Schüler ausgerastet - wie gehe ich nun vor?

leila · 18. Dezember 2005

Hallo zusammen,
ich muss euch mal von einem Vorfall berichten, der mir das ganze Wochenende keine Ruhe lässt.

Am Freitag hatte ich mit meiner vierten Klasse Werkunterricht. Alles lief super, bis ein Schüler anfing, seine Mitschüler schreiend herum zu komandieren. Daraufhin habe ich ihn ermahnt und ihm gesagt, dass er -muss ich ihn noch mal ermahnen - nicht mehr bei der Aktion mitmachen darf.

Das kümmerte ihn wenig, so dass er schließlich mit Material und Werkzeugen spielte, und seiner Gruppe das Weiterarbeiten unmöglich machte. In dem Moment klingelte es zur Pause und ich habe dem Schüler gesagt, dass er nach der Pause eine schriftliche Aufgabe bekäme und diese in der Parallelklasse erledigen müsste.

Pause vorbei.
Ich gebe dem Schüler seine Aufgabe und bitte ihn, in die Parallelklasse zu gehen. Daraufhin ist er absolut ausgerastet.
Hochroter Kopf, Tränen in den Augen, Fäuste geballt. Er schrie die Kinder und mich an, beleidigte uns, hob Stühle hoch und drohte sie herumzuwerfen. Ich habe die Klasse dann erst mal in die Werkstatt (die ist direkt nebenan) geschickt, um sie weiter arbeiten zu lassen.
Ich habe versucht, den Schüler zu beruhigen, aber die Beleidigungen und das Geschrei wurden immer größer und schlimmer. So etwas habe ich noch nie erlebt!!!
Ich habe den Schüler dann alleine im Klassenraum gelassen, die Tür war geöffnet, so dass ich im Notfall alles mitbekommen hätte.

Nach der Schule wollte ich die Eltern telefonisch informieren, aber sie waren nicht zu Hause. Das sagte mir der Schüler -in genau dem wütenden und unbeherrschten Ton wie am Vormittag - am Telefon.

Sicher ist, dass ich die Eltern über dieses Verhalten informieren werde. Das "Problem" ist nur, dass sie mich nicht mögen und mich auch nur als Referendarin, die nichts zu sagen hat, sehen.
Würdet ihr die Eltern nochmals versuchen telefonisch zu erreichen, ihnen eine schriftliche Mitteilung schicken oder sie zu einem persönlichen Gespräch bitten?

Der Schüler ist allg. dafür bekannt, dass er den Lehrern und vielen Mitschüler gegenüber wenig Respekt hat. Zu Hause ist er Einzelkind und er bekommt jeden Wunsch erfüllt. Schon oft habe ich mitbekommen, wie er auch mit seiner Mutter nicht gerade nett umgeht. Sie tat in diesen Situationen wenig dagegen. Kommt der Vater allerdings ins Spiel, wird der Schüler schnell leise und pariert...

Ein kleines weiteres Problem an der Geschichte ist, dass ich Regeln der Klassenlehrerin bei Regelverstößen der Kinder als Fachlehrerin nicht übernommen habe, da ich mit dem System nicht zurecht komme. Ich habe also meine eigenen Regeln in der Klasse, die klar und transparent sind und an die sich die Kinder auch gut halten. Diesen "Alleingang" werfen mir die Eltern auch immer wieder vor. Das würde auch Thema werden, wenn ich die Klassenlehrerin morgen über den Vorfall informieren werde.

Mmh, im Moment weiß ich nicht so richtig, welche Vorgehensweise meinerseits die Beste ist.

Kann mir jemand etwas raten?
LG LEila

**Talida** · 18. Dezember 2005

Hallo Leila,
vielleicht beruhigt es dich etwas, dass mir solche Vorfälle schon des öfteren passiert sind. Als Referendarin bekommt man da einen besonderen Schrecken und ich hoffe, deine Schulleitung steht hinter dir. Denn ich würde morgen (nach Information der Klassenlehrerin) zur Schulleitung gehen und um eine schriftliche Einladung der Eltern zu einem gemeinsamen Gespräch bitten. So wie du die Lage schilderst scheint dringender Handlungsbedarf zu bestehen und diese Familie sollte mit Nachdruck spüren, dass die Referendarin kein Prügelknabe ist und sich auch nicht von einem erziehungsresistenten Kind auf der Nase herumtanzen lassen muss. Jede Lehrkraft hat ihre eigenen Regeln, weil wir alle unterschiedliche Persönlichkeiten haben. Ich denke aber, dass sich die Kernpunkte dieser Regeln bei allen treffen.
Wenn der Junge öfter ausrastet ist er besonders im Werkunterricht eine Gefahr für die anderen Kinder. Das würde ich ruhig so drastisch schildern. Ich würde die Verantwortung für die nächste Zeit ablehnen und klare Abmachungen mit den Eltern treffen. Dazu gehört auch, dass sie jederzeit telefonisch erreichbar sein müssen.

