Brentano: Sprich aus der Ferne!

  • Hallo,


    weiß jemand, wo ich eine Interpretation des Gedichtes "Sprich aus der Ferne" von C. Brentano bekommen kann? Hab schon gegoogelt, leider ohne Erfolg!


    Schnuppe

  • tja, da die resonanz bis jetzt nicht sehr groß war auf meine anfrage, poste ich jetzt einfach mal das gedicht mit der bitte, dass jeder, der einen vroschlag im hinblick auf analyse und intepretation machen kann, dies tut...ihr würdet mir damit super helfen, denn ich kann mit lyrik, speziell romantischer, so rein gar nix anfangen....und muss bis montag eine sachanalyse dazu verfassen...


    also, ich hab immer wieder gehört, dass viele menschen spaß am umgang mit gedichten haben, ich würd mich freuen, wenn ich hier den beweis finde...



    c. brentano: Sprich aus der Ferne!


    Sprich aus der Ferne,
    Heimliche Welt,
    Die sich so gerne
    Zu mir gesellt!


    Wenn das Abendrot niedergesunken,
    Keine freudige Farbe mehr spricht,
    Und die Kränze stillleuchtender Funken
    Die Nacht um die schattichte Stirn flicht:
    Wehet der Sterne
    Heiliger Sinn
    Leis durch die Ferne
    Bis zu mir hin


    Wenn des Mondes still lindernde Tränen
    Lösen der Nächte verborgenes Weh,
    Dann wehet Friede. In goldenen Kähnen
    Schiffen die Geister im himmlischen See
    Glänzender Lieder
    Klingender Lauf
    Ringelt sich nieder,
    Wallet hinauf.


    Wenn der Mitternacht heiliges Grauen
    Bang durch die dunklen Wälder hinschleicht
    Und die Büsche gar wundersam schauen,
    Alles sich finster, tiefsinnig bezeugt:
    Wandelt im Dunkeln
    Freundliches Spiel
    Still Lichter funkeln
    Schimmerndes Ziel.


    Alles ist freundlich wohlwollend verbunden,
    Bietet sich tröstend und trauernd die Hand,
    Sind durch die NÄchte die Lichter gewunden
    Alles its ewig im Innern verwandt.
    Sprich aus der Ferne,
    Heimliche Welt,
    Die sich so gerne
    Zu mir gesellt.



    Vielen lieben Dank...schnuppe

  • Zitat

    ...ich kann mit lyrik, speziell romantischer, so rein gar nix anfangen....und muss bis montag eine sachanalyse dazu verfassen...


    Hallo Schnuppe!


    Hier findest du eine knappe Übersicht über die (dt.) Romantik und ihre Spezifika (und auch anderes Nützliches für handlungsorientierten Deutschunterricht):


    http://www.fo-net.de/


    (Und dann in die Rubrik "Literaturepochen" --> "Romantik".)


    Mit Hilfe der da genannten Schlüsselbegriffe müßte sich doch ein Anfang für eine Sachanalyse finden lassen.


    Viel Erfolg
    gruß, ph.
    <pre> </pre><pre> </pre>

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  • Noch ein methodischer Nachtrag zur Lyrik-Analyse:


    Ich kann es dir nachfühlen, daß du mit Lyrik nicht richtig warm wirst. So ging es mir früher auch - erst im Studium habe ich einen Zugang zu Gedichten gefunden, und zwar über einen Lit.wiss.-Prof, der uns sehr einleuchtend anhand der strukturalistischen Methode gezeigt hat, welche Aspekte eines Gedichts man untersuchen muß.


    Ich gebe hier mal stichwortartig seine "Methodik der Lyrikanalyse" wieder (die Terminologie ist etwas 'technisch', es ist halt i.w.S. Strukturalismus):


    1. Syntagmatische Dimension


    (a) Inhalt/Thema
    - Entwicklung des Thema, thematische Gliederung des Texts (z.B. aufgrund chronlogischer oder räumlicher Aspekte des dargestellten Sachverhalts; aufgrund der Argumentationsstruktur der lyrischen Äußerung)
    - Verhältnis der thematischen Gliederung zur strophischen Gliederung


    (b) Satzbau/Syntax
    - Analyse der syntaktischen Einheiten (Satzstrukturen: z.B. parataktisch, hypotaktisch; dominante Wortarten und syntaktische Konstruktionen - z.B. Distribution verbaler und nominaler Konstruktionen, Frequenz der Epitheta etc.)
    - Verhältnis syntaktischer und metrischer Einheiten (Korrespondenz oder Diskrepanz; Frequenz und Funktion der Enjambements)
    - Herstellung syntaktisch-metrischer Äquivalenzrelationen durch Wiederholungsfiguren (Parallelismus, Anapher, Epipher etc.)


