


    Und zur sozialen Situation an unserer Schule:
    Das Einzugsgebiet unserer Schule umfasst ein nobles Neubauviertel und ein eher heruntergekommenes Gebiet, das man beinahe als Ausländerghetto bezeichnen kann. Was denkt ihr wohl, aus welchem Gebiet die Kinder mit den massivsten Verhaltensauffälligkeiten kommen?


    Das Elend sitzt im Neubauviertel. Scheidungen, Neid, Geldprobleme, ständig beschäftigt Cash zu machen, keine Zeit für Kinder (die bekommen elektronische Babysitter und - wenn das nicht hilft - bzw. dadurch ausgelöst: Ritalin)...... aber die Eltern haben Ansprüche hoch drei.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    • Offizieller Beitrag

    @Strucki: An der Front Hohlmeier noch nix, da wird der Ruf nach ihrem Rücktritt zwar immer lauter, aber das Verfahren gegen sie ist eingestellt worden, es gibt nur den Vorwurf, sie habe im Kultusministerium auch Angestellte der Münchner CSU arbeiten lassen. Und wie gesagt, ich fürchte, selbst wenn der Rücktritt kommt, danach wird es nicht besser (wie denn auch?)


    An meiner Arbeitsfront sieht es in den nächsten Jahren leider auch eher mau aus- bei meinem Notenschnitt von 3,25 :(
    kann ich wohl auf eine feste Stelle warten, bis ich schwarz bin (obwohl die Vetternwirtschaft bei mir auch positive Auswirkungen hat- wohl durch gute Leistung in den bisherigen Verträgen bin ich in der Warteliste noch um zwei Plätzchen nach oben gerutscht...)
    Trotzdem bin ich über meinen Jahresvertrag jetzt erstmal froh und nachdem ich gleich nach meinem Examen einen Halbjahresvertrag bekommen habe, weiß ich, wie sehr das einen belastet, wenn man die Ferien nicht bezahlt kriegt.
    Und (mögen mir das alle Beamten hier nicht allzu übel nehmen...) ich finde es auch fürchterlich, dass man als Angestellter für die gleiche Arbeit deutlich weniger Geld bekommt- nur im Moment darf man bei uns froh sein, dass man überhaupt Arbeit hat...
    In auf diesem Sektor unendlich frustrierte Hermine

  • @ Hermine,


    ich weiß ja nicht, wie sehr Du an dein Bundesland gebunden bist, aber hast Du mal daran gedacht zu wechseln?


    In anderen Bundesländern werden Lehrer für Sprachen an Gym gesucht.


    @ alias


    Bitte urteile nicht vorschnell über Eltern, die ihren Kindern Ritalin geben. Es sind nämlich hauptsächlich Eltern, die nicht nur an sich selbst denken, keine Zeit haben und sich nicht um die Kids kümmern.


    Würden sich z.B. andere Eltern nur halb so viel Zeit mit ihrem Kind und für ihr Kind verbringen (Gespräche, Spielen, Kuscheln, Termin ....) und dem Kind auch viele Anregungen geben in vielerei Hinsicht, ginge es einigen Kindern besser.


    Bei uns geht nur einer arbeiten (Männe ist Schmerzpatient), es ist also immer jemand da, Haus wäre zu teuer.


    Ich selbst bin schwerbehindert, gehe 40h in der Woche arbeiten als Beamtin geh.Dienst in der Verwaltung.


    Uns ist nichts wichtiger als die Familie und das Wohlbefinden des Kindes.


    Erziehung und Bildung erachten wir als wichtig, strenge Erziehung auf die wichtigen Werte:
    Pünktlichkeit, Disziplin, Leistungsbereitschaft


    Dies aber alles mit Vorbild.


    Ich finde es aber wie Du sehr schlimm, dass ein eigenes Haus, das tolle Auto und der Urlaub über dem Wohl des Kindes steht und deshalb keine Zeit für die Kinder ist.


    Doris

  • Zitat

    Bitte urteile nicht vorschnell über Eltern, die ihren Kindern Ritalin geben. Es sind nämlich hauptsächlich Eltern, die nicht nur an sich selbst denken, keine Zeit haben und sich nicht um die Kids kümmern.