LG Talida

strubbelsuse · 18. Dezember 2005

Hallo Leila,

herrje, das klingt nicht wirklich prickelnd.

Zunächst würde ich auf jeden Fall das Gespräch mit der Klassenlehrerin und wahrscheinlich auch das mit der Schulleitung suchen.
Und zwar bevor das Gespräch mit den Eltern stattfindet.

Wahrscheinlich würde ich versuchen, gemeinsam mit den anderen Kolleginnen, die dieses Kind unterrichten, auf einen Nenner zu kommen, um nicht durch die unterschiedlichen Regelsysteme alles noch verworrener und vor allem auch für das Kind komplizierter zu machen.

Und dann kann man nur versuchen, gemeinsam mit Eltern und Kolleginnen einen Weg des sinnvollen Umgangs mit der Situation zu finden und vor allem auf Spurensuche gehen.
Irgendeinen Grund muss dieses Verhalten ja haben.....

Als Referendarin ist das natürlich eine noch bittere Situation als als Klassenlehrerin.
Du hängst da zwischen sehr vielen Stühlen und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Dich das das ganze Wochenende über festhält.

Ich drücke Dir ganz fest die Daumen, dass ihr gemeinsam einen Weg finden werdet.

Liebe Grüße
strubbelsuse

Powerflower · 18. Dezember 2005

Hallo leila,

das erinnert mich sehr an einen Vorfall, den ich vor kurzem selbst erlebt habe... auch ich habe den Schüler angeschrien, der ebenfalls durch respektloses Verhalten auffällt, aber dadurch wurde es nur schlimmer. Erst ein klärendes Gespräch zwischen der Klassleiterin und der Klasse in der Woche darauf entschärfte die Situation. Sie haben gemeinsam neue Klassenregeln aufgestellt..

Ich habe mir für die Zukunft vorgenommen, bei Wiederholung des Vorfalls den Schüler beiseite zu nehmen und mit ihm ganz ruhig zu sprechen (nicht vor der Klasse), warum er sich so aufregt, ihm also Verständnis zu signalisieren. Sollte das nichts helfen, würde ich eine Stunde oder einen Tag abwarten und es dann nochmal versuchen. Sollte das alles auch nichts helfen, würde ich die Klassleiterin einschalten, dass sie mit der Klasse über dioe Sache spricht. Dazu muss ich sagen, dass die Schüler die Klassenlehrerin sehr gern mögen (mich aber auch, wenn auch vermutlich nicht so sehr ).

Wie gut kooperierst du denn mit der Klassenlehrerin? Eigentlich würde ich dir raten, dich mit ihr über die Regeln abzustimmen und sie einzuschalten, dass sie notfalls vermittelt. Wenn es ein schwieriger Schüler ist, finde ich das notwendig, denn solche Schüler haben oft psychische Probleme.

Powerflower

robischon · 18. Dezember 2005

vorfall
es hört sich an als sei der junge verzweifelt.
entsprechende ausraster hab ich erlebt wenn sich eine trennung der eltern vorbereitete.
man kann versuchen den jungen zu beruhigen und ihm halt anzubieten. und braucht hilfe von anderen.

koritsi · 18. Dezember 2005

So sehe ich das auch.
Hab auch so ein armes Würstchen in meiner 2., der zuckt so schnell aus...
Nimm's vor allem nicht persönlich, sondern versuche, nachdem der Dampf abgelassen wurde, ruhig mit ihm ins Gespräch zu kommen.

Bablin · 18. Dezember 2005

Ich hatte vor einiger Zeit auch so eine Situation, allerdings mit viel extremerem Verhalten des Kindes.

Für den nächsten Tag hatte ich mir vorgenommen, ihm zu sagen, dass ich mir Sorgen um gemacht hatte. Das Kind kam ganz ruhig von sich aus auf mich zu und erklärte, es sei da etwas ausgerastet, es täte ihm leid ... Wir konnten dann in Ruhe über den Vorfall sprechen. An der auslösenden häuslichen und allgemeinen Situation lässt sich durch Gespräche leider nichts ändern.

Für den Werk- und Sportunterricht musst du, ev. zusammen mit dem Kind, Alternativen überlegen und besprechen, denn da gefährdet es sich und andere.

Im Prinzip muss man verhindern, dass es erst so weit kommt, und sich ein deeskalierendes Vorwarnsystem überlegen. Aber immer ist das nicht zu leisten.

Bablin