Lesen durch schreiben - wie lernen Kinder mit Sprachproblemen?

  • Hallo zusammen,
    seit diesem Schuljahr bin ich Klassenlehrerin einer ersten Klasse. Wir arbeiten nach dem Konzept "Lesen durch schreiben" und mit dem Lehrwerk TINTO.
    Das Konzept finde ich gut und bei den meisten Kindern sehe ich schon tolle Fortschritte.


    Nun zu meinem Problem, zu dem ihr mir vielleicht etwas schreiben könnt.


    Eine intelligente Schülerin hat Probleme mit der Aussprache. Sie ist in logopädischer Behandlung.
    Spricht sie, ist sie wirklich schlecht zu verstehen. Man muss ihr sehr gut zuhören und sie oft bitten, Sätze zu wiederholen.
    Das lauttreue Schreiben beherscht sie gut, sie schreibt also wirklich so wie sie spricht. Hat das Konzept also verstanden. In dem Fall liegt hier das Problem. Sie schreibt kaum ein Wort annähernd richtig. Spreche ich ihr die Wörter langsam oder auch in normalem Tempo vor, schreibt sie sie richtig auf.


    Ich übe viel mit diesem Mädchen sehe aber leider keinen Fortschritt.


    Könnt ihr mit raten, was ich noch machen könnte? Habt ihr Erfahrungen in diesem Bereich?


    Über Antworten würde ich mich sehr freuen.
    Leila

  • Da passts mal wieder, nicht jeder Lehregang passt zu jedem Kind!


    Reichen sagt ja selber, dass sein Lehragng nicht für Kinder mit speziellem Förderbedarf geeignet ist. Und da das Lesen und Schreibenn lernen hier wirklich vol auf der Aussprache des KINDES basiert würde ich hier eine Differenzieung mit einer anderen Methode vorschlagen. Der Sinn und Zweck des Lehragngs ist doch völlig pfutsch, wenn das Kind immer alles vorgesagt bekommen muss, damit es schreiben kann.


    Ich bin ja aiuch absoluter Liebhaber dieser Methode, konnte sie bis jetzt aber auch leider noch nciht anwenden.


    LG, Sunny!

    Tschacka!


    <img src="http://img113.imageshack.us/img113/6624/zwanzigklein7xb.jpg">

  • Hallo,
    bei mir gibt es einen ähnlichen Fall. Ich mache Lesen durch Schreiben mit Lara.
    Da es ein sehr intelligenter Junge ist, mache ich mir nicht viele Gedanken, denn ich denke, der kriegt es mit der Zeit schon hin. Es ist natürlich schon anstrengend für mich, weil ich alles, was er geschrieben hat genau mit ihm überarbeiten muss.
    Ich habe vor von jetzt an immer ein "Wort der Woche" einzuführen. Nächste Woche ist es das "und". Ich erhoffe mir, dass einige sich das Wort einprägen. Zurzeit schreiben es fast alle so: "ont" - wahrscheinlich spricht man hier so. Nun hoffe ich, dass gewitzte Kinder sich so Woche für Woche einen kleinen Wortschatz anlegen. Ich denke, dem Jungen mit dem Sprachproblem kommt das mit dem "Wort der Woche" entgegen.
    Mal sehen ...


    laluna

  • Zitat

    Reichen sagt ja selber, dass sein Lehragng nicht für Kinder mit speziellem Förderbedarf geeignet ist. Und da das Lesen und Schreibenn lernen hier wirklich vol auf der Aussprache des KINDES basiert würde ich hier eine Differenzieung mit einer anderen Methode vorschlagen.


    Ja, das habe ich auch schon überlegt. Könnt ihr ein alternatives Lehrwerk empfehlen? Kenne bislang wirklich nur Lesen durch Schreiben.


    Ein russischer Junge aus meiner Klasse hat auch Schwierigkeiten mit dem Konzept. Zu Hause wird kein Deutsch gesprochen, nur in der Schule bekommt er unsere Sprache mit. Für ihn wäre ein Alternativprogramm sicher auch nicht schlecht!?


    Zitat

    Da es ein sehr intelligenter Junge ist, mache ich mir nicht viele Gedanken, denn ich denke, der kriegt es mit der Zeit schon hin.


    Mmh, ich persönlich (auch aufgrund mangelnder Erfahrung) möchte mich nicht darauf verlassen, dass es die Schülerin mit der Zeit hinkriegt. Möchte da schon eher "auf Nummer sicher gehen".


    Zitat

    Ich denke, dem Jungen mit dem Sprachproblem kommt das mit dem "Wort der Woche" entgegen.


    Das klingt schon mal ganz gut. Aber meinst du nicht, dass man Wörter der Woche nehmen kann? Also nicht nur ein Wort?