    Ich urteile nicht vorschnell, sondern sehr fundiert.
    Ritalin ist in den meisten Fällen ein Verbrechen am Kind.
    Es gibt nur sehr wenige Fälle, in denen eine hirnorganische Fehlfunktion im Dopamin-Stoffwechsel als Auslöser für Verhaltensauffälligkeiten vorliegt und eine Ritalingabe geboten ist. Die meisten Zappelphillippe haben (nach meiner Erfahrung) ein psychsoziales und kein hirnorganisches Problem. Viele sind überreizt, haben Ernährungsprobleme oder tragen eine Riesenkiste Familienstress mit sich herum.


    Diesen Kindern zu sagen: "Mit dir stimmt was nicht, komm, schluck 'ne Pille, dann ist alles gut" darf doch wohl nicht wahr sein. Was lernen die Kinder daraus?
    1.) Mit mir stimmt was nicht - ich bin an allen Problemen schuld
    2.) Wenn ich eine Tablette (Droge) schlucke, ist alles gut
    3.) Wenn ich eine Tablette schlucke, geht es mir gut


    Sollen die Kids das wirklich lernen?


    In den meisten Fällen wird Ritalin von einem Feld-Wald-und Wiesenarzt verschrieben (der das leider darf), ohne eine fundierte hirnorganische und psychotherapheutische Diagnose erstellt zu haben. Die Umsätze von Novartis und Konsorten explodieren. Es gibt Kinderarztpraxen, die sich über die Verschreibung von Ritalin finanzieren.


    Erschreckend ist, dass der Umsatz an Ritalin in Deutschland in den letzten 5 Jahren um das 40-fache auf mittlerweile 31 Millionen Tabletten angestiegen ist. Ritalin liegt auf Platz 6 der meistverkauften Psychopharmaka (Spiegel 11/2002)


    Übrigens: In Schweden ist Ritalin seit 1968 wegen des hohen Suchtrisikos verboten.
    Die Langzeitwirkungen auf die Gehirnentwicklung sind - allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz ("am bestem untersuchtes Psychopharmakum - seit 80 Jahren am Markt") - nicht erforscht. Langzeitgaben an Kinder erfolgen erst seit ein paar Jahren. Hier findet ein riesiger Feldversuch statt. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse sind er- und abschreckend.


    http://www.das-gesundheitsportal.com/sites/ritalin.html

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    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    In den meisten Fällen wird Ritalin von einem Feld-Wald-und Wiesenarzt verschrieben (der das leider darf), ohne eine fundierte hirnorganische und psychotherapheutische Diagnose erstellt zu haben. Die Umsätze von Novartis und Konsorten explodieren. Es gibt Kinderarztpraxen, die sich über die Verschreibung von Ritalin finanzieren.


    Waaaas? Das darf ja wohl nicht wahr sein! Ich dachte immer, Ritalin wäre eine Droge, die nur in den schlimmsten Fällen verschrieben wird!
    Was mir aber auch schon aufgefallen ist, ist leider die Verantwortung, die von vielen Eltern abgelehnt wird- damit meine ich jetzt ganz bestimmt nicht die Eltern, die hier im Forum mitdiskutieren, aber mir kommt es auch immer mehr vor, als ob bei vielen Kindern deutlich zu schnell Hyperaktivität oder ADS diagnostiziert wird und bei manchen würde es schon sehr helfen, wenn die Eltern sich mehr kümmern würden. Ähnlich seh ich es auch mit Legasthenie- warum gibt es auf einmal so viele Legastheniker-Kinder und warum gibt es noch mehr Kinder, die es maßlos ausnutzen, wenn die Legasthenie bei ihnen festgestellt wird? (Schlechteres Schriftbild, weniger Beteiligung am Unterricht, mehr Fehler als vor der Diagnose...) Da würde ein wenig bei Aufmerksamkeit von seiten der Eltern schon nicht schaden.
    Doris: Ich dachte, es sähe in allen Bundesländern gleich schlimm aus? Abgesehen davon würde es mir sehr, sehr schwerfallen, aus Bayern wegzugehen, mein Freund hat hier eine recht gute Arbeit, meine gesamte Familie und alle meine Freunde sind hier.... und sogar die bayrische Landschaft ist mir ans Herz gewachsen.
    Lg, Hermine

  • Hallo ,


    ich kann nur von unseren Ärzten (wir haben nicht nur einen) sprechen.


