Verbesserungswut einiger Eltern

    • Offizieller Beitrag

    Hallo ihr Lieben,


    in meinem Deutschunterricht (Klasse1/2) wende ich die Methode "Lesen durch Schreiben" an, allerdings nicht in ihrer Reinform, sondern gepaart mit Rechtschreib- und Leseübungen.
    Ich habe den Eltern teilweise mehrfach erklärt, dass es Aufgaben gibt, bei denen die Kinder eigenständig mit der Anlauttabelle schreiben sollen und andere, bei denen es um Rechtschreibung o.a. geht.
    Habe auch erklärt, warum ich es wichtig finde, dass die Kinder auch lautgetreu schreiben, etc. pp.
    Was soll ich sagen?
    Ständig sehe ich ausradierte und verbesserte Schreibaufgaben bei meinen Erstis. X( Langsam bin ich sauer, da ich mich sehr bemühe, nicht leichtfertig mit dem Schreib-und Leselernprozess umzugehen, überall versuche, das Beste raus zu ziehen und mir eben auch Gedanken darum mache, WARUM ich meinen Unterricht so gestalte.
    Für mich steckt da die Haltung dahinter: Uns passt das nicht, wir wollen, dass unser Kind alles richtig schreibt, wir wissen es besser.


    Übernächste Woche ist Elternsprechtag und ich bin mir sicher, da kommt das auch wieder auf den Tisch. Mein Schulleiter meinte schon ironisch, ich solle sie doch mal fragen, ob sie zu doof seien, das zu kapieren. Ich hätte es doch jetzt mehrfach mündlich sowie schriftlich erklärt... *fiesgrins* - geht natürlich nicht und war auch nicht ernst gemeint, aber Lust hätte ich manchmal dazu.


    Was würdet ihr mir raten? Soll ich die Eltern von mir aus noch mal darauf ansprechen? Oder jedes weitere Gespräch über mein Unterrichtskonzept im Keim ersticken, da es zur Genüge durchgekaut wurde?


    Man, das nervt mich!
    X(


    LG
    Melo

  • Hallo Melo,


    ich kann die Eltern irgendwo verstehen. :rolleyes:


    Ich habe selbst ein Kind und habe schon von seeeehr vielen Fällen gehört, in denen sich mit dieser Methode auch später keine richtige Rechtschreibung entwickelt hat. Und natürlich möchte man für das eigene Kind da kein Risiko eingehen. Für dich ist es ein Kind von vielen Kindern .. für die Eltern gibt es nur dieses eine Kind.


    Natürlich ist es nicht richtig, dass die Eltern deine Methode nicht akzeptieren. Aber wie gesagt, auch ihre Stellung ist für mich nachvollziehbar.


    Liebe Grüße,
    Sunny

  • Oje, du Arme... In ihrer letzten Klasse hatte meine Mentorin auch Eltern, die ihr da nicht vertraut haben. Sie konnte sie aber mit folgender Erklärung doch etwas überzeugen: sie hat die Eltern an den Spracherwerb ihres Kindes erinnert. Da haben sie ja auch die Entwicklung gefördert und abgewartet und nicht sofort beim ersten gesprochenen Wort solange verbessert, bis es richtig ausgesprochen wurde. Das hat auch mich irgendwie überzeugt.
    Meine Mentorin sagt den Eltern aber auch, dass sie zwar verbessern können, aber nicht erwarten können, dass das Kind es beim nächsten Mal richtig schreibt, da es evtl. noch nicht an das passende Vorwissen anknüpfen kann.


    Wünsch dir schonmal viel Glück für den Elternsprechtag!!

  • kinder müssen mit ihrem geschriebenen experimentieren dürfen.
    wenn man sie wirklich lässt, werden sie sichere rechtschreiber.
    wenn man sie hindert und immer wieder "verbessert", werden sie unsicher und bleiben es womöglich lebenslänglich. diese verbessernden eltern sind ja auch unsicher.

  • Auch bei uns gibt es immer noch viele Eltern, die der Meinung sind, dass sich keine Rechtschreibsicherheit entwickeln kann, wenn die Kinder falsch schreiben... Hilft meiner Erfahrung nach wirklich nur sehr viel Geduld und evtl. noch mal klare Worte auf dem Elternsprechtag. Erklären, erklären, erklären. Schreibentwicklungstabelle zeigen, vielleicht selbst mit einer "Anlauttabelle" mit Symbolen schreiben lassen beim ersten Elternabend/Klassenpflegschaftssitzung (das fanden viele Eltern gut und überzeugend!).
    Ich hab noch irgendwo einen Elternbrief, der ebenfalls sehr überzeugend, lustig aber dennoch fachlich richtig geschrieben ist. Leider komme ich vor der Prüfung nicht mehr dazu, den rauszusuchen. Danach kann ich das aber gern machen, wenn bei jemandem Interesse besteht. Den haben wir mal im Fachseminar bekommen. Wirklich gut.

