Lern- und Arbeitsmotivation aufbauen

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen,


    ich habe im Sommer eine Kombiklasse 1/2 übernommen.
    Während meine Erstis wahnsinnig motiviert sind, schon sehr selbstständig arbeiten und am liebsten ständig noch mehr machen, haben die Zweitis teilweise größere Motivationsprobleme.
    Bei den meisten Kindern hat sich das gelegt und sie arbeiten immer besser mit.


    Nur einen Schüler habe ich, da weiß ich langsam nicht mehr, was ich machen soll.


    Er tut einfach fast nichts. Darauf angesprochen, sagt er, dass er keinen Bock hat und eh auf die Sonderschule kommt oder ähnliches. Das versuche ich ihm nun schon seit Schuljahresbeginn auszureden, aber hält daran fest.
    Auch abwechslungsreiche Aufgaben, die Möglichkeit, Aufgaben selber auszuwählen, Lobsystem, etc. haben bisher nicht oder kaum gefruchtet. Während die anderen schon längst fertig sind, hat er oft erst ein Wort geschrieben oder eine Rechenaufgabe angefangen aufzuschreiben.


    Die Mutter sagt, dass es zu Hause das Gleiche ist. Oft sitze er bis abends vor den Hausaufgaben.


    Ich habe ihr vorgeschlagen, ihn davon erstmal zu entbinden, weil es für alle Beteiligten der Megastress ist. Er soll nun eine halbe Stunde am Tag Hausaufgaben machen und dann aufhören, egal, wie weit er gekommen ist.
    Außerdem möchte ich ab nächster Woche mal eine Zeitlang nur mit Wochenplänen arbeiten und ihn dabei in Ruhe lassen - wenn ich es schaffe! Das ist auch ein Punkt: ich mache mir große Sorgen um dieses Kind und versuche deshalb immer wieder, ihn irgendwie zu motivieren! Er hat schon eine Klasse wiederholt, wäre also eigentlich schon in der 3.
    Er ist auch wirklich normal intelligent und ganz bestimmt kein Sonderschüler. Allerdings kann ich nach diesem Jahr nicht mehr viel für ihn tun.


    Was haltet ihr davon? Macht das Sinn?
    Im Prinzip befürchte ich leider, dass er dann den WP auch nicht oder nur sehr rudimentär macht und damit hat es sich.
    Wenn wir Freiarbeit machen, macht er oft nach kurzer Zeit Blödsinn und ärgert die anderen Kinder. Manchmal knetet oder malt er. Alles nicht sehr ausdauernd.
    Ich hab noch nichts entdeckt, was ihm wirklich gefällt.


    Habe schon daran gedacht, ihm die Verantwortung für sein Lernen komplett zu überlassen. Aber letztlich habe ich die Verantwortung und er ist noch relativ klein.


    Vielleicht habt ihr noch Tipps für mich? Am liebsten welche, die auch in einer "normalen" Grundschule praktizierbar sind


    LG
    Melo

  • Hallo, Melosine,


    hab zwar gerade erst das 1. StEx gemacht und bin deshalb nicht unbedingt der kompetenteste Ratgeber... aber: Wie kommt er denn drauf, dass er in die Sonderschule muss??
    Das hört sich ja nach "Ich - hab - aufgegeben - mir - ist - ja - eh - nicht - zu - helfen..." an, oder? ?(

    • Offizieller Beitrag

    Ja, Sunny, und genau der Einstellung möchte ich entgegenwirken.
    Woher sie kommt, weiß ich nicht, aber sie ist da.
    Allerdings wirkt er nicht nur resigniert, sondern im Wechsel eben auch faul. Fast eine jugendliche Nullbock-Mentalität.

  • Zitat

    Melosine schrieb am 17.11.2006 14:31:
    ...Nur einen Schüler habe ich, da weiß ich langsam nicht mehr, was ich machen soll.


    Er tut einfach fast nichts. Darauf angesprochen, sagt er, dass er keinen Bock hat und eh auf die Sonderschule kommt oder ähnliches. Das versuche ich ihm nun schon seit Schuljahresbeginn auszureden, aber hält daran fest...


    Das scheint seine Überzeugung zu sein.


    Menschen lassen nicht gern von ihrer Überzeugung ab - egal, woher diese auch kommen mag. Wenn man dem (selbst in bester Absicht und sei es noch so motivierend) nur entgegenredet, glaubt einem der Beteffende nicht.


    Im Vier-Augen-Gespräch würde ich ihm sagen, dass er auf mich den Eindruck macht, als wenn er wirklich auf die Sonderschule gehört. Ich teile also seinen Glauben, bestätige ihn. Das schafft ein gewisses Vertrauen.


    Erst dann hört er mir wirklich zu.