    Den Fehler, den viele machen ist den Zappelphillipp mit ADS zu verwechseln.


    Ginge es nur nach der Umtriebigkeit meiner Tochter, wäre mir das wurscht, aber was tun mit einem Kind, das will, aber in Folge massiver Konzentrationsprobleme nur mit Hilfe von einem Medikament seine Leistung bringen kann.


    Wir hatten z.B. sehr umfangreiche Untersuchungen, habe alles ich angestoßen, um wirklich nichts zu vernachlässigen.


    Leider Gottes habe ich eine vererbbare Erkrankung (meine Tochter leider auch), die mit sich bringt, dass gerade ADS-Folgen auch auftreten. Diese Krankheit ist sehr offensichtlich und deshalb nachweisbar.(wer es genau wissen will: Neurofibromatose)


    Nur zeigen mir eure Vorurteile, dass ich in Zukunft gegenüber Lehrern nicht mehr ehrlich sein darf, da zum Teil ein Halbwissen besteht, das nicht vorurteilsfrei ist.


    Denn wie kann ich von einem Lehrer Hilfe erwarten, der uns in ein solches Schema steckt? Ich erwarte ja nicht, dass die Lehrer Kinder erziehen (geht nicht bei 25 Kindern), aber ich hoffe, dass ein Lehrer erkennt, wenn ein Kind Hilfe braucht.


    Ich kenne auch Fälle, da trifft das zu, dass unnötig verschrieben wird. Da wäre eine konsequentere Erziehung, mehr Ruhe, usw... bestimmt sehr wichtig.


    Kinder brauchen Rituale, gute Erziehung, Vorbilder und viel Zeit. Kinder brauchen Regelmäßigkeit (z.B. feste Bettzeiten, Mahlzeiten ect..)


    Wenn ihr wüsstet, wie viele Eltern schon seit frühester Kindheit in Beratungsstellen und FFZ waren, dort in Betreuung, dann würdet ihr die Probleme dieser Menschen wirklich verstehen. Ich habe früh Entwicklungsverzögerungen bemerkt und dann auch gehandelt. Hätte ich auf den alten Kinderarzt vertraut, wäre es ein Fiasko geworden, der sah nämlich keine Auffälligkeiten. Im FFZ haben sie mir zugestimmt.


    Die genauen Ursachen von ADS kennt man nicht unbedingt vollkommen, rein auf eine Ursache würde ich es eh nie beschränken, denn wenn eine Vorbelastung besteht, kommen weitere Probleme.


    Eines ist aber klar: Nur Pillen sind nicht ok, damit ist niemanden gedient. Mein Kind hatte Zeiten, da lag fast jeden Tag ein Therapietermin wegen diverser Probleme (VT,Ergo, Logopädie, KG).


    Trotzdem ist dieses Kind eine gute 2-er Schülerin.


    Eine Lösung finden wir hier sicher nicht, aber ich bitte um Vorsicht bei der Einstufung, ob die Kinder ADS haben.


    Zappeligkeit heißt nicht ADS, viele Kinder reagieren wirklich auf Lebensmittel, liegt nur das vor, dann ist es kein ADS.


    Allerdings gibt es Konsorten, die reagieren noch zusätzlich zum ADS auf Lebensmittel, ect....


    Dann hilft vermeiden. Zuviel Süsses, Fast Food ist eh nicht gut.


    Da liegen wir auf einer Linie: Gesunde abwechslungsreiche Ernährung, in der Regel selbst zubereitet.


    Ich kann verstehen, wenn man der sanften Medizin vertraut, das tun wir auch in vielen Fällen, allerdings haben die sanften Mittel auch nach langer Zeit nicht geholfen.


    Die Kritik an der Überreizung kann ich verstehen, TV gibt es nicht viel bei uns, Töchterlein hat andere Hobby, sie malt lieber, versorgt ihre Tiere, liest (auch Wissensbücher).


    Ich kenne Familien, da läuft die Kiste immer, da wird nicht mal ausgemacht, wenn Besuch kommt (wäre bei uns nicht drin, Besuch hat Vorrang). TV im Kinderzimmer wird es bei mir nicht geben.


    Ein Gameboy, irgentwelche Konsolen haben noch nie den Weg in unsere Wohnung gefunden.


    Computer darf nur auf Anfrage benutzt werden.