  • Bei den "Wörtern der Woche" dürften es meiner Meinung nach am Anfang nicht mehr als drei sein. Allerdings habe ich auch keine Erfahrung damit.
    Ich werde erst nur eins einführen, weil ich lieber möchte, dass das dann bei vielen Kindern gefestigt ist. Schwächere Kinder werden sich bestimmt nicht gleich mehrere merken. Dafür ist das Schreiben für sie noch viel zu anstrengend.


    Ich habe dieses Mal keine ausländischen Kinder in der Klasse. Bei letzten "Lesen-durch-Schreiben"-Durchgang hatte ich gleich mehrere. Da fand ich gut, dass sie die deutsche Sprache schreibend gelernt haben. Für den Unterricht hatte ich damals ganz viele kleine Bildchen (2x2cm). Aus diesen Bildern durften die Kinder aussuchen, was sie schreiben wollten. In ihr Heft klebten sie das Bild und schrieben (mit mir zusammen - alleine wäre nicht gegangen) das Wort. So erarbeiteten sie sich einen eigenen Wortschatz und lernten die Wörter kennen. Im Laufe des Schuljahres mussten sie dann aber auch Sätze schreiben. Es war aber sehr anstrengend, weil man viel bei ihnen sein musste. Ich muss aber auch sagen, dass ich den ganzen Vormittag in der Klasse war und nicht nur für den Deutschunterricht. Da ließ es sich recht gut realisieren.


    Wenn du da ein Lehrwerk suchst, würde ich keine Fibel nehmen, sondern etwas für Deutsch als Zweitsprache. Allerdings kenne ich die aktuellen Werke da nicht.


    laluna

  • Liebe Leila,


    "Das lauttreue Schreiben beherscht sie gut, sie schreibt also wirklich so wie sie spricht. "


    Deine Annahme, dass das lauttreue Schreiben in o.g. Fall nicht besonders geeignet ist, scheint berechtigt: s.


    http://www.grundschulservice.de/Elternbrief%20Nr.%207.htm


    "Fu und Fara" seit mehr als 10 Jahre im Einsatz, basiert z.B. auf der so genannten "Schlüsselwortmethode". Bei Interesse schau mal auf der web Seite des Schroedelverlages nach...


    LG


    Ulli

    • Offizieller Beitrag

    Hallo leila,


    habt ihr zu Tinto die Sprachförderkartei? Wenn ich mich recht entsinne, sind auf den Karten vorne Bilder drauf und auf der Rückseite die passenden Wörter. Das könnte deinem DAZ-Kind helfen, seinen Wortschatz zu erweitern.


    Bei dem Kind mit den Sprachschwierigkeiten würde ich mit einem Rechtschreibtraining anfangen, welches aber in den Bereichen, die von den Ausspracheschwierigkeiten betroffen sind, m.M.n. leider nicht strategisch, sondern nur über Lernwörter vorgehen kann.
    ABER: Die Grundlage für viele Fibeln und Sprachbücher ist - auch wenn es die Kritiker bestreiten - das lautgetreue Schreiben. Ohne lautgetreues Schreiben müsste jedes Kind im Laufe seiner Grundschulzeit ein übliches Grundschulwörterbuch auswendig lernen.
    Deine Schülerin kann beim lautgetreuen Schreiben im Bereich ihrer Ausspracheschwierigkeiten aber nicht ansetzen. Für sie sind alle Wörter, deren korrekte Aussprache sie nicht beherrscht, Merkwörter. Das erschwert ihr das Lernen ungemein, da sie viel mehr Merkwörter lernen muss, als Kinder, die eine korrekte Aussprache haben.
    Stell dir mal vor, du könntest ch, sch und s auf der Lautebene nicht voneinander unterscheiden, du kannst nur s sprechen, ch und sch kannst du einfach nicht bilden. Du müsstest dir merken, wie man "es" schreibt, wie "son", "sön", "sreiben", Sokolade", "slafen", "sein", "leist", "Listsein", "Stein", "Stern", "Fest", "spresen", "Haus", "wasen"... Das sind alles Wörter, die sich ein Kind mit korrekter Aussprache aufgrund der lautgetreuen Schreibstrategie, dem Wissen um die Aussprache/Schreibung von st/sp und der Wortbausteine -en und -er erschließen kann und dafür wenig Speicherkapazität im Gedächtnis zur Verfügung stellen müsste.


    Deshalb steht meiner Meinung nach die Sprachförderung an erster Stelle.


    Kannst du dich mit der logopädischen Praxis in Verbindung setzen? Habt ihr eine Ambulanzlehrerin für Sprache oder eine Sprachheilschule in der Nähe, mit der Kontakt aufnehmen könntest?


    Bei Fara und Fu sind vereinzelt Gesichtsabbildungen von Kindern, die den neuen Laut oder ein Wort sprechen. Ob das deiner Schülerin hilft, weiß ich nicht. Das kommt drauf an, ob sie mit diesen Bildern dann einen bestimmten Laut verknüpft. (Mundbilder sind zudem nicht eindeutig.)
    Die Schlüsselwörter (die übrigens in vielen Fibeln zu finden sind) werden - im Fall wirklich gravierender Ausspracheschwierigkeiten - für sie bei Weitem nicht ausreichen, um das Schreiben zu erlernen.