    Dann kann man den kleinen Kerl in die Zukunft der Sonderschule mit ein paar gezielten Fragen "entführen", lässt ihn Vermutungen äußern, wie es dann sein wird und lässt ihn am besten reden, reden, erzählen und ruhig auch abschweifen...
    Mit weiteren Fragen, die sich auch durchaus auf das Abschweifen beziehen können, kommt man irgendwann zu des Pudels Kern. Wichtig ist, sofort den Mund zu halten, sogar die eigene Frage zu unterbrechen, wenn der Andere dabei in eine Alltags-Trance gerät (ist leicht zu erkennen - jeder kennt das aus eigener Erfahrung.)


    Sollte der Redefluss aufhören, kommentiert man höchstens mit einem vorsichtigem und leisem, fragendem "Hmm?" oder "Und dann?" oder "Und wie?" oder "Aha" u.ä.


    Für solche Gespräche braucht es Zeit, die aber gut investiert ist. Und: Es braucht eine Person, der das Kind Vertrauen schenkt.
    EDIT: Tippfehler

  • Zitat

    row-k schrieb am 17.11.2006 19:40:
    Im Vier-Augen-Gespräch würde ich ihm sagen, dass er auf mich den Eindruck macht, als wenn er wirklich auf die Sonderschule gehört. Ich teile also seinen Glauben, bestätige ihn. Das schafft ein gewisses Vertrauen.


    Wie das in einem solchen Fall Vertrauen schaffen soll ist doch sehr fragwürdig.


    Liebe Melo,


    für mich klingt das eher danach, dass es sich um ein Kind handelt, das engere Grenzen, konkrete Arbeitsaufträge benötigt.
    Immer wieder gibt es Kinder, die noch nicht gelernt haben mit Freiräumen umzugehen, diese ihrem Potential nach auszuschöpfen.
    Das müssen diese Kinder erst lernen.
    Anders als manch anderer hier bin ich der Meinung, dass das nicht einfach so vom Himmel fällt und auch nicht in jedem Kinde gleich zum Vorschein kommt.


    Auch das Umgehen und Ausnutzen von Freiräumen braucht einen gewissen Lernzprozess vorweg.


    Drohungen, die andere Schulformen betreffen, halte ich gelinde gesagt für sinnlos und kontraproduktiv.


    Aber ich habe sehr gute Erfahrungen mit "Verträgen" gemacht.
    Man trifft - schriftlich fixierte - Vereinbarungen und zwar mit Eltern, Kind und Lehrperson.
    Arbeitet einen Punkteplan aus.


    Vielleicht ist das ja etwas für Deinen Schüler.


    Liebe Grüße
    strubbelsuse

  • Hallo!


    Bei einigen Kindern hilft es, mit ganz kleinen Zielen zu beginnen: beispielsweise eine Aufgabe, die geschafft werden muss. Und dann eine wie auch immer geartete Belohnung , Zum Beispiel Punkte, Sticker oder ähnliches und eine Aufgabe, die das Kind gerne macht (malen?).
    Manchmal ist es auch erfolgreich, mit den Eltern zu vereinbaren, dass ab einer bestimmten Anzahl an Punkten sie etwas schönes mit dem Kind machen.


    Die Frage, woher es das Kind hat, dass es auf die Sonderschule gehört ist dennoch wichtig. Wenn dies von den Eltern kommt und eine verzweifelte Drohung ist, muss dagegen gearbeitet werden.


    Als Unterstützung kannst du auch den Schulpsychologen in deine Klasse einladen. Dies kann sehr hilfreich sein.


    Viele Grüße


  • Gibt es irgendetwas, das ihn besonders interessiert, ein Hobby, einen Sport? Z.b. Karate, Angeln, Modelautos bauen, in den Bergen klettern gehen, die Dinosaurier etc?


    Vielleicht könnte er (und andere natürlich auch, aber ursprünglich halt für ihn) eine Art Referat machen. Vorbereitet in der Schule, Material (Bücher, Internetausdrücke ev. von dir) und er erstellt ein Plakat zu dem Thema und stellt es vor. Vielleicht braucht er einen "Selbstwertbeweis", dass er durchaus ein Schüler für einen Grundschule ist.


    Petra

    • Offizieller Beitrag

    Schon mal vielen lieben Dank allen kompetenten Antwortern!


    Ein Problem ist, dass das Kind zwar ganz sicher Grenzen braucht, aber bei enger gesteckten Grenzen total verweigert.


    Die Sache mit der Zeitbegrenzung für die Hausaufgaben hat er (sinngemäß) so kommentiert:Meine Mama hat eine Uhr aufgehängt für die Hausaufgaben. Aber wenn ihr meint, dass ich dieses Spielchen mitmache, habgt ihr euch getäuscht!
    Er hat wirklich von "Spielchen" geredet und es ist wohl auch so, dass er meist vernachlässigt wird, dann aber immer mal wieder mit pädagogischen Anwandlungen seiner Mutter umgehen muss.


    Mein Gefühl war jetzt, ihn mal ganz in Ruhe zu lassen, bin mir da aber noch etwas unsicher.