    Allerdings ist der Garten schöner für uns.



    Wenn Du also mal genau überlegst, wie viele Schüler wirklich verhaltensauffällig sind (Definitionsfrage) und dann überprüfst, wie viele davon wirklich Ritalin bekommen, sind es wenige. Oft entsteht nämlich der Eindruck, dass sehr viele Kinder dies erhalten. Pro Klasse sind es ca. 1-2 Schüler. Aber leider sind in vielen Schulen pro Klasse mindestens 5 Kinder verhaltensauffällig. Wenn man Pech hat mehr.


    Vielleicht wird man als Lehrer misstrauisch, weil viele Eltern sich nicht engagieren, aber nicht alle Eltern machen es sich einfach.


    Also: Geht ohne Vorurteile auf die Kinder zu, die Ritalin nehmen, wenn ihr merkt, dass die Eltern sich um viel kümmern (merkt man in der Regel an vielen Dingen: Material, Hausaufgaben ect...).


    Ich habe übrigens den "Dr. Ritalin" (so wird er wirklich genannt) in unserer Stadt gemieden. So ein Ruf hat mich abgeschreckt. Er ist zwar Facharzt (Kinderpsychiater), verschreibt leider schneller als unsere Ärztinnen.


    Es gibt also auch verantwortungsvolle Eltern, mehr als ihr denkt.


    Ich habe übrigens mal ausgerechnet, wie viele Kinder ungefähr Ritalin erhalten müssten bei 31.000.000 Tabletten.


    Wenn man von einer durchschnittlichen Dosis von 3 Tabletten am Tag ausgeht, kommen da bei 365 Tagen so um die 29.000 Kinder zusammten. Ist zwar auch sehr viel, aber nicht so viel, wie man glaubt.


    Ich bin auch kein Freund davon, aber so lange man nicht auf den Einzelnen eingehen kann, ihn schützen kann, ihm helfen kann, bleibt uns nichts anderes übrig.


    Oder kennt ihr eine Schule, in der kleine und schwache Mädchen nicht absichtlich gehänselt, gepiesackt und geschlagen werden, weil sie sich etwas anders verhalten und wegen der Größe ein ideales Opfer sind?


    Daran sollte man etwas ändern.


    Doris

  • Das ist nun zwar weit vom ursprünglichen Thema weg, aber in diesem Punkt kann ich Doris zustimmen.
    Mir sind gleichfalls Kinder und ihre Familien persönlich bekannt, die Ritalin erhalten, weil sie es wirklich, wirklich brauchen, sonst nicht in der Lage sind, den Schulstoff zu ver-arbeiten. Darunter nicht nur der hyperaktive ADS-Typ sondern auch hypoaktive Kinder. In allen Fällen sehr geregelte Verhältnisse in bemühten Elternhäusern.
    Diagnosestellung in allen Fällen durch kompetente Fachleute (nach z.T. Odysseen durch die versch. Fachrichtungen!)


    Für einen Teil der Kinder hätte KEIN RITALIN bedeutet: Schule für Lernhilfe (und zwar ohne das ihre Grundintelligenz beeinträchtigt wäre, sie aber in einer 25` er-Klasse den Schulstoff nicht erfassen KÖNNEN. Mit Ritalin liegen sie im Mittelfeld!)


    LG Cecilia

  • Zitat

    Das ist nun zwar weit vom ursprünglichen Thema weg


    Der Titel lautet: "Sehr seltsam" .... ist doch passend. :O




    Zitat

    Ich bin auch kein Freund davon, aber so lange man nicht auf den Einzelnen eingehen kann, ihn schützen kann, ihm helfen kann, bleibt uns nichts anderes übrig.


    Oder kennt ihr eine Schule, in der kleine und schwache Mädchen nicht absichtlich gehänselt, gepiesackt und geschlagen werden, weil sie sich etwas anders verhalten und wegen der Größe ein ideales Opfer sind?


    Daran sollte man etwas ändern.


    Was hilft da Ritalin?