    • Offizieller Beitrag

    Vielen Dank für eure Antworten!


    Ein Elternabend zu diesem Thema fand bereits statt. Außerdem habe ich einen ausführlichen Elternbrief geschrieben und viele Einzelgespräche, auch am Telefon geführt. Die Schreibentwicklungstabelle liegt den Eltern auch vor.


    Ich bin auch Mutter und ich kann die Eltern nicht mehr verstehen, sunny.
    Sie müssten doch sehen, dass die Kinder auch andere Übungen machen und was sie schon alles können. Mir als Mutter käme nicht in den Sinn, meinem Kind zu Hause Aufgaben zu verbessern, die die Lehrerin so gewollt oder befürwortet hat. Zumal, wenn mir das dahinterstehende Konzept lang und breit erklärt worden wäre. Letztlich hemmen sie m.E. damit sogar die Schreibentwicklung ihres Kindes.


    Ich finde es für mich ärgerlich, aber vor allem für die Kinder schade, weil ich bei den besagten Kindern schon feststelle, dass es ihnen schwer fällt, frei zu schreiben, ohne genau zu wissen, wie das Wort richtig geschrieben wird. Gleichzeitig sind sie meilenweil davon entfernt, mit den verbesserten Wörtern im Heft irgendwas anfangen zu können.


    Es könnte vielleicht Unsicherheit dahinter stecken. Aber ich habe einiges getan, um diese zu zerstreuen und weiß langsam nicht mehr, was ich noch tun soll. Letztlich greifen die Eltern mit ihrem Verhalten massiv in meinen Unterricht ein. Das würden sie sich in den weiterführenden Schulen nicht trauen - an der Grundschule weiß es eben jeder besser. X(


    LG
    Melo

    • Offizieller Beitrag

    Das Problem gibt es wohl an jeder Schule, in der mit der Anlauttabelle geschrieben wird. Etwas geholfen hat bei einer Kollegin folgendes:


    Beim Elterabend wurden sie aufgefordert, die Schriftzüge von Kaufhof oder Braun genauso aufzuschreiben, wie sie sie in Erinnerung haben. Dadurch wurde ihnen bewusst, dass man sich selbst dann etwas nicht falsch einprägt, wenn man es viele Male gelesen hat.


    Auch die Aufforderung: "Schauen Sie sich Hefte der älteren Kinder an, wenn diese frei schreiben, ist auch vieles nicht richtig." brachte etwas Besserung.


    Ebenfalls hilfreich war das Argument, dass es ja sehr schön wäre, wenn sich richtig geschriebene Wörter sofort einprägen, dann bräucht manb alles ja nur ein paar Mal richtig sehen/ schreiben und könne es für immer.



    Wichtig ist ja, dass die Kinder wisse, dass es eine festgelegte Rechtschreibung gibt und dass nicht alle Wörter so geschrieben werden, wie man sie abhören kann. Sie müssen eben nur motiviert sein, richtig schreiben zu lernen und das werden Eltern sicher nicht dadurch erreichen, dass sie alles verbessern.


    Wenn offensichtlich die Eltern mit im Spiel waren (wenn "Biene" auf einmal richtig geschrieben wird ist es ja ziemlich offensichtlich), haben wir immer unter die Hausaufgaben "Bitte schreibe alleine." oder ähnliches geschrieben. Bei extremen Fällen haben wir die Eltern einzeln darauf angesprochen. Ausdrücklich erlaubt haben wir Verbesserungen (als die Kinder lesen konnten), wenn Laute vergessen wurden, die eigentlich hörbar sind. Die Eltern haben wir aufgefordert, mit den Kindern gemeinsam die Wörter deutlich zu sprechen.


    Gruß leppy

  • Hallo Melosine,
    ich freue mich sehr über diesen Thread, weil es mir mit meinem ersten Schuljahr Förderschule gerade ähnlich geht.... ich freue mich über jedes Kind, das motiviert schreibt und überhaupt erstmal das Grundprinzip verstanden hat - und da kommen sie dann mit Hausaufgaben, in denen Wörter rechtschreibtechnisch richtig geschrieben sind, die sie eigentlich noch gar nicht so schreiben können... und ich habe das Gefühl, das wirft die Schüler eher zurück, weil sie eben gerade erst anfangen, das prinzip zu verstehen und es ihnen so wieder völlig unverständlich erscheint (zuviel auf einmal).


