Extrem verhaltensauffälliger Schüler

  • Hallo,


    meine Kollegen und ich haben zurzeit Probleme mit einem extrem aggressiven Zehntklässler (IGS). Der Junge hat durch eigenes Verschulden (und trotz langen Zuredens und Helfenwollens seitens der Schule) keine Lehrstelle und auch sonst kaum Chancen, nach dem Schulabschluss dieses Jahr irgendwo unterzukommen.


    Der Junge legt in den letzten Wochen ein immer schlimmeres Verhalten an den Tag. Er lässt sich ganz besonders an mir, der Referendarin, aus, ist aber gegenüber seiner Tutorin und anderer Lehrer auch frech, dreist und aggressiv.


    Was uns Sorgen bereitet (von meiner Lehrprobe mit diesen netten Knaben mal ganz abgesehen) ist Folgendes: Der Kerl hat keinen Respekt mehr, vor niemandem. Weder seine Tutorin noch sein Direktor können ihm irgendetwas sagen. Strafmaßnahmen unterlassen wir (bzw. ich) zurzeit lieber aus Angst vor einer Eskalation.


    Heute habe ich ihn der Klasse verwiesen (was auch geklappt hat), aber weitergehende Maßnahmen scheinen unserem Kollegium fast schon zu heikel. Der Grund für den Rausschmiss heute: Er ist plötzlich aufgesprungen, hat seinen Nachbarn beschuldigt, seinen Stift zu haben und hat seinen Nachbarn (der eigentlich sein Freund ist) am Hals gepackt, ihn im Würgegriff gehalten und ihn dann rückwärts vom Stuhl gezogen! 8o


    Meine Kollegin (die wahrlich kein ängstlicher Typ ist) und ich haben beide fast schon Befürchtungen, dass er eines Tages mit einer Waffe zur Schule kommen könnte. Gestern und heute hat er ohne rechten Grund den 11. September erwähnt (da klingeln bei mir natürlich die Alarmglocken bzgl. seiner möglichen Gewaltphantasien).


    Habt ihr sowas schon mal erlebt? Jemanden, dem selbst mit Strafen nicht beizukommen ist, weil er nichts mehr zu verlieren hat?


    Ich finde das ziemlich beängstigend und hoffe, dass ich morgen meine Lp gut überstehe. Mein Kollegium steht auf jeden Fall geschlossen hinter mir.


    Liebe Grüße,
    Carla-Emilia

  • Ich arbeite seit 2000 in HS -Abschlusskursen mit Schulabbrechern und Verweigerern (auch jetzt neben des Ref! aber gott sei dank sind die gerade im Praktikum).
    Ich habe gelernt, dass unsere mittel (Sanktionen ) bei diesen Menschen nicht bis kaum helfen. Mann muss ihnen -das ist in der schule nicht so einfach auf anderem Wege begegnen.
    Freundschaftlich, Respekt ist eben nicht alles - diese kinderhaben vor niemanden - nicht vor ihrer Mama noch vor sich selbst, noch vor ihrem Partner Respekt! Warum sollten sie es vor dir haben, hast du Respekt vor ihm????
    dieses Kind hat keine ausbildungsstelle. Du sagst, er bemüht sich auch nicht drum!
    Warum?
    Weiß er, dass es eh keine Stelle gibt und will dem aus dem Weg gehen?
    Nimmt er vielleicht zum ersten Mal seine Chanse war, der für ihn immer negativen Selektionsmaschine "schule/Ausbildung" zu entgehen um "selbstbestimmt zu leben.?


    Will er eben keine Negativerfahrungen machen und dies ist eine Vermeidungstat, weil er seine schwächen genau kennt und deshalb weiß, wie schwierig das ganze für ihn würde?


    Genießt er (zu recht vielleicht) die aufmerksamkeit, die ihm alle wegen seinens fehlenden Willens entgegenbringen?


    ist er ein "habtischer Lerner", der nun durch einen gezielten Schubs aus dem sozialem Nest lernen wird, sich im Leben zu entscheiden?


    Keine Ahnung, während schule sich den Schwächen der schüler zuwendet (Du kannst das nicht, das auch nicht...) arbeitet die berufsbereatende Sozialarbeit mit der förderung der Stärken.
    Dies bedeutet, dass wir viel beobachten müssen, weil eben diese Kinder ihre Stärken am wenigsten zeigen.



    dieses kind droht Euch?
    Mal ganz krass gedacht, drohen wir jeden tag irgendwelchen schülern mit irgendwas, nicht so krass, aber wir tun das!