    Was mich erschreckt ist, dass Ritalin immer mehr zum Allheilmittel für verhaltensauffällige Kinder wird. Und ich denke, dass ich von dieser Thematik mehr verstehe als manche andere. Ich habe 10 Jahre an einer Schule für "Verhaltensgestörte" gearbeitet. Dabei erhält man einen tiefen Einblick in die Familienstruktur dieser Kinder. Bei den sogenannten Hilfeplangesprächen sitzen Psychologen, Eltern, Jugendamt und Kind an einem runden Tisch, auf den dann die Probleme gepackt werden. Ich kann verstehen, weshalb manche "aufgemuckt" haben, verhaltensauffällig wurden.


    Ritalin wäre bei den meisten eine falsche Schuldzuweisung gewesen. Ich habe keine verhaltensauffälligen Kinder unterrichtet, sondern Kinder verhaltensauffälliger Eltern und - leider auch - Lehrer. Und die waren - zumindest mit dem Mundwerk - immer sehr bemüht. Was waren das nicht für gesittete Elternhäuser! Sobald man den Lack etwas abgekratzt hatte, traten darunter Suff, sexueller Missbrauch, Gewaltexzesse, Verwahrlosung und andere Abgründe - und insbesondere: Wohlstandsverwahrlosung - hervor.


    Wenn ich heute mit einem verhaltensauffälligen Kind konfrontiert werde, stimmt folgende Diagnose zu 80%:
    Alleinerziehend oder Trennung bevorstehend.
    Was soll hier Ritalin bewirken? Ruhigstellung?


    Dass die Kinder mit der rosaroten Ritalinbrille besser funktionieren, steht außer Frage.
    Nur: Hilft man ihnen damit?


    Ritalin ist eine einfache und billige Lösung. Kurzfristig betrachtet.
    Die Spätfolgen müssen andere bezahlen.


    Eltern, die ihren Kindern morgens Alkohol einflößen, damit diese besser über den Tag kommen, würde man sofort die Erziehungsberechtigung entziehen.

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    Heinrich Böll

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  • Hallo,


    meine Tochter wäre ohne Ritalin nicht in der Lage, irgentwelche Aufgaben zu erledigen. Obwohl sie sehr intelligent ist (bzw normal so ca. 120).


    Da hilft Ritalin, sich zu konzentrieren.


    Soll ich das also sein lassen, mein Kind auf die Sonderschule schicken? nein, ich habe hier eine Verantwortung für die Zukunft.


    Zu ADS gehört auch die Impulsivitaet, sich alles zu Herzen zu nehmen. Somit entstehen dann Situationen, die andere anregen, immer in die gleiche Kerbe zu hauen.


    Ein höchst impulsiver Mensch braucht dann Hilfe, nicht zu reagieren, denn mittlerweile sind die Opfer von Mobbing leider gleich Täter, wenn sie sich wehren.


    Ritalin soll da helfen, sich selbst zu helfen, allerdings geht dies nur mit guter begleitender Therapie.


    Man darf auch wirklich nicht annehmen, dass jedes verhaltensauffällige Kind Ritalin erhält, das wäre ein Horror.


    Ich bin, auf grund der Betroffenheit sehr in der Materie und habe auch schon ehrenamtlich mit vielen Eltern gesprochen. Ich empfehle immer, zuerst eine Beratungsstelle aufzusuchen, den Schulpsy.dienst ect...


    Außerdem lege ich immer dar, welche Arbeit ein wirkliches ADS-Kind macht, da diese Kinder wirklich manche Dinge anders lernen, auffassen, länger brauchen usw...


    Wer die Hilfe für sein Kind ernst nimmt, hat enorm Arbeit damit. Was bei anderen Kindern automatisch läuft (z.B. vor der Schule), muss hier mittels Listen, ständigen ermahnen usw... eingeschliffen werden.


    Eines kam vielleicht falsch rüber:


    Manche Auffälligkeiten bei ADS-Kindern (die ohne Zweifel auffallen können), kämen nicht ans Licht, würden z.B. in den Schulen darauf geachtet, dass Schwächen nicht ausgenutzt werden. So könnte so manche Dosis herab gesetzt werden.


    Allerdings darf ADS nicht als Ausrede dienen für Faulheit, vergessene Materialien, nicht gemachte Hausaufgaben.


    Man muss aber genau hinsehen, warum manchmal ein ADS-Kind auffällt. Daran fehlt es in Schulen.


    Das ist aber alles so kompliziert, dass es schriftlich schwer darzustellen ist.


