Kinder oder Elternwünsche??? Ethikstunde

  • Hallo ihr Lieben,


    ich sitze grade vor meinen ersten Stundenentwürfen für Ethik und mir ist eins aufgefallen:
    1. Man lenkt mit seiner Fragestellung immer auf ein Ergebnis, dass den Bedürfnissen des Lehrers entspricht.
    2. Die Schülerantworten sind wie von Erwachsenen antrainiert.


    Solche Stunde werde und will ich niemals halten! Durchs hospitieren ist mir aufgefallen, dass immer das Gut und Böse Spiel gespielt wird. Alle Meinungen müssen in einen bestimmten Rahmen passen.


    So und nun mein Problem: Thema Wünschen


    Die Kinder haben gelernt, dass Wünsche gut und erfüllbar sein müssen.
    Tja wisst ihr was die Kinder alles so für einen "Mist" gesagt haben?
    90% der Kinder wünschen sich aufs Gymnasium zu kommen.
    80% wünschen sich sauberer schreiben/ schneller rechnen zu können.
    90% wünschen sich besser als die anderen zu sein.
    Ein Kind hat sich gewünscht, das seine Familie gesund bleibt.


    Das sind doch nicht die Wünsche von Kindern sondern eingetrichterte Erwachsenen bzw. Lehrerwünsche. Mir ist auch aufgefallen, dass ich im Unterricht gesagt habe "Ich wünsche mir, dass ihr besser rechnet!". Wünsche ich mir das wirklich?


    Wenn ich Ethik als Diziplin der Philosophie und nicht als Erziehungsmittel versteh dürfte ich doch keine Kriterien wie Erfüllbarkeit für Wünsche aufstellen oder?


    Warum wünscht sich keiner auf den Mond fliegen zu können?
    Warum wünscht sich keiner, dass es allen Kindern gut geht?
    Warum wünscht sich kein Kind, dass sich alle verstehen?


    Kann ich es nun in meiner Stunde wagen, das System zu durchbrechen und die Kinder nach ihren wirklichen Wünschen zu fragen ohne sie einzuschränken oder ihre Antwort gesellschaftsfähig zu bewerten?


    ?(


    Wenn die Kinder von heute nur noch nach Normen der Erwachsenen denken, dann ist unsere Welt verloren!

    • Offizieller Beitrag

    Ganz spontan fällt mir dazu auf, dass ich gerade im vierten Schuljahr das Thema Hoffnungen bespeche und dabei ähnliche Antworten kamen. Gerade die Hoffnung eine Empfehlung für die Wunschschulform zu bekommen beschäftigt die Kinder sehr. Natürlich wird in der Familie viel darüber gesprochen. Die Antworten spiegeln doch den Druck wieder, der auf den Kindern lastet. In meiner Gruppe wurden auch Weltfrieden u.ä. genannt. Dabei hatte ich allerdings das Gefühl, dass diese Antwort mir zuliebe gegeben wurde. Ich habe die Kinder dann aufschreiben lassen, was sie für das Erreichen ihrer Hoffnung tun können. Viele änderten daraufhin ihre Zielantwort in etwas sehr Persönliches, z.B. dass die Eltern sich nicht mehr streiten sollen oder der Opa wieder gesund wird. Das fand ich als Ergebnis sehr schön. Man könnte sagen: Der Weg ist das Ziel, oder?


    Talida

    Ein Niederrheiner ist einer, der nix weiß und alles erklären kann.
    Hanns Dieter Hüsch

  • Danke für deine Antwort. Mir ist aufgefallen, dass die Klasse auch extrem leistungsbezogen ist, weil viele Kinder dort Leistungssportler sind.


    Hab vorhin beim Aufräumen einen tollen Artikel gefunden, wo es genau um die Problematik weiterführende Schule geht. Dort wurde durch Studien belegt, dass die Einstellung des Lehrers gegenüber bestimmten Schulformen die Kinder über Jahrzehnte prägt.


    Die Beispiellehrerin vermittelte ihren Kindern, dass jedes Kind einen Wert hat und hackte nicht ständig auf der These Gymnasium=gut der Rest schlecht rum. Sie hat immer wieder betont wie wichtig Leistung ist, jedoch ohne konkret Bezug auf einzelne Kinder zu nehmen.Sie lobte jedes Kind für seine Eigenschaften und spornte sie an an ihren Schwächen zu arbeiten. In den 40 Dienstjahren die sie hatte, hatten außergewöhlich viele Kinder das Gymnasium und die Hochschullaufbahn eingeschlagen. Selbst die Kinder, denen andere Lehrer keine Chance auf ein Abitur eingeräumt haben.


