Zu Hause Deutsch sprechen?

  • Ausgelöst durch den Thread zu Englisch in Klasse 1 würde ich gerne eure Meinung zu einer Sache hören, über die ich im Moment nachdenke. Ich habe in der Nachhilfe einen Drittklässler mit Migrantionshintergrund (Kurde) bzw. er ist hier aufgewachsen. Zu Hause sprich er - zumindest mit seinem Vater - Deutsch. Der Vater ist sehr bemüht und möchte alles, was geht, aus dem Kind rausholen, möchte ihm den Übergang auf das Gymnasium ermöglichen. Der Junge hat aber einen recht begrenzten Wortschatz, sein Vater einen noch begrenzteren.


    Ist es eurer Meinung nach sinnvoll, wenn sich zu Hause in der fremden Sprache unterhalten wird, die ja beide nicht "richtig" können? Wäre es nicht evtl. fruchtbringender, wenn der Junge Kurdisch richtig lernen würde? Nach eigenen Angaben kann er Kurdisch auch nicht gut.

  • Zitat

    Aktenklammer schrieb am 26.03.2006 19:11:
    Wäre es nicht evtl. fruchtbringender, wenn der Junge Kurdisch richtig lernen würde? Nach eigenen Angaben kann er Kurdisch auch nicht gut.


    Hallo!


    Ich denke schon.
    Man kann nur eine neue Sprache lernen, wenn man eine andere kann.
    Aus diesem Grund bekommen Kinder mit Migrationshintergrund an vielen Schulen muttersprachlichen Unterricht.


    Beispiel dafür ist auch das Projekt Koala
    http://www.learn-line.nrw.de/a…rachenwerkstatt/koala.htm


    Viele grüße

  • Hallo Aktenklammer,
    ich bin in jedem Fall dafür, dass das Kind die Sprache mit den Eltern spricht, die die Eltern perfekt sprechen können. In deinem Falle also kurdisch. Egal, welche Schullaufbahn er mal einschlägt - es ist immer gut, Fremdsprachen sprechen und schreiben zu können - noch dazu, wenn es sich um die Muttersprache handelt. ( Er kann ja deutsche Radiosender hören oder deutsches Fernsehprogramm gucken, das hilft ja auch beim Deutschlernen.)
    Wichtig wäre dann noch das Schreiben der Muttersprache, sonst haben wir bald eine Menge Analphabeten in zwei Sprachen.
    Gruß venti :)

  • Es ist nachgewiesen, dass Migrantenkindern das Erlernen der deutschen Sprache leichter fällt, wenn sie zuvor die Muttersprache richtig gelernt haben. Sie können dann Parallelen ziehen. Außerdem ist es natürlich auch für die Identität der Kinder wichtig, dass sie (auch) die Muttersprache beherrschen. Ansonsten besteht die große Gefahr der doppelten Halbsprachigkeit - und wie muss sich ein Kind fühlen, wenn es hier wie da sich nur unzureichend ausdrücken kann und eigentlich niemals so richtig genau formulieren kann, wie es sich fühlt? Ich empfehle Eltern, entweder zu Hause durchaus bei der Muttersprache zu bleiben, oder zumindest deutliche Grenzen zu ziehen. Ich habe eine Schülerin, die redet zu Hause immer in einer Art Mischmasch-Sprache, wechselt innerhalb eines Satzes mehrmals hin und her - für die Grammatik natürlich absolut tödlich. Und schließlich: Wenn der Vater auch kein gutes Deutsch spricht, was kann das Kind dann lernen?


    Gruß
    Britta

  • Tja, was nun tun? SO eine Expertin bin ich ja auch nicht, dass ich mich da jetzt den Eltern gegenüber zu so großen Ratschlägen aufschwingen kann.
    Ich vermute auch, dass der Vater die Gelegenheit mit seinem Sohn nutzt, damit ER auch Deutsch sprechen kann. Die Mutter kann recht schlecht Deutsch. Schwierig.

  • Ich habe mich mal damit beschäftigt, wie es gelingen kann, ein kind zweisprachig aufwachsen zu lassen.
    1) beide Sprachen müssen einen Bezugspunkt haben (ein Elternteil, das Kindermädchen, das Fernsehen usw.)
    2) die beiden Sprachen müssen fließend "vorgestellt" werden
    3) Wird erst eine, dann die andere Sprache gelernt, bleibt eine Sprache immer die "Fremdsprache"


    Mein Vorschlag wäre, dass das Kind zu Hause Kurdisch spricht und die Eltern dem Kind einen deutschen "Bezugspunkt" ermöglichen (Fernsehen fände ich nicht so glücklich...) Vielleicht kann man zwischen "zu Hause" und "in der Öffentlichkeit" trennen, dh. zu Hause wird strikt nur Kurdisch gesprochen, hat die Familie Kontakt nach außen (Schule, einkaufen usw.) wird strikt Deutsch gesprochen. Dazu benötigt das Kind dauernden Zugang zu fleißendem Deutsch (aber das sollte ja über die Schule gegeben sein)


    Vermutlich wird das Kind ca. bis zum 9-10 Lebensjahr die Sprachen "vermischen" und dann zunehmend voneinander getrennt fließend sprechen.


    Gruß, Forsch

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