    Auf jeden Fall bin ich z.B. keine Rabenmutter, die ihr Kind ruhig stellt, deren Ehe in Gefahr ist ect... Wohlstandverwahrlosung gibt es auch nicht.


    Uns hat sogar die Schulpsy eine sehr strenge Erziehung attestiert, gerade weil wir Angst haben, dass etwas passiert.


    Eines müssen wir aber, egal warum Kinder auffällig sind, vermeiden: die Verrohung in den Schulen muss gestoppt werden.


    Lehrer möchte ich, nachdem ich viel mit Lehrern zu tun hatte, nicht sein, denn für mich ist es unverständlich, weshalb man sich nicht intensiv um schulische Belange kümmert.


    Doris

  • Kein einziges der ADS-Kinder, die ich eine zeitlang auf ihrem Lebensweg begleitete, fällt in die von dir geschilderte Katagorie, Alias. Ich bestreite dabei ganz und gar nicht, dass es diese Fälle, die du schilderst, sehr wohl gibt.
    Aber es ist unbestritten, dass es ADS-Kinder aus ganz normalen Familien gibt, deren Problem wirklich ADS heißt und die mit Ritalin ihre Konzentrations- und Steuerungsfähigkeit so weit erlangen, dass sie in der Regelschule mithalten können- ohne aber z. B. regelrecht "wegträumen" und nicht in der Lage sind, dem Unterricht zu folgen. Das hat sicher nichts mit "ruhigstellen" zu tun. "Eigentlich" ist Ritalin ein Aufputschmittel - und es hilft (in der richtigen Dosierung, an die sich Eltern und Therapeuten oft mühsam herantasten müssen) wirklich nur denjenigen, die es wirklich brauchen.


    LG Cecilia

  • Doris, ich glaube nicht, dass dir hier jemand unterstellen will, dass du leichtfertig Ritalin an deine Tochter geben lässt oder das contraindiziert wäre.
    Meine Beobachtungen decken sich aber auch eher mit alias. Ich frage mich, wie es sei kann, dass ein Kollege, der für den sonderpädagogischen Bereich an unserer Berufsschule zuständig ist, für 50% einer gemeinsamen Klasse ADHS diagnostiziert. Also da muss ich ja - so schlimm es ist - nur sagen: Gott sei Dank haben diese Schüler Eltern, die sich wenig um ihre Kinder kümmern, sonst hätte wohl ein Großteil von denen Ritalin geschluckt.
    Dass Kinder heute aufgedreht (aus dem Wochenende) in die Schule kommen, weil sie immer mehr vor den modernen Medien Sekundär- statt Primärerfahrungen machen, ist ein Fakt. Wie reagieren nun viele Kollegen:
    1. Laisser faire. Immer mehr häufen sich bei mir die Erzählungen aus Grundschulen, dass die Kinder eine Ecke o.ä. haben, in die sie sich nach freier Einteilung mitten in Arbeitsphasen zurückziehen können.
    2. Starrer Frontalunterricht mit drakonischen Strafen und verzweifelten Kollegen (Motto: "Die missratene Generation krieg ich auch noch in den Griff")
    Nun haben wir doch nicht umsonst eine Ausbildung genossen: Wie wärs denn mal mit strukturiertem Unterricht und Methodenwechsel: Phasen, in denen die Schüler gezwungen sind, still und konzentriert zu arbeiten/zuzuhören und dann mehr schülerzentrierte Phasen (in Gruppen).
    In den guten Stunden meinerseits hat's bei obiger Klasse funktioniert und - oh Schreck - mir sind im vorletzten Schuljahr sogar zwei ADHS-Fälle entgegangen, die ich lediglich für etwas "umtriebigere" Schüler hielt.


    Ich habe - vor allem aus meiner früheren Arbeit an Nachhilfeinstituten - durchaus ADHS-Kinder kennen gelernt, bei denen man mit pädagogisch-erzieherischen Mitteln nicht weiterkam und die medizinische Behandlung vollkommen angesagt war. Aber ich wehre mich vehement dagegen eine ganze Schülergeneration zu degenerierten Neurotikern oder Psychopathen zu machen (das bezieht sich jetzt auf Meinungen, wie die des oben genannten Kollegen).


    Eine durchaus nicht rhetorische Frage: Wieviele ADHS-Fälle sind euch aus eurer Generation bekannt?