    Wenn wir ehrlich sind müssen wir uns dem Druck der Gesellschaft beugen, doch die meisten Eltern tun immer so als gebe es nach der 4 nur einen einzigen richtigen Weg. Sie kennen kaum Alternativen wie das Berufliche Gymnasium nach der 10 oder andere Wege um seinen späteren Berufswunsch umzusetzen. Das sollte eigentlich mal auf Elternabenden besprochen werden, anstatt nur auf die gewünschte Bildungsempfehlung zu focusieren.


    Vielleicht wurden die Kinder auch zu Anfang des Schuljahres verstärkt auf die Bedeutung der 4 eingeschworen und haben deshalb so monoton geantwortet.


    Ciau Elli

  • Hallo elli,
    Die Wünsche im vierten Schuljahr sind sicher anders als in anderen Schuljahren, und das kommt höchstwahrscheinlich von dem Druck, den die Kinder spüren.


    Ich habe eine Frage. Du schreibst, die Kinder haben gelernt, dass Wünsche gut und erfüllbar sein müssen. Müssen sie das wirklich? Ich sage meinen Kindern immer, dass man sich alles wünschen darf, und dann eben abwarten muss, was man bekommt.
    Gruß venti :)

  • Ja eben darum ging es mir ja.
    Frag mich wer diese Definition von Wunsch erfunden hat.
    Dann müsste der Wunsch "jemanden wahrhaftig und immer lieben" ja auch falsch sein.
    Vielleicht meinte die Lehrerin eher Ziele als Wünsche.
    Ziele müssen gut und erreichbar sein. Wünsche haben keine Grenzen und Dimensionen.


    Ich werd einfach ein Gedankenexperiement machen und diese Diskrepanz von den Kindern beleuchten lassen!


  • Ja das ist mir auch gleich aufgefallen, seit wann müssen Wünsche erfüllbar sein? Schon komisch, wenn LehrerInnen ihren SchülerInnen sowas "eintrichtern".


    Ich denke auch, dass sie eher Ziele gemeint hat, vielleicht auch Bedürfnisse.
    In meinen Hospitationen habe ich ständig erlebt, dass alle Begriffe wild durcheinander gingen.


    Aber ich möchte nochmal auf die formulierten Wünsche zurückkommen. Als ich in der vierten Klasse war, war mein dringlichster Wunsch, richtig schreiben und lesen zu können. Daher kann ich die Äußerungen der Kinder sehr gut nachvollziehn. Man darf nicht vergessen, in welcher Realität die Kinder sich befinden. Sie sind mit ihren schulischen Leistungen permanent konfrontiert und sie prägen erheblich das Selbstkonzept. Die Vorstellung auf die Hauptschule gehen zu müssen, war für mich der Horror, denn ich wollte unbedingt viel lernen. Auch wenn man das als Kind in der konkreten Situation im Unterricht schnell mal vergisst, so einem doch bewusst, was man eigentlich alles erreichen will. Zum Beispiel auch zum Mond fliegen und dazu muss man Astronaut werden und das dürfen nur Menschen die ganz viel gelernt haben. Dessen sind sich die 4. Klässler durchaus bewusst, auch wenn sie nicht wissen, was ein Studium bedeutet. ;)


    Wie man rausbekommt was die SchülerInnen "erlich" für Wünsche haben bekommt man am besten raus, in dem man ihnen zuhört, statt ständig Fragen zu stellen und in dem man die Kinder selbst schreiben lässt. Wer verrät schon gleich seine erlichen Wünsche, wenn er gerade mal so danach gefragt wird? Da schiebt man doch gern erstmal halbwegs realistische Ziele als Wünsche voraus, oder? Wünsche sind etwas sehr intimes, die teilt man mit seiner/seinem PartnerIn, oder als Kind mit der/dem besten FreundIn und sonst höchstens noch den Großeltern, oder so :). Es braucht also etwas Zeit und Vertrauen um die tatsächlichen Wünsche ans Tageslicht zu fördern. Es gibt ja auch verschiedene Kategorien von Wünschen. Das Bestreben auf eine bestimmte Schulform zu gelangen gehört sicherlich zu den Wünschen, die eng mit realistischen Zielen zusammen hängen, soetwas verrät man schnell. Der Wunsch Bundeskanzler zu werden oder Astronaut, ist dagegen sehr spekulativ, wenn man ihn verrät geht man das Risiko ein, von anderen deswegen veralbert bzw. nicht ernst genommen zu werden. Soetwas verrät man folgerichtig nicht so leicht.


    viele Grüße
    Mr Pink

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