    2. Pragmatische Dimension ("Sprechsituation")


    (a) Personen
    - Sprechinstanz ("lyrisches Ich"): deiktische Markierung durch Pronomina und Verbformen; Verhältnis zum Thema bzw. zum dargestellten Sachverhalt (z.B. Beteiligung als "erlebendes Ich"); geistige, affektive ideologische, kulturelle Voraussetzungen, die die lyrische Äußerung prägen
    - Figur des Angesprochenen ("lyrisches Du"): deiktische Bezugnahme durch Pronomina, Verbformen; Voraussetzungen des Sprechers im Hinblick auf den Angesprochenen
    - Interrelation (soziales Verhältnis, emotionales Verhältnis)


    (b) Raum & Zeit
    - räumliche Determination der Sprechsituation (räumliche Bindung des dargestellten Sachverhalts an die Sprechsituation - terminologisch: lokale Deixis)
    - zeitliche Determination der Sprechsituation (zeitliche Bindung des dargestellten Sachverhalts an die Sprechsituation - terminologisch: temporale Deixis)


    (c) Sprechabsicht
    - Intention/Funktion der Äußerung (Bühler: Ausdruck, Darstellung, Appell - Jakobson: emotiv, referentiell, konativ, 'poetisch')
    - Sprechhandlungstyp (Preisen, Schmähen, Klagen etc.)


    3. Semantische Dimension


    (a) Struktur der Wortfelder
    - syntagmatische Analyse: Kohärenzbildung durch Isotopien (Isotopie = homogene Bedeutungsebene, die sich aus der Rekurrenz semantischer Merkmale ergibt)
    - Brüche in der semantischen Kohärenz
    - Überlagerung von Isotopien


    (b) 'Färbung' der Wortfelder
    - paradigmatische Analyse: dominierende Äquivalenz- und Oppositionsrelationen (Äquvalenz: zwei Lexeme mit gemeinsamen semantischen Merkmalen, Opposition: zwei Lexeme mit 1 gemeinsamen und 1 ausschließendem Merkmalspaar)


    (c) Untersuchung des Zusammenwirkens der semantischen und der phonologischen Ebene (Stützung und Stiftung semantischer Äquivalenzen durch Lautähnlichkeit und Reim)

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  • Ein paar Stichworte zur Brentano-Analyse (anhand des o.g. Schemas):


    1. Syntagmatische Dimension
    (a) Thema: 'Zwiegespräch' eines Menschen mit der abendlichen Natur


    Makrostruktur des Gedichts: Das Gedicht besteht aus drei Teilen.
    Teil 1 (= Strophe 1): Appell an die Welt, sich dem lyrischen Ich zu öffnen
    Teil 2 (= Strophen 2-4) Beschreibung der nächtlichen Natur
    Teil 3 (= Strophe 5): Fazit des lyrischen Ichs, Wiederholung des Appells


    (b) Der Text besteht aus 5 Strophen (1x 4-zeilig, 4x 8-zeilig) mit dem Reimschema abab. Die Strophen 2 bis 4 weisen einen analogen Aufbau auf (Parallelismus: "Wenn...."). Die Anfangsverse des Gedichts wiederholen sich am Ende.


    2. Paradigmatische Dimension


    (a) Personen
    - "lyrisches Ich" - deiktische Markierung durch Pronomina: nur durch "mir" (V. 4, 12, 36) -&gt; das lyrische Ich ist passiv, 'lauscht' auf die Natur, zugleich wird es affektiv von der Natur angesprochen
    - "lyrisches Du" - keine deiktische Markierung, es wird nur durch den Imperativ ("Sprich") ins Spiel gebracht --&gt; das lyrische Du ist die beseelte Natur ("heimliche Welt"), auf deren Zusprache das lyrische Ich hofft


    (b) Raum und Zeit
    - Räumliche Determination: keine räumliche Bindung von lyrischem Ich und Du
    - Zeitliche Determination: kein bestimmter Zeitpunkt, Erlebnisse/Empfindungen werden zusammengefaßt: "der Nächte verborgenes Weh" - nicht: eine Nacht.


    (c) Intention
    - 1. Strophe: Appell an die Natur
    - 2. bis 4. Strophe: Darstellung der nächtlichen Natur mit deutlich emotiver Einfärbung
    - 5. Strophe: Wiederholung des Appells


    3. Semantische Dimension


    (a) Isotopien:
    - Wortfeld 'Nacht' ("Abendrot", "Nacht", "Sterne", "Mond", Mitternacht" etc.)
    - Wortfeld 'Licht' ("Sterne", "freudige Farbe", "Funken"
    - Wortfeld 'Dunkelheit' ("schattichte Stirn", "dunkle Wälder", "finster")


    (b) Oppositionen: z.B. Licht vs. Dunkelheit


    (Hier breche ich mal ab...)


    Zusammenzubringen wären diese Textbeobachtungen nun mit dem epochenspezifischen Bewußtsein der Romantiker (ich zitiere wieder meinen Prof):


    Zitat

    Das Weltverhältnis der Romantiker ist zum einen geprägt vom Gefühl einer (vergangenen, erinnerten) Zugehörigkeit, einer Korrespondenz mit der Natur: Sie dient als Zufluchtsort und Kommunikationspartner (Anrede als lyrisches Du). Zum andern findet sich auch das Gefühl einer (sich vergrößernden) Differenz, die sich durch die Vergäng-lichkeit des Glücks ausbildet. [...] Die romantischen Landschaften sind „Fern-Landschaften“ (K. Stierle), die eine Sehnsuchtsstimmung erzeugen


    --&gt; Das Moment von "Ferne" und "Sehnsucht" ist ja auch bei Brentano überdeutlich.


    So, ich habe erstmal fertig. Ich hoffe, du kannst mit meinem "Steinbruch" was anfangen. Leider habe ich jetzt keine Zeit mehr (und bin ja auch Romanist und nicht Germanist ;) ).


    Viel Erfolg noch!

    Einmal editiert, zuletzt von philosophus ()

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