    Bestimmt ist es auch ganz gut, ihn auch für ganz wenig sehr zu loben.
    Ein Hobby hat er eigentlich nicht. Scheinbar interessiert ihn so gut wie nix - jedenfalls tut er gerne so.
    Da weiß ich nicht so recht, wo ich anknüpfen soll, halte aber die Augen offen.


    LG
    Melo

  • Zitat

    strubbelsuse schrieb am 18.11.2006 06:35:


    Wie das in einem solchen Fall Vertrauen schaffen soll ist doch sehr fragwürdig....


    Fragwürdig, ok. Dann also die Antwort:
    Dass es sehr gut funktioniert, sieht man im täglichen Leben, aber hier im Forum genauso gut: Wenn man jemandem "nach dem Munde redet", also NUR dessen Überzeugung widerspiegelt, ruft das kaum Widerstand hervor.
    Diese Erkenntns nutzt jeder Politiker, indem er zu Beginn seiner Rede der breiten Mehrheit zu Munde redet.


    Solcherlei Spielchen braucht es hier unter kompetenten Lehrern wohl nicht, oder doch?

  • :rolleyes: row-k hier geht es um Grundschulkinder, mal drüber nachgedacht ?


    Brunos Idee mit kleinen Aufgaben für den Jungen ist gut.
    Zuletzt nicht vergessen "Mit Speck fängt man Mäuse" ;)


    Kaffee

  • Zitat

    Kaffeetante schrieb am 19.11.2006 15:03:
    :rolleyes: row-k hier geht es um Grundschulkinder, mal drüber nachgedacht ?


    Brunos Idee mit kleinen Aufgaben für den Jungen ist gut.
    Zuletzt nicht vergessen "Mit Speck fängt man Mäuse" ;)


    Ja, habe ich und das Mäusefangen gehört natürlich dazu. Nur, Bruno schrieb ja auch:

    Zitat

    Bruno schrieb am 18.11.2006 10:05:
    ...Die Frage, woher es das Kind hat, dass es auf die Sonderschule gehört ist dennoch wichtig. Wenn dies von den Eltern kommt und eine verzweifelte Drohung ist, muss dagegen gearbeitet werden.


    Als Unterstützung kannst du auch den Schulpsychologen in deine Klasse einladen. Dies kann sehr hilfreich sein...


    Es geht ja darum, den psychischen Knoten (Sonderschule) zu lösen, damit alle anderen Methoden wieder besser wirken. Mein Ansatz ist nunmal, ZUERST den Ursachen auf den Grund zu gehen; auch Bruno sieht es so, dass das Kind von der Zwangsvorstellung "Sonderschule" befreit werden sollte.

    • Offizieller Beitrag

    Gehe ich also doch darauf ein... :rolleyes:


    Ich halte es für völlig daneben dem Kind auch noch zu erzählen, dass es auch die Sonderschule müsse oder ihm da in irgendeiner Form nach dem Mund zu reden! Das werde ich auf keinen Fall machen!
    Das ist für mich keine kompetente Antwort und ich hätte sie gerne ignoriert. Ich hoffe nur, es fühlt sich kein Berufsanfänger davon inspiriert und nimmt diese Vorschläge ernst oder an.
    Ohne dich persönlich beleidigen zu wollen, row-k, wäre es mir lieber, wenn du in meinen Threads keine Ratschläge absondern würdest!


    Allen anderen herzlichen Dank,
    Melo

  • Zitat

    Melosine schrieb am 19.11.2006 18:24:
    ...Ohne dich persönlich beleidigen zu wollen, row-k, wäre es mir lieber, wenn du in meinen Threads keine Ratschläge absondern würdest!...


    Hmm. Deine "Omnipräsenz" (Dein Wort) bedeutet aber, dass ich also in keinem thread etwas "absondern" dürfte.
    Was Du für richtig hältst, muss doch nicht zwangsläufig richtig sein, oder?

    • Offizieller Beitrag

    Tut mir leid, aber irgendwas stimmt mit deiner Wahrnehmung nicht. Die Threads, die ich in letzter Zeit eröffnet habe, kannst du an einer Hand abzählen.
    Die Omnipräsenz bezog sich, wie du sehr gut weißt, auf dein Auftreten zu einer bestimmten Zeit hier.


    Und damit möchte ich diese Diskussion mit dir beenden, da es mir wirklich um das Kind geht und ich mir den Thread nicht zerschießen lassen möchte.


    Melosine

  • Zitat

    Melosine schrieb am 19.11.2006 18:32:
    ...Und damit möchte ich diese Diskussion mit dir beenden, da es mir wirklich um das Kind geht...


    "Tu eine Sache,
    und du wirst die Kraft dazu haben!"


    Dann hab doch die Kraft, ignoriere Dein Gefühl mir gegenüber und nimm alle Vorschläge, Ansichten und Erfahrungen, die überhaupt im Forum geschrieben wurden - egal, von wem - auf.
    Das Darüber-Nachdenken schadet nicht und führt dann irgendwie zu einer Lösung für das Kind - darum geht es allen Schreibenden hier doch nur.

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