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Zitat

    es ist unbestritten, dass es ADS-Kinder aus ganz normalen Familien gibt, deren Problem wirklich ADS heißt


    Hatte ich das abgestritten? Meine Diagnose liegt ja bei 80% und nicht bei 100%.
    So lange ADS sauber attestiert wird, mag Ritalin eine vorübergehende Maßnahme sein, die ein Kind zur Ruhe bringt. Aber auch hier darf es nicht zu lebenslanger Drogengabe kommen. Durch die ERrreichbarkeit des Kindes müssen dann flankierende Maßnahmen kommen.
    Hast du den Link angesehen, Doris?
    http://www.das-gesundheitsportal.com/sites/ritalin.html
    Dort findest du auch eine Literaturliste. Vielleicht ist was brauchbares für dich dabei:
    http://www.das-gesundheitsportal.com/sites/ritalinbuch.html


    Was mir auffällt - und was ich anprangere - ist der zunehmend leichtfertige Umgang mit der Droge und das schnelle Verschreiben bei jeder Verhaltensauffälligkeit:


    "Hey, zum Glück gibt's ja die Pille, damit das Kind wieder im Gleis läuft! Da bin ich ja als Erwachsener fein raus und kann so weiter machen wie bisher. Schuld ist ja das kranke Hirn des Kindes....." X(


    Wie sagt der Schwabe: Do goht mir's Messer im Sack auf.....

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    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Derzeit begleite ich zwei Kinder, -nicht verhaltensauffällig- , sehr liebe engagierte, bemühte Eltern-, deren Konzentrationsfähigkeit weit unterdurchschnittlich ist -insbesondere in einer vollen Klasse, in der es ganz andere Kaliber gibt (wirkliche Störer). Bei beiden Kindern liegt m.E. schweres ADS bei Hypoaktivität vor.


    Beide Eltern können das durchaus bejahen, beide Eltern lehnen es dennoch ab, nach Abwägen von Für und Wider, ihren Kindern Ritalin zu verabreichen...- obgleich ihnen bewusst ist, dass ihre Kinder (demnächst Klasse 5) schwer zu kämpfen haben werden...


    Es ist für mich auch klar, Timm und Alias, dass für die Klientel in den Klassen, die ihr beschreibt, sicher nicht die D.: ADS - die zutreffendste ist, sondern eher allgemeine Verwahrlosungstendenzen, Auflösung der Familien, frühester ungebremster Medienkonsum... alles verstärkt und hoch drei in bestimmten Gesellschaftsschichten...
    Für viele ist es wohl einfacher, es als ADS (nach außen gleiche Symptomatik) zu bezeichnen, weil dann die Therapie so einfach scheint. Würde man an die wirklichen Ursachen gerade bei dieser Klientel gehen, müsste von allen Seiten (Eltern, Umfeld, Schule, soz. Einrichtungen) erheblich mehr geleistet werdeb - ja, und das kostet auch Geld. (Wovon meist zu wenig da ist!)
    Es würde bedeuten, dass man Kinder u.U. viel früher aus desolaten Familien herausholt, nicht mit der D.: ADS - sondern wg. erziehungsunfähiger Eltern!
    Es würde bedeuten, dass man den Schulen mehr zusätzliches Personal gibt - auch Erzieher, Soz.Päds., Psychologen... vielleicht auch Menschen, die kompetent sind, Kinder anzuleiten und Lust dazu haben.
    Es hieße, dass wir unser Bildungssystem (als Zukunftssystem) GRUNDSÄTZLICH überdenken und daraus zu einer wirklichen Reform gelangen.


    LG Cecilia

  • Ich stimme Cecilia im Groben zu. Allerdings darf der Ruf nach der Verbesserung der externen Bedingungen nicht davon ablenken, dass jeder einzelne Lehrer auch im eigenen Unterricht selber etwas tun kann. Leistungs- und schülerdifferenzierte Methoden- und Sozialformen lassen sich immer wieder (!) mit vertretbaren Mehraufwand etablieren. Allerdings - und jetzt stimme ich cecilia voll zu - müssten wir Kollegen bei entsprechend konsequenter (!) Umsetzung deputatsmäßig entlastet werden.

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    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Hallo Alias,


    mich macht es auch sauer, wenn ein Kind nur mit Tabletten therapiert wird.