    Verschiedene Beispiele, die hier schon genannt wurden, findet man übrigens in den Lehrermaterialien zu Konfetti - z.B. einen Elternbrief ("Fela mus Mann machn düfn"), eine Anlauttabelle mit Fantasiebuchstaben zum Ausprobieren, Beispielbilder von Markennamen (Hipp, Braun, Kaufhof, Quelle) wie Leppy es beschrieben hat.


    Ich verfolge Eure Beiträge mit Spannung,
    liebe Grüße
    Chiaro

    "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht."
    (afrikanisch)

    • Offizieller Beitrag

    Kleine Rückmeldung:


    Nachdem ich dazu übergegangen bin, unter jede verbesserte Arbeit "Bitte schreibe alleine!" zu schreiben, hat die Verbesserungswut augenscheinlich nachgelassen - dachte ich.
    Vor kurzem erzählte mir dann eine Schülerin, sie müsse nun die Wörter richtig in ein anderes Heft schreiben...


    Melosine

  • Tja,
    schwieriges Thema!
    Ich bin zwar völlig überzeugt von "Lesen durch Schreiben" allerdings kenne ich das Problem auch von der anderen Seite. Zumindest war es nämlich bei meiner Tochter so, dass sie eben Mitte Klasse 1 einige Wörter wie "Bett", "lieb", etc., die sie nämlich schon oft gelesen (!) hat, von sich aus richtig schrieb. Hinzu kam manchmal ein Nachfragen "hab ich das richtig geschrieben oder kommt da auch noch ein e hinter das i?". Als Mutter habe ich sie nie verbessert, aber auf Fragen geantwortet. Denn irgendwann ist der Satz "schreib so, wie du es hörst" auch ausgelutscht, bzw. sagt dem Kind: "da muss ein e hinter das i, sonst hätte ja Mama gesagt, dass es richtig ist!"
    So, lange Rede, kurzer Sinn: Das Kind schreibt folglich einige "schwierige" Wörter richtig. Bei der Hausaufgabenkontrolle wird ihr gesagt, dass sie erst in Klasse 2 so schreiben lernen und sie die Wörter nicht so schreiben soll..."


    Kriegt man da nicht auch einen Ausraster? Hat die Frau nicht gemerkt, dass dieses Kind bereits eine höhere Stufe des Schrifterwerbs erreicht hat?? Grrrrrrr


    Ich weiß, dass es schwierig ist, aber den Satz "bitte schreibe allein" finde ich wirklich nur bei Kindern angebracht, die im Unterricht offensichtlich noch keine solchen Anzeichen machen oder deren Blatt vor lauter Radieren schon leicht durchsichtig geworden ist. Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine. Ich glaube nicht, dass ihr zu denen gehört, die so etwas nicht bemerken. Aber diese Warnung musste ich auch einmal loswerden.

    • Offizieller Beitrag

    Nur noch mal zur Klarstellung: ich hab ja nichts dagegen, wenn die Kinder richtig schreiben.
    Ich halte es auch für ausgemachten Blödsinn, einem Kind, dass bereits Wörter richtig schreibt, zu sagen, es solle anders schreiben, weil man es noch nicht gelernt habe. *tocktock*
    Im Gegenteil freue ich mich, wenn einzelne Kinder bereits Rechtschreibphänomene beobachten und entsprechend umsetzen. Es gibt auch durchaus Kinder, die Rechtschreibung lernen, indem sie sich die Wörter angucken. Ich habe eine Schülerin, bei der es so ist.
    Bei den allermeisten Kindern ist das aber nicht der Fall, und ich merke eine Verunsicherung im Schreiben bei den Kindern, die zu Hause ihr Geschriebenes verbessern müssen. Sie merken sich das, was sie verbessern musste auch nicht. Überhaupt nicht. Schön wärs ja! Dann wäre ich die Letzte, die was dagegen hätte!
    Aber so wirkt sich dieses Elternverhalten eher negativ auf den Schreiblernprozess der Kinder aus.


    Naja, es betrifft nur Einzelfälle und hat ja auch nachgelassen. Warten wir es ab...


    LG
    Melosine

  • Und ich will auch noch einmal klarstellen, dass ich euch damit nichts unterstellen wollte! Ihr habt durchaus Recht! Aber manch andere Lehrer generalisieren das immer. Bzw. machen Lesen durch Schreiben ohne es selbst wirklich bis zu Ende verstanden zu haben. D. h., für sie ist das halt modern, das lernt man jetzt so und bloß nichts mehr korrigieren, denn das kommt erst in Klasse 2 ;)
    (leicht überspitzt, aber es gibt bestimmt solche Leute, aber die finden bestimmt nicht hierher in die Lf!)


    Ich hoffe, hier habt es auch wirklich nicht als Angriff aufgefasst. Es ist halt immer schwierig so etwas schriftlich auszudrücken.

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