    Ich versuche das in meiner klasse immer zu beherzigen und denke,dass das bei "dieser Sorte Jugend" mehr als angebracht ist.
    Versuche seine Stärken zu finden.
    Hört sich blöd an, aus meiner Erfahrung weiß ich, dass wir so schon die heftigsten handzahm bekommen habe.




    Tipp für LP:
    lass ihn einfach nicht teilnehmen.
    viel Glück und liebe Grüße
    Isa


    PS. Schlagt mich nicht tot für dieses sozialpädagogische Gedankengut!

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe auch einen ähnlich schwierigen Schüler in meiner 8. Klasse. Wir hatten auch schon das ganze Programm Respektilosigkeit allen gegenüber und Mitschüler beschimpfen, aus dem Unterricht rausrennen bis hin zu Mitschüler angreifen oder ihnen eine Flasche an den Kopf werfen, so dass der andere zum Arzt musste. Es waren jedenfalls viele und heftige Sachen. Daraufhin gab es eine Klassenkonferenz, bei der wir u.a. beschlossen haben, dass er jede Woche eine Stunde mit der Schulberaterin (ich weiß nicht genau, wie sich das nennt, es ist jedenfalls eine normale Lehrerin unserer Schule, die eine sehr umfangreiche Zusatzausbildung in Konfliktberatung, Schülerberatung und sonstigen Sachen hat) sprechen muss. Seitdem ist es zwar immer noch schlimm, aber sein Verhalten hat sich deutlich verbessert. Er brauchte vor allem jemandem, der ihm zuhört, der mit ihm über sein Verhalten, sein schulisches Leben spricht (ich war bei den Sitzungen nicht dabei und die Kollgin hat Schweigepflicht, deshalb weiß ich nicht, was sie genau besprechen). Es hat sich wirklich gebessert, weil sich jemand für ihn interessiert und mit ihm seine Konflikte und Probleme in der Schule bespricht (die Beratung darf sich nur auf schulische Probleme beziehen). Ich hätte das nie für möglich gehalten, aber es hilft tatsächlich. Strafen jeglicher Art waren vorher erfolglos gewesen und hatten ihn nur aggressiver gemacht.
    Vielleicht habt ihr so etwas auch an eurer Schule. Einen Versuch wäre es ja immerhin wert. Wenn er so aggressiv ist, könnt ihr ihn mit Strafen ja auch nicht abschrecken. Aber er muss ja extrem frustriert sein, damit er so austickt.
    Ich gehe mit meinem schwierigen Schüler übrigens jetzt anders um als vorher: Ich bestrafe ihn nicht mehr, ständig nicht gemachte Hausaufgaben, keine Mitarbeit, kein Material und sowas äußert sich auch in der Mitarbeitsnoten, das weiß er und gibt sich mehr Mühe. Ich lobe ihn, wann immer es geht, auch vor den Mitschülern. Wenn es Probleme gibt, spreche ich nach der Stunde allein mit ihm, dann hat er sich meist schon wieder beruhigt und muss sich nicht vor allen Schülern als obercool aufspielen. Und wenn er sich wieder man ständig in den Vordergrund spielen will und ständig in die Klasse ruft, dann ignoriere ich das. Eine Kollegin hat auch mit dem Ignorieren von nervenden Zwischenbemerkungen sehr gute Erfahrungen gemacht: Bei ihr hört er dann nach wenigen Minuten auf, wenn niemand ihn beachtet.
    Übrigens war mein Schüler auch allen gegenüber respektlos und unverschämt, auch gegenüber dem Klassenlehrer und dem Konrektor.

    • Offizieller Beitrag

    Ist ja lustig: Jetzt haben Isa und ich fast das Gleiche geschrieben. Ich hatte ihren Beitrag noch nicht gelesen, weil ich meinen gleichzeitig geschrieben habe. Aber ich sehe es genauso. Wenn Strafen nicht helfen (es gibt allerdings auch Schüler, bei denen Strafen hilfreich sind und die austesten und Strafen erwarten), dann muss man es einfach mal anders probieren.
    Eine Strafe kann ja auch bei ihm nicht helfen: Er hat ja schließlich nichts mehr zu verlieren.

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