    Leider sind aber Therapeuten für Kinder sehr rar gesät und haben lange Wartelisten. Ebenso erschreckend ist es, dass Ärzte oft nur auf Anfrage begleitende Therapien bejahen, denn das geht auf das Budget.


    Leider sind nicht alle Eltern willens und in der Lage, sich über das Internet zu informieren.


    Lehrer können keine Therapeuten sein, das haben sie nicht gelernt. Das ist auch nicht ihr Beruf.


    Aber sie können genau hinschauen, wer denn wirklich der Übeltäter ist.


    Im Übrigen:


    Ich kenne einiger der alternativen Bücher zum Thema ADS, viele der Dinge kann man auch im Alltag einbauen und das machen wir auch, aber vieles baut auch auf eine Umwelt, die versteht, was das Kind braucht, nur können z.B. Lehrer einfach nicht warten (sie haben mehr als ein Kind in der Klasse), bis das Kind funktioniert.


    Es ist auch nicht richtig, dass Ritalin ruhigstellt, bei meinem Kind wird die Konzentrationsfähigkeit erhöht, um besser bei der Sache zu bleiben und sich besser im Griff zu behalten.


    Als Beweis für das "ruhige Kind" biete ich Dir an, sie eine Woche mal zu erleben, mit Medikament. Leute, die das nicht wissen und es später erfahren, können das nicht glauben, denn sie hätten gedacht, dass ein solches Kind nur brav rumhängt.


    Nein, es wird etwas unternommen, gebastelt, die Tiere werden gepflegt, das Beet im Garten ect... Im Schwimmbad ist sie wagemutig und kaum aus dem Becken zu kriegen.
    Langeweile ist ein Graus für sie, am liebsten hätte sie so eine Art Schule in den Ferien, damit sie etwas zu tun hat.


    Ich gebe ihr, wenn sie möchte ein Arbeitsprogramm oder sie geht zu einer der Oma´s, wo sie andere Erfahrungen machen kann.


    Wenn ich für die Konzentration eine bessere Lösung wüsste, würde ich es machen. Der Rest ist, bis auf die Probleme mit Gleichaltrigen ok. (Sie hat den Blick verloren, wer ihr nett gewogen ist, weil sie leider negative Erfahrungen sich zu sehr zu Herzen nimmt. Aber eine Welt mit nur guten Erfahrungen gibt es nicht). Deshalb geht sie zur Kinderpsychiaterin in Therapie. Hoffentlich bringt die Dame etwas. Leider hat der Kinderpsychologe, der sie 40 h therapiert hat, nicht viel erreicht, da er auf ihrer Vermeidungsstrategien einging. Elternarbeit zu Hause hat er abgelehnt, da ist die Neue besser, sie verlangt das.


    Sie war aber schon immer im Verhalten hinter den Gleichaltrigen zurück. Obwohl sie im Kiga war, in der GS ect... Es wird etwas besser, seit dem sie bei den Pfadis ist, im Sportverein. Gut Ding will Weile haben.


    Aber wegen der Konzentrationsproblematik konnte mir noch niemand helfen.


    Nur eines ist sicher: Lebenslang sollte das nicht sein, aber ich hoffe, dass es während der Pupertät so ist, dass sie es allein packt.


    Wo kann ich aber Hilfe finden wegen der miserablen Handschrift (verkrampft, furchtbares Schriftbild)? Lässt sie sich Zeit oder ordne ich die Neuanfertigung an, klappt dies besser. Das Schriftbild geht einher mit der seelischen Verfassung. Mehr als Üben fällt mir nicht ein. Ergo hatte sie, das Basteln und Töpfern hat ihr gefallen, das kann sie , nur die Schrift... ein Graus.


    Den Lehrern waren die attestierten graphomotorischen Störungen (ZI in Mannheim) egal, Heftnoten sind (kann ich verstehen) nicht optimal. Ob da eine Lehrkraft dies dann anders bewerten muss, weiß ich nicht. Allerdings kann ich z.B. ein unordentlich geschriebenes Heft nicht akzeptieren.(Kein Wunder, dass die Noten gut sind, vieles wurde doppelt geschrieben)


    Für solche Probs suche ich noch Anlaufstellen oder Hilfe, damit ich wenigstens Hilfestellung geben kann.


    Hat jemand Tipps?


    Doris

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