    Hier findest du Mundbildmemorys und eine Anlauttabelle mit Mundbildern:
    http://www.sfz-ulrichschule.de…alien/Deutsch/Deutsch.htm


    Wenn es wirklich darum gehen soll, Geschichten zu schreiben würde ich sie mit einem anderen Kind zusammen arbeiten, so dass sie auch Ideen entwickeln kann, aber auch eine Hilfe beim Aufschreiben hat.


    Grüße,
    Conni

    SCHOKOEIS!


    Ich lese und schreibe nach dem Paretoprinzip.

  • Hallo zusammen,


    erstmal ein herzliches Dankeschön für all die guten Antworten.


    Ich lese gerade in "Grundschule aktuell" Ausgabe November 2006 zum Thema "Freies Schreiben von Anfang an - wichtig oder schädlich?".


    Da stehen einige gute Artikel zu meinem "Problem" drin. Bin jedoch noch nicht weit gekommen und melde mich hier auf jeden Fall zurück, wenn ich schlauer bin.


    Conni

    Zitat

    Kannst du dich mit der logopädischen Praxis in Verbindung setzen? Habt ihr eine Ambulanzlehrerin für Sprache oder eine Sprachheilschule in der Nähe, mit der Kontakt aufnehmen könntest?


    Das werde ich auf jeden Fall nochmal machen. Oft haben Logopäden ja auch viel Erfahrung, wie Kinder das Schreiben und Lesen lernen.


    Danke für den guten Link. Habe mir die Karten schon ausgedruckt und werde sie einfach mal als zusätzliche Hilfe nehmen.


    Fara und Fu werde ich mir mal genauer ansehen.


    Viele gute Ideen, viele Ansätze, mal sehen, was ich daraus machen kann :P

  • Hatte gerade noch die Idee lauttreue Wörter auf eine Kassette zu sprechen. Die können sich die Kinder dann anhören und aufschreiben.
    Hat das schon mal jemand probiert?


    Spreche zum Glück hochdeutsch

  • Du sprichtst das an, was ich mittlerweile glaube. Ich praktiziere die Methode seit meiner Referendariatszeit Anfang der 90er Jahre, immer mehr mit Abstrichen behaftet. Im Moment bin ich an einer Schule, die nach Sommer-Stumpenhorst arbeitet, ähnlich Tinto.


    Meiner eigenen Meinung nach wird bei der heutigen Umsetzung des Spracherfahrungsansatzes (dies ist ja auch der Hintergrund zu Reichen) wenig berücksichtigt, dass Kinder eben mit unterschiedlichen Spracherfahrungen in die Schule kommen - von gut situierten bis Kindern, die kein Deutsch sprechen und Kindern mit massiven Sprachproblemen(Richtung Logopädie u.ä.). Alle Kinder lernen nach der gleichen Methode, die aber vorgibt, offen zu sein.
    Eigene Erfahrungen zeigen, dass das freie Schreiben Kinder mit weiten Spracherfahrungen viel weiter bringt als andere Ansätze, dass andere Kinder aber weit hinter anderen Methoden zurückbleiben. Somit habe ich mich immer mehr mit alternativen Methoden auseinandergesetzt. Für Kinder mit Migrationshintergrund und großen sprachlichen Problemen und großen motorischen Schwierigkeiten
    scheint mir der Ansatz von Fröhler aus ÖSterreich sehr gut, weil er über das Fühlen und Lesen geht und Kinder früh Fortschritte machen. Er hat Fibelinhalte über Filme verpackt, so dass mich das, was ich las, sehr an den Unterricht Englisch erinnert - ich denke in Österreich gibt es viele Dialekte, so dass die Situation ähnlich zu meinen Migrationskindern ist.
    Kinder, die Ausspracheprobleme haben hilft das Vorsprechen - gute Erfahrungen habe ich mit Computerprogrammen gehabt - Sommer-Stumpenhorst hat ein PC Programm zum Abhören von LAuten, Das Schreiblabor hilft , weil es das, was das Kind frei geschrieben hat vorliest.... . Parallel dazu müsste man viel lesen und einen Grundwortschatz sichern (u.U. auch mit einem PC Programm, gut finde ich empfehlenswert).
    Dann gibt es Kinder mit Teilleistungsstörungen, für die ist bestimmt Fröhler auch machbar (habe aber keine Erfahrungen damit). Ansonsten eben der Kieler Leseaufbau oder auch das ABC der Tiere (Mildenberger-Verlag).
    Schwer ist es nur, dass alles in den Unterricht von 28 Kindern zu integrieren und vielleicht auch n och Jahrgangsübergreifenden Unterricht - es fehlen halt mehrere Hände und Köpfe.
    